In hohem Bogen über die Mosel
Sie verbindet beide Seiten der alten Stadt und schwingt sich auf einer Länge von rund 260 Meter von einem Ufer zum anderen. Tausende Radfahrer und Fußgänger nutzen täglich Maastrichts „Hoge Brug“, um den Fluss zu queren, der der niederländischen Stadt ihren Namen gab. Derartiges könnten sich nicht wenige auch für Trier vorstellen, und wer sich ein Bild davon machen möchte, wie ein Steg über die Mosel aussehen könnte, sollte sich alsbald in die Europäische Kunstakademie begeben. Im Westen der Stadt werden derzeit zehn Entwürfe von Architekturstudenten der Hochschule Trier gezeigt. Die Ideen reichen von kühnen Entwürfen wie einer wettergeschützten Röhre namens „Helix“ bis zur luftig und leicht anmutenden Bogenbrücke.
TRIER. Auf den ersten Blick scheint die Ausgangslage beinahe identisch: Wie Trier verfügte das nur geringfügig größere Maastricht bis vor wenigen Jahren über drei Flussquerungen. Die größten und vom KfZ-Verkehr am meisten frequentierten Brücken liegen hier wie dort jeweils im Süden der Stadt. Und was den Trierern ihre Römerbrücke, ist den Maastrichtern ihre „Sint Servaasbrug“ – beide zählen nicht nur zu den ältesten Steinbrücken ihrer Länder, sie liegen auch jeweils nördlich, also flussabwärts. Und es gibt noch eine weitere Parallele: In beiden Städten findet sich jeweils noch weiter nördlich eine weitere, dritte Straßenbrücke.
Doch von der niederländischen Universitätsstadt könnte man in Trier noch einiges lernen. Nicht nur, wie man seine älteste Brücke in Szene setzt – gemessen an der „Sint Servaasbrug“ kommt das Weltkulturerbe Römerbrücke fast schon schäbig daher – sondern auch, wie man zusätzlich einen modernen Steg über den Fluss spannt, ohne dass hierdurch die Wirkung der Jahrhunderte alten Querung in Mitleidenschaft gezogen wird. Im Gegenteil: Von der „Hoge Brug“, die nur Fußgänger und Radfahrer passieren dürfen, hat man einen unverstellten Blick auf die pittoreske alte Brücke, die übrigens ebenfalls nicht von Autos und Lkw genutzt werden darf.
Dass die Römerbrücke über kurz oder lang für den KfZ-Verkehr gesperrt wird, steht nicht zu erwarten; wie auch noch völlig ungewiss ist, ob und wann die preisgekrönten Ideen des städtebaulichen Wettbewerbs zu diesem Welterbe, der im Herbst 2012 durchgeführt wurden, je umgesetzt werden (wir berichteten). Vor diesem Hintergrund scheint die Sorge, die nun in der Europäischen Kunstakademie ausgestellten Entwürfe für einen „Irminensteg“ würden alsbald wieder in der Versenkung verschwinden, durchaus nachvollziehbar. Und doch hat sich die Arbeit gelohnt und sollten auch skeptische Zeitgenossen, die einer solchen Querung einiges abgewinnen können, die Hoffnung nicht aufgeben, dass es derartiges dereinst auch in Trier geben wird. Zu Erinnerung: Dass der Kornmarkt einmal autofrei sein und einer der schönsten Plätze der Stadt sein könnte, schien lange Zeit für viele auch undenkbar.
Wettbewerbe wie jene des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule erfüllen nicht nur den Zweck, angehende Architekten auf die Planung von Bauwerken vorzubereiten, bei denen „das Spiel der Kräfte mit künstlerischem Formwillen und ästhetischem Anspruch“ einher geht, wie es Professor Matthias Sievecke ausdrückt; sie können auch einen neuerlichen Anstoß für eine Diskussion geben. Für OB Klaus Jensen, der während seiner bisherigen Amtszeit seinem erklärten Ziel, Trier stärker zu einer „Stadt am Fluss“ zu machen, nicht wirklich nähergekommen ist, sind die Modelle, die nun in der EKA gezeigt werden, denn auch eine Ermunterung, die Diskussion fortzusetzen und zu intensivieren. Jensen gehörte der Jury an, welche über die Qualität der Entwürfe zu entscheiden hatte. Neben zwei ersten Preisen wurde am Dienstagabend auch ein Sonderpreis vergeben.
Professor Bernhard Sill, einer der akademischen Betreuer des Projekts, lobte die „Leidenschaft für konstruktive Entwürfe“, welche die Teilnehmer des Wettbewerbs an den Tag gelegt hätten. Was nicht heißt, dass einige der Studierenden nicht auch kühne Ideen präsentiert hätten; so eine namens „Helix“, die von Andreas Daleiden und Agata-Urszula Kuijntjes entwickelt wurde. Hierbei würde es sich nicht um eine klassische Brücke handeln, sondern um eine transparente, komplett geschlossene Röhre, welche von einem Ufer zum nächsten reichen und obendrein auch noch die Moseluferstraße überqueren sollte. Das ging der Jury dann doch zu weit, derartiges passe – wenn überhaupt – eher in einen stärker städtischen Kontext. Während manche der Studenten ambitioniert den Entwurf für ein „neues Wahrzeichen für Trier“ liefern wollten, nahmen sich andere bewusst zurück und betonten mit ihren Ideen den Primat des nahe gelegenen Welterbes und auch des Natur- und Landschaftsraums Mosel. Der Entwurf „Catwalk“ ( Patrizia Rohner und Joel Rollinger) sieht unter anderem einen parallel zur „Pferdeinsel“ verlaufenden Steg vor. Eine Idee mit Charme, jedoch mutmaßlich ein zu großer Eingriff in die Natur.
Ehrgeizig auch der Plan von Pol Firmenich und Michael Wagner. In der Mitte „ihrer“ Brücke würde es einen tiefer gelegenen Bereich mit einer besonderen Aufenthaltsqualität geben. Der Fußgänger würde quasi in das Bauwerk hineingehen. Das sei „sehr intelligent entworfen“, lobte Jensen, weshalb die Jury für den Entwurf „Schale“ einen Sonderpreis vergab. Gleich zwei Teams wurden mit einem ersten Preis bedacht. So Christian Junker und Thomas Schüler mit ihrem Entwurf „Seilbinder“, der dank des dezenten Tragwerks einen transparenten Brückenschlag schaffen und so keine Konkurrenz zu den vorhandenen Brücken darstellen und obendrein auch das Moseltal respektieren würde, wie die Jury lobte.
Die war auch angetan von Alisha Fabrys und Tatjana Zuras Entwurf für eine Bogenbrücke, die sich nach den Vorstellungen der beiden Studentinnen mit „asymmetrisch verlaufenden Bögen dem Landschaftsverlauf anpassen und die Asymmetrie des Flusses sowie der Stadt unterstreichen“ würde. Im Bereich der schiffbaren Moselseite würde die Brücke eine große einladende Geste machen und in Richtung Innenstadt an Höhe geringer ausfallen. Auch dieser Entwurf stünde nicht in Konkurrenz zum Weltkulturerbe.
Ob „Seilbinder“ oder „Bogenbrücke“ – noch ist völlig unklar, ob und wann es eine eigene Querung für Fußgänger und Radfahrer geben wird. Dass diese eine Bereicherung für die „Stadt am Fluss“ sein könnte und es schon aufgrund der mehr als suboptimalen aktuellen Wegeführung auf der Römerbrücke für Passanten und Pedaltreter kein Luxus wäre, einen weiteren Brückenschlag zu wagen, liegt auf der Hand. Professor Franz Kluge, Dekan des Fachbereichs Gestaltung, hofft jedenfalls, dass der Wettbewerb einen neuerlichen Anstoß für dieses Projekt geben wird. Ob die Brücke „Irminensteg“ heißen soll oder anders, sei völlig offen. Allein schon hierüber lohne eine Debatte unter den Trierern, ist Kluge überzeugt.
Die Ausstellung „Irminensteg Trier – überBrücken“ ist Programm für Trier und die Großregion“ ist noch bis zum 13. April in der Europäischen Kunstakademie zu sehen.
von Marcus Stölb