„Wir machen das für die Trierer“

Kampf um den Erhalt des Drei-Sparten-Hauses: Intendant Gerhard Weber am vergangenen Donnerstag vor dem Kulturausschuss. Foto: Christian JörickeAm vergangenen Donnerstag wurden im Kulturausschuss drei Szenarien für die Zukunft des Trierer Theaters vorgestellt, die Einsparungen für den städtischen Haushalt bringen sollen: die Auflösung des Schauspielensembles, die Auflösung des Musik- und Tanztheaterensembles und die komplette Umwandlung des Theaters in ein Gastspielhaus. Alle Optionen würden einschneidende Folgen für die Einrichtung, deren Mitarbeiter und auch für die Stadt haben. Gegen diese Maßnahmen demonstrierten im Vorfeld Bürger, Theaterangehörige, andere Kulturschaffende und ein Theater-Netzwerk der Universität. Zudem läuft seit gut vier Wochen eine Unterschriftensammlung für den Erhalt des Ensemble-Theaters. 16vor sprach mit Intendant Gerhard Weber über Alternativen zu Spartenstreichungen, über die Unterstützung der freien Theaterszene und warum Trier sich von anderen Städten mit Bespiel-Theatern unterscheidet.

16vor: Wie haben Sie sich nach der Ausschuss-Sitzung gefühlt?

Gerhard Weber: Nicht sehr gut. Die Präsentation von Herrn Haselbach war für mich ein grenzwertige Situation. Ich hatte mit dem, was er vorstellen wird, gerechnet, aber es war dennoch prekär. Ich habe so eine Situation noch nie erlebt. Unser Ensemble hat sich dem tapfer gestellt. Ein großes Kompliment an das Ensemble, dass es dies ausgehalten hat.

In meiner kurzen Rede zum Schluss habe ich einen Satz leider nicht mehr anbringen können: Den Appell an die Politik, uns der Situation nicht weiter aussetzen zu müssen, dass hochqualifizierte Mitarbeiter auf die Straße gehen müssen, um für ihren Beruf zu werben. So etwas machen zu müssen, ist zum Teil auch demütigend. Aber wir machen es ja nicht nur für uns, sondern vor allem für die Trierer.

16vor: Was haben die Trierer davon? Warum sollte das Ensembletheater erhalten werden?

Weber: Es geht um den Ruf der Stadt Trier. Ein Bespiel-Theater hat längst nicht die Qualität wie ein Ensemble-Theater. Trier ist eben nicht Speyer oder Worms, sondern Trier. Speyer und Worms, wo es nur Gastspielhäuser gibt, liegen in der Achse Heidelberg-Mannheim. Trier ist in einer geografisch singulären Situation. Es gibt noch ein Bespieltheater in Luxemburg und dann ist erstmal lange Zeit nichts. Darum ist das Theater hier überlebenswichtig für die Stadt.

16vor: Welche Möglichkeiten sehen Sie neben den gerade vorgestellten? Die Stadt könnte zum Beispiel die sogenannten freiwilligen Leistungen anders verteilen.

Weber: Wenn man dahin käme, dass sich die politische Meinung dorthin bewegen würde, zu erkennen, dass es für Trier lebensnotwenig wäre, eine Umschichtung zugunsten der Zukunft des Theaters vorzunehmen, dann hätten wir den wichtigsten Schritt in der gegenwärtigen Situation erreicht.

16vor: Oder das Land müsste seinen Zuschuss aufstocken.

Weber: Die Türen dort sind nicht verschlossen. Aber natürlich muss es eine Gerechtigkeit bei den Zuschüssen für die anderen Städte geben. Man muss auch bedenken, dass das auch Rheinland-Pfalz finanziell nicht in einer vorteilhaften Situation ist. Ich glaube, das muss man erstmal trierintern lösen. Es gab ja viele Gespräche mit Mainz, aber meines Wissens verweist das Land immer auf Trier zurück. Trier müsse erst eine Willensbildung betreiben, dann könne man über alles Weitere reden.

Darin sehe ich auch das Problem. In Bezug auf das angedachte Drei-Städte-Theater glaube ich, dass die beiden andere Städte sagen würden: „Das ist vorwiegend ein Problem von Trier und nicht unseres.“

16vor: Vor gut drei Wochen ging das Theater beim Aktionstag „Kulturgut stärken“ auf die Straße, um auf seine Situation aufmerksam zu machen, es läuft eine Unterschriftenaktion und vor der Ausschuss-Sitzung wurde demonstriert. Welche weiteren Maßnahmen sind geplant, um den Stadtrat davon zu überzeugen, dass Trier ein Drei-Sparten-Haus braucht?

Weber: Ich würde mir wünschen, dass man unseren Sachverstand wieder mehr nutzen würde. Das kann man mit oder ohne ICG (Integrated Consulting Group) sein. Wir wollen mit der Verwaltung eine sachliche Diskussion, um über eine dritte Möglichkeit zu reden, bei der man unter Bewahrung des Ensemble-Theaters gemeinsam Strukturen ausarbeitet, die möglicherweise eine finanzielle Erleichterung für den städtischen Haushalt bieten würden.

16vor: Wie könnten diese Strukturen aussehen? Eine andere Rechtsform?

Weber: Das wäre sicherlich eine ganz wichtige Entscheidung, die auch schon von der ICG vorgeschlagen wurde. Das würden wir begrüßen. Man müsste nur genau sehen, welche Form man dann nehmen würde. Denn völlig loslösen von der Stadt hieße auch, dass man sie aus ihrer finanziellen Verpflichtung entließe. Das wäre nicht im Sinne des Theaters.

Ein Vorschlag, den ich auch schon öfter an die politischen Entscheider gerichtet habe, ist, über einen multi-funktionalen Theaterbau nachzudenken. Einen Neubau, den man als Theater und Konferenzzentrum nutzen könnte. Das müsste die Verwaltung auf Machbarkeit überprüfen.

16vor: In der Ausschuss-Sitzung konnte kein Beispiel für eine gelungene Umwandlung eines Ensemble-Theaters in ein über die Zuschauerzahlen hinaus erfolgreiches Bespiel-Theater in Deutschland genannt werden. Sind Ihnen Fälle bekannt, wo es nicht funktioniert hat? Das wäre doch auch ein gutes Argument dagegen.

Weber: Nein, denn es wäre ein erstmaliger Prozess. Es wurde hier noch nie ein Ensemble-Theater in ein Bespiel-Theater umgewandelt. Fusionsbestrebungen, zum Beispiel zwischen Heidelberg und Freiburg, sind immer wieder gescheitert, weil ein Theater aufgepfropft von einer Stadt auf eine andere nicht funktioniert. Das Ballett in Koblenz ist gänzlich etwas anderes als das, was hier gemacht wird. Ich glaube, das ist nicht umtopfbar. Das ist eigens für eine Stadt entworfen, von der Theaterleitung für die Zuschauer dort entwickelt.

Die von Herrn Haselbach genannten großen Städte mit Bespiel-Theatern waren und sind zeitlebens Bespiel-Theater. Und waren Häuser mit einer großen Arbeitertradition, keine Universitätsstädte. Ludwigshafen ist keine Universitätsstadt, Wolfsburg ist keine Universitätststadt. Trier ist eine Universitätsstadt. Dem kam man nicht gerecht werden, indem man Tourneebühnen – ohne denen nahetreten zu wollen – anbietet. Das ist meistens Unterhaltungsware, die man bekommt.

Werbung16vor: Sie haben in den vergangenen Jahren auf Druck der Verwaltung versucht, mit dem einem oder anderen Kassenschlager mehr und einem vielleicht etwas weniger experimentierfreudigen Programm ein breiteres Publikum zu gewinnen, Sie sind aus demselben Grund in andere Spielstätten gegangen, es bestehen ausgezeichnete Kooperationen beispielsweise mit der Universität und Sie haben im vergangenen Jahr die größtmöglichen Einsparungen umgesetzt. Die nun vorgestellten Szenarien müssen Ihnen wie ein Bestrafung vorkommen, oder?

Weber: Dieses Gefühl schleicht sich natürlich ein, zumal uns bestätigt wurde, gute Arbeit geleistet zu haben. Was mich persönlich trifft, ist der häufige Vorwurf der Unbeweglichkeit. Genau das Gegenteil haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. Das Theater hat völlig sein Gesicht gewandelt. Auch unser Betrieb ist ein ganz anderer geworden. Wir waren außerordentlich mobil im Kopfe. Worin es für mich jedoch keine Bewegung geben wird, ist der Schutz des Ensemble-Theaters.

16vor: Unterstützung darin erhalten sie nicht nur von der Universität. So schrieb Professor Ulrich Port vergangene Woche in einer Pressemitteilung, dass der Fachbereichsrat des Fachbereichs II den „Entwurf eines Kulturleitbildes 2025 für Trier“ mit „einiger Sorge zu Kenntnis genommen“ habe, weil er befürchtet, dass „zentrale Kulturangebote, die ohne öffentliche Förderung nicht zu realisieren sind, massiv beschnitten werden oder ganz verloren gehen könnten“. Bei der Demonstration am Donnerstag wurde das Trierer Theater auch von freien Theatergruppen wie der „Bühne1„, „Trier English Drama“ und dem „Katz-Theater“ unterstützt.

Weber: Das war ein toller Schulterschluss zwischen der freien Szene und dem Theater. Daran sollten wir weiter arbeiten. Das ging von der freien Szene aus. Eine großes Kompliment an sie und ihre Vertreter.

16vor: Über 25.000 Menschen haben bisher die Petition für den Erhalt des Ensemble-Theaters unterschrieben. Was passiert damit, wenn die Aktion in knapp einem Monat endet?

Weber: Diese Liste wird den Mitgliedern des Stadtrates zukommen. Sie ist schließlich an sie gerichtet. Wir werden einen guten Anlass finden, sie ihnen zuzustellen.

16vor: Sie haben in ihrem Appell in der Ausschuss-Sitzung auch noch darauf aufmerksam gemacht, dass in einem Jahr ein Nachfolger für Sie feststehen müsse, wenn Sie 2015 aufhörten. War das nur als Hinweis gemeint?

Weber: Nein, nein, das ist mehr als ein Hinweis. Es ist Teil der Sorge um den Fortbestand dieses Theaters. Ohne einen Kopf ist das Theater noch leichter von außen zu steuern. Darum ist es wichtig, bald einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für mich zu finden.

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