Meinung: Was will die Stadt?

Machen wir uns nichts vor – die Frage nach dem „ob“ wird nicht mehr in Trier beantwortet, sondern in Hamburg. Sollte ECE zu dem Ergebnis kommen, dass eine Investition von bis zu einer Viertelmilliarde Euro in der Moselstadt gut angelegtes Geld wäre, wird das Unternehmen alles daransetzen, seine Projekte zu verwirklichen. Das ist auch erst einmal nicht verwerflich, doch wird es darauf ankommen, ob Oberbürgermeister, Dezernenten und am Ende auch Rat und Bürger ausreichend Selbstbewusstsein und Rückgrat an den Tag legen, um zu verhindern, dass der potenzielle Investor die Bedingungen diktiert. Ein Kommentar von Marcus Stölb

Wenn also Klaus Jensen gleich mehrfach betont, der Prozess sei „absolut ergebnisoffen“, dann wird man einer solchen Zusicherung nur dann glauben können, wenn auch die Frage nach der Notwendigkeit einer weiteren oder gar zwei zusätzlichen Shopping-Passagen ohne Vorfestlegung geführt würde. Sicherlich gibt es einige bedeutende Marken, die nach Trier kämen, stünden ihnen vor Ort attraktive Ladenflächen zur Verfügung; Peek & Cloppenburg wird in diesem Zusammenhang genannt, ECE-Mann Wilhelmus lockte am Donnerstag mit Hollister. Und natürlich darf Trier die sich abzeichnende Konkurrenz in Luxemburg und den Mittelzentren der Region nicht ignorieren. Ob man diese Herausforderungen aber mit neuen Passagen kontern sollte, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hätte der Standort tatsächlich gewonnen mit ein paar weiteren namhaften Filialisten? Diese Frage muss von externen und wirklich unabhängigen Experten beantwortet werden; schon der geringste Anschein, ECE könnte Einfluss auf die Auswahl der Gutachter nehmen, wäre fatal. 

Richtig ist: Es muss etwas geschehen, um im Wettbewerb der Städte weiterhin vorne mitspielen zu können. Allein darauf zu vertrauen, dass Trier dank seiner schönen Plätze und vielen inhabergeführten Fachgeschäfte auf Dauer ausreichend Kaufkraft anziehen wird, wäre fahrlässig. Wie es auch verantwortungslos gewesen wäre, hätte der Stadtvorstand dem Ansinnen von ECE von vornherein und ohne jegliche öffentliche Diskussion eine Abfuhr erteilt. Ein OB und Dezernenten, die die Möglichkeit einer 250-Millionen-Euro-Investition nicht ernsthaft prüfen würden, gehörten geteert und gefedert und aus der Stadt getrieben.

Nun allerdings muss sich erweisen, ob man wirklich Lehren aus dem städtebaulichen Desaster namens Alleencenter und der architektonisch wenig gelungenen Trier-Galerie gezogen hat. Bei beiden Projekten mangelte es den städtischen Stellen und auch den politischen Gremien erkennbar an Selbstbewusstsein, am Ende setzten sich die Investoren auf ganzer Linie durch, beugten sich Rat und Verwaltung dem anscheinend alles im Keim erstickenden Argument, dass bestimmt, wer das Geld mitbringt. Ein solches Szenario könnte Trier nun in verschärfter Form blühen – dann, wenn ECE anböte, nicht nur in die Europahalle zu investieren, sondern gleich auch noch in die Sanierung des maroden Theaters.

Die Hamburger sind Profis. Wer Gerd Wilhelmus am Donnerstag zuhörte, erlebte einen knallharten Geschäftsmann, der notfalls unbeirrt die Interessen seines Unternehmens verfolgen wird. Bei allem Wunsch nach Dialog und Konsens – Rat und Verwaltung müssen rasch klären, was die Stadt will und braucht. Ansonsten wird nicht mehr nur das „ob“, sondern auch das „wie“ weitgehend in Hamburg entschieden.      

 

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