„Die wollen nicht das Beste für Trier“

Gegen das Vorhaben von ECE, in Trier zu investieren, formiert sich massiver Widerstand. Einzelhändler sind alarmiert, IHK und City-Initiative verlangen eine „wirklich neutrale Prüfung“, ob die Stadt ein weiteres Center braucht.  Die ehemalige CIT-Vorsitzende Karin Kaltenkirchen hält mit Kritik nicht hinterm Berg und warnt vor dem potenziellen Investor. Dass der in Trier noch nicht Fuß gefasst hat, bedauerte der Leiter des städtischen Amts für Stadtentwicklung und Statistik indes schon im August 2011, wie aus einem Manuskript hervorgeht. Mit welchen Methoden der Projektentwickler ECE Vorhaben durchsetzt, zeigt das Beispiel Braunschweig: Dort kaufte man kurzerhand Immobilien auf und schaltete so einen Kläger aus. Derweil verwahrt sich Klaus Jensen (SPD) gegen Kritik am Vorgehen des Stadtvorstands: Es werde „keine geheime Hinterzimmer-Politik“ geben, versicherte der OB. Dennoch dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich eine Bürgerinitiative gegen die ECE-Pläne gründet.

TRIER. Ausgerechnet Braunschweig. Als Gerd Wilhelmus vorvergangene Woche Triers Medien über die Absicht seines Unternehmens informierte, vor Ort zu investieren, da führte er auch das Beispiel der „Schloss-Arkaden“ ins Feld. Kaum habe sein Unternehmen die Baugenehmigung für dieses Projekt erhalten, da hätten die Eigentümer der angrenzenden Immobilien auch schon damit begonnen, ihre Anwesen auf Vordermann zu bringen, berichtete er. Was der Manager damit sagen wollte: Wo ECE auf den Plan tritt, kommt Bewegung in die Innenstädte und manch bequem gewordener Einzelhändler wieder auf Trab.

In der nach Hannover zweitgrößten Stadt Niedersachsens kam tatsächlich einiges in Bewegung: Gegen das Projekt „Schloss-Arkaden“ regte sich heftiger Widerstand in der Bürgerschaft. Es gab Menschenketten und verhinderte Bürgerbegehren, und folgt man der Darstellung des Architekten Holger Pump-Uhlmann, dann war die Ablehnung des Vorhabens so überwältigend, dass man als Außenstehender kaum mehr nachvollziehen kann, weshalb die 150 Ladenlokale auf 30.000 Quadratmetern Verkaufsfläche je realisiert werden konnten. Pump-Uhlmann ist einer der Herausgeber des kritischen Sammelbands „Angriff auf die City“. Die inhaltliche Stoßrichtung des Buchs ist klar, die Botschaft unmissverständlich. Doch was der Autor in seinem Beitrag „Operation Otto: Die Braunschweiger ‚Schloss-Arkaden'“ schildert, vermittelt mehr als nur einen Eindruck dessen, was sich in der Stadt über Jahre abgespielt haben muss. So berichtet Pump-Uhlmann, wie ECE es vermochte, eine Kundgebung von Schülern zu kontern: Im Schlosspark, wo einst traditionell die Schuljahresabschlussparty stattfand und nun das Center entstehen sollte, wollten die jungen Menschen dagegen demonstrieren, dass just am selben Tag der feierliche Spatenstich für das Projekt über die Bühne gehen sollte. „Um der befürchteten Protestveranstaltung den Wind aus den Segeln zu nehmen, sponserte ECE großzügig eine ‚School’s-out-Party in einem weit entfernten Parkgelände“, schreibt Pump-Uhlmann. Entsprechend gering sei die Resonanz auf die Kundgebung gewesen.

Pikanter indes war ein weiterer Vorgang: Die Allianz AG als Eigentümerin einer benachbarten Immobilie klagte gegen die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans, da dieser die vorgeschriebenen Abstandsflächen nicht eingehalten hatte. Das Braunschweiger Verwaltungsgericht folgte der Auffassung des Klägers und setzte so die Vollziehung der Baugenehmigung außer Kraft. Als ECE erkannt habe, dass eine Beschwerde gegen dieses Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg kaum Chancen auf Erfolg hatte, habe das Unternehmen die benachbarte Immobilie einfach aufgekauft, schreibt Pump-Uhlmann. Es ging um 80 Eigentumswohnungen, welche die Allianz AG schon länger zum Verkauf angeboten habe. Der Versicherungskonzern zog seine Klage daraufhin zurück. Damit, so der Autor, seien die Weichen gestellt gewesen – im Sinne von ECE.

Amtsleiter: Weshalb kam ECE nicht schon früher?

Trier hat keinen Schlosspark, und der Palastgarten bleibt definitiv unbebaut. Doch seit der Stadtvorstand und Gerd Wilhelmus vor zehn Tagen erstmals öffentlich erklärten, dass man gemeinsam die Möglichkeit einer oder sogar zwei zusätzlicher Shopping-Center im Innenstadtbereich ausloten werde (wir berichteten), ist die Aufregung nicht nur unter Einzelhändlern groß. Gerüchte hatte es immer wieder gegeben, im vergangenen Jahr berichtete 16vor gleich zweimal über das grundsätzliche Interesse von ECE, in Trier zu investieren. Mitglieder von Ratsfraktionen wurden schon seit etlichen Monaten ungefragt mit Informationsmaterial versorgt. Die Stadtspitze jedoch hielt dicht, bis der Entwurf für eine Entwicklungsvereinbarung stand. Das sei nach „bester Schröer-Manier“ geschehen, schimpft ein Ratsmitglied. Und die ehemalige City-Initiativen-Chefin Karin Kaltenkirchen klagt gegenüber 16vor, sie habe mehrfach beim zuständigen Dezernenten nachgefragt, was denn an den Gerüchten dran sei. „Da wurde immer nur beschwichtigt“, kritisiert die Unternehmerin, es gebe immer mal wieder Anfragen potenzieller Investoren, sei durchweg der Tenor der Antworten gewesen.

Tatsächlich gab es jedoch schon früher aus dem Rathaus Signale, dass das Interesse der Verwaltung an dem Hamburger Projektentwickler größer sein könnte, als es den Anschein hatte. So erklärte der Leiter des städtischen Amts für Stadtentwicklung und Statistik bereits im August 2011 auf einer Auftaktveranstaltung des „Regionalen Dialogs Einzelhandel“: „Es stellt sich mir schon die Frage, wieso wir es in der Region, und dies betrifft auch und insbesondere das Oberzentrum, nicht geschafft haben, Ansiedlungsprojekte, wie z.B. Ikea, ECE oder ein verträgliches Factory-Outlet-Center anzusiedeln, Vorhaben, die, wenn wir realistisch sind, in vielfältiger Form in angrenzenden Regionen zu Trier umgesetzt wurden und dort als Konkurrenz zu unserer Region stehen.“ Weiter sagte Weinandlaut Manuskript: „Ich stelle diese Frage bewusst, da es unsere originäre Eigenentscheidung ist, anstatt wie in der Vergangenheit eine reaktive Wirtschaftspolitik im Bereich des Einzelhandels zu betreiben, in eine agierende und regional abgestimmt Akquisitionspolitik zu wechseln“.

Von einem regional abgestimmten Vorgehen in Sachen Einzelhandel kann schon länger nicht mehr die Rede sein. Auch Mittelzentren wie Bitburg machen inzwischen mit beim Wettrüsten mit Verkaufsflächen. Michael Cornelius,  seit einem Jahr Vorsitzender der City-Initiative, verlangt gegenüber 16vor, „dass es ein neutrales Gutachten gibt, das nichts mit dem Investor zu tun hat“. Eine „qualifizierte Analyse“ müsse her, eine, die zweifelsfrei deutlich mache, ob Trier wirklich Bedarf an einem weiteren Shopping-Center habe. Cornelius glaubt das nicht und warnt davor, im Wettbewerb mit anderen Standorten auf einen „uniformierten Einzelhandel“ zu setzen. Allenfalls kurzfristig ließen sich mit solchen Projekten neue Kundenströme locken, doch das gleiche sich rasch an, zumal die Zahl der Mietpartner für solche Malls „nicht unerschöpflich“ sei, gibt Cornelius zu bedenken. Tatsächlich mutmaßen nicht wenige in der Branche, ein ECE-Center könne dereinst für Leerstände in Alleencenter und Trier-Galerie sorgen. In letzterer laufen die Mietverträge der Erstmieter, die bei der Eröffnung der Passage im September 2008 mit am Start waren, nach zehn Jahren aus. Gut möglich, dass der ein oder andere wechseln würde.  Dr. Matthias Schmitt von der Industrie- und Handelskammer verlangt ebenfalls eine neutrale Prüfung: „Für mich muss die Frage offen sein, ob wir wirklich ein weiteres Center brauchen“, erklärt er im Gespräch mit 16vor, Vorfestlegungen auf einzelne Standorte wie den Bereich der Europahalle seien insofern schon kontraproduktiv. Schmitt ist verärgert über die Informationspolitik der Stadt. Dass der „Runde Tisch Einzelhandel“ vom zuständigen Wirtschaftsdezernenten seit einem Jahr nicht einberufen wurde, dafür hat Schmitt kein Verständnis. 

Klaus Jensen verteidigt derweil das bisherige Vorgehen des Rathauses: Es werde keine „geheime Hinterzimmer-Politik“ betrieben, wie dies „in Presseveröffentlichungen vielfach kolportiert“ werde. Vielmehr habe der Stadtvorstand nach Abschluss erster Gespräche mit der ECE zum „frühestmöglichen Termin sowohl die politischen Fraktionen des Rates der Stadt als auch die IHK, die HWK, den Einzelhandelsverband und die City-Initiative über das geplante Projekt und das Verfahren informiert“, so der OB. Die Fraktionen würden an dem „ergebnisoffenen Entwicklungsprozess über das Interesse von ECE, in Trier ein neues Einkaufszentrum zu errichten, beteiligt“, versicherte Jensen erneut. Die Entwicklungsvereinbarung werde am 23. Mai im Steuerungsausschuss beraten und verabschiedet.  Die mit ECE abgesprochene Prozessvereinbarung stelle „ein Novum dar, die es sonst noch nirgendwo gegeben habe“, heißt es aus dem Rathaus. Jensen betonte noch einmal, dass man „sensibel an das Thema herangehen, Gefahren rechtzeitig erkennen und ausschließen, aber auch die Chancen des Projekts für die Stadt ausloten wolle“. Derzeit wüssten weder die Stadt noch ECE, was am Ende dieses gemeinsam zu gestaltenden Entwicklungsprozesses herauskomme. Dabei gehe es „nicht um eine x-beliebige Shopping-Mall, sondern um eine Quartiersentwicklung, bei der neben dem Thema Einkaufen auch die Aspekte Wohnen, Kultur und öffentliche Infrastruktur gleichberechtigt berücksichtigt“ würden. In den einzuberufenden Arbeitsgruppen seien selbstverständlich auch die Ratsmitglieder vertreten.

Karin Kaltenkirchen glaubt nicht, dass mit dem Investor ECE am Ende ein gutes Ergebnis stehen könnte: „Die wollen nicht das Beste für Trier, sondern von Trier“, warnt sie.

Weitere Informationen: „Ein bisschen Feuer ist auch ganz gut“ und Was will die Stadt? 

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