„Menschlichkeit geht allem voran!“
Ihre Stärke sind die kleinen Gesten, die bisweilen Großes bewirken können; und eine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, die sie zu personifizierten Ausnahmeerscheinungen macht. Die Rede ist von den Trägern des „Move Award 2013“. Am Samstagabend wurden sechs Menschen aus der Stadt und der Region mit dieser neuartigen Auszeichnung geehrt: die Frau vom Post-Lädchen, der Busfahrer, die Verkäuferin, auch eine junge Schülerin war darunter, und die Gründer zweier Trierer Vereine. Zwei Stunden lang rückten die Initiatoren der Ehrung, der Trierer Palais e.V. und der Verein Nestwärme, die Geehrten in den Mittelpunkt. Die Preisverleihung bot eine gelungene Mischung aus gekonnter Moderation, perfektem Musikprogramm und angemessenen Lobreden. Allerdings stand der exklusive Rahmen des Gala-Abends auch in einem eigentümlichen Kontrast zu der Bescheidenheit der geehrten „Beweger“.
TRIER. Detlef Sibernik fehlen die Worte. Das kommt nicht eben oft vor bei dem Mann, der mit schöner Regelmäßigkeit seine Fahrgäste unterhält und in Trier schon so etwas wie Kultstatus genoss, lange bevor 16vor im April vergangenen Jahres über ihn berichtete. Nur wenige Minuten sind es noch bis zum Beginn der Preisverleihung, dem Busfahrer ist seine Anspannung deutlich anzumerken. „Als die mich anriefen, da war ich erstmal richtig baff“, erzählt er.
Mit „die“ meint er die Erfinder des „Move Award“, einer Auszeichnung, welche die beiden Vereine Nestwärme und Palais e.V. initiierten, um, wie sie es sagen, „Menschen, deren innere Grundhaltung sich vor allem auf wechselseitigen Respekt, Anerkennung, Wertschätzung, Achtung der Menschenwürde und dem Bestreben nach einer harmonischen und friedlichen Gesellschaft richtet“, zu ehren. Es ist dies ein Satz, wie er Sibernik nie über die Lippen käme. Der gebürtige Norddeutsche neigt nicht zu Pathos und großen Worten, er mag es gerade heraus; und wie er werden an diesem Abend alle Geehrten in einfachen Sätzen sagen, warum es für sie eine Selbstverständlichkeit ist, dass sie so handeln, wie sie handeln.
Die Europäische Rechtsakademie haben die Veranstalter als Rahmen für ihre Gala ausgewählt. Genauer: das „ERA Congress Center“, wie es offiziell heißt. Der Preisverleihung geht ein „Opening“ voraus, später wird es eine „After Show Party“ geben. Rund 300 Gäste, die Mehrzahl von ihnen in festlicher Abendgarderobe gekleidet, schreiten über einen roten Teppich, im Foyer wird „Crémant LMEAAX“ kredenzt. Wer sich für die gut zweistündige Preisverleihung kulinarisch stärken möchte, kann zwischen Tomatenrisotto mit Puteninvoltini und Spaghetti aus dem Parmesanlaib wählen. Detlef Sibernik steht mit seiner Frau an einem Stehtisch, gebannt warten die Beiden auf den Beginn der eigentlichen Veranstaltung. Der Busfahrer wird an diesem Abend lange warten müssen, er darf erst als letzter auf die Bühne.
Die betritt als erste Kay-Sölve Richter vom ZDF – eine ausgezeichnete Wahl, wie sich rasch herausstellen wird. Die 38-Jährige präsentiert sich nicht nur bestens vorbereitet, was man von manch allzu routiniertem Moderator mitunter nicht behaupten kann, sie trifft auch den gesamten Abend über den richtigen Ton und führt mit einer unaufdringlichen Fröhlichkeit durch den Abend. Das verbindet sie mit Laudatorin Léa Linster und Margret Frankreiter, die als erste mit dem „Move Award“ geehrt wird. Frankreiter arbeitet in der Bäckerei Dietz in Longuich. Morgens um 3 klingelt bei ihr der Wecker, damit Frühaufsteher ihre Brötchen bekommen. Sie sei ein Vorbild „wenn es darum geht, jederzeit anderen Menschen mit Wertschätzung zu begegnen und Freude zu versprühen“, begründete die Trierer Unternehmerin Karin Kaltenkirchen ihren Vorschlag, Magret Frankreiter einen „Move Award“ zu verleihen. Auch als Anfang des Jahres nach langer Krebserkrankung ihr Mann verstarb, habe Magret Frankreiter „nie den Mut verloren und war immer für ihre Angestellten und Kunden da“. Sie sei „eine taffe Frau, die hart im Nehmen ist und dabei gleichzeitig viel Einfühlungsvermögen ausstrahlt“, würdigte Léa Linster die Verkäuferin. Die gab, den von der Trierer Künstlerin Elena Villa gestalteten Preis in der Hand, ihren Zuhörern mit auf den Weg: „Man soll sich das positive Denken nicht nehmen lassen. Das Leben ist kurz, macht euch nicht so viele Sorgen, lebt euer Leben!“
Vielen Menschen das Leben ein wenig leichter macht das Team des Trierer Nothilfe. Der gemeinnützige Verein unterstützt Hilfsbedürftige mit Kleidung, Schuhen und Möbeln. Herzstück der Arbeit ist der Nothilfe-Laden in der Thebäerstraße. Friedhelm Biesdorf baute den Verein, der aktuell auf rund 50 ehrenamtliche Helfer setzen kann, auf. Ihm müsse niemand „erst erklären, dass Not und Mangel auch direkt vor unserer Haustür zu finden sind. Auf ein kompliziertes Antragsverfahren verzichten er und die Nothilfe, um unmittelbar auf drängende Probleme reagieren zu können“, lobte Laudator Reinhold Spitzley (Palais e.V.). Es gebe auch hierzulande viele Menschen, die Hilfe benötigten, erinnerte der Geehrte; mit der Unterstützung der Nothilfe wird Kindern, deren Eltern das Geld hierzu fehlt, schon mal die Teilnahme an einer Ferienfreizeit ermöglicht oder ein warmes Mittagessen finanziert.
Sie sei ein „Ausbund an Lebensfreude“, attestierte Laudatorin Monika Lutz einer weiteren Preisträgerin: Roswitha Kilb-Schmidt. Sie ist die Frau von der Postfiliale in der Passage „Im Treff“ auf der Taforster Höhe. Freundlich, respektvoll und äußerst zuvorkommend behandle sie ihre Kundschaft, habe für jeden ein Lachen übrig und nehme sich für jeden die nötige Zeit. Roswitha Kilb-Schmidt kann daran jedoch nichts Besonderes finden, für sie ist das alles vielmehr selbstverständlich. Die Arbeit mache ihr einfach „große Freude“, und überhaupt: „Die Menschlichkeit geht allem voran – so viel Zeit muss sein!“
Auch Christina Breit nimmt sich viel Zeit, vor allem für ihre Mitschüler. Die 13-Jährige besucht die Burg-Landshut-Schule in Bernkastel-Kues, eine Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Sie zeige dort „ein unaufdringliches und doch stets zuvorkommendes Verhalten. Sie wirkt im Stillen und übernimmt selbständig Aufgaben – auch unangenehme – für die Klassen- und Schulgemeinschaft“, hob Laudator Marco Hontheim von der Band „Jupiter Jones“ hervor. Obwohl sie selbst sehr schüchtern sei, unterstütze sie ihre Mitschüler. „Bei Problemen in der Klasse versucht sie ausgleichend zu wirken. Sie nimmt stets Rücksicht auf die Eigenheiten ihrer Mitmenschen und steckt eigene Bedürfnisse zum Wohl der Allgemeinheit zurück“, so Hontheim weiter.
Gemessen an den anderen Preisträgern genießt Alexander Rollinger längst einen gewissen Promi-Status. Vor 20 Jahren gründete er das schwul-lesbische Zentrum SCHMIT-Z, damit habe er in Trier Pionierarbeit geleistet, würdigten die Laudatorinnen Petra Moske und Elisabeth Schuh vom Verein Nestwärme. Rollinger stehe „konsequent für eine lebenswerte Gemeinschaft, in der jeder die Freiheit hat, sich selbst treu zu sein und authentisch zu leben“. Der so Geehrte erklärte, dass es zwar mitunter noch Momente gebe, in denen er vieles erklären und wieder „bei Adam und Adam“ anfangen müsse, doch sei schon sehr viel erreicht worden. Hinter dem SCHMIT-Z stünden rund 300 Leute, berichtete er, sie alle folgten der Devise: „Es kommt nicht darauf an, wen man liebt, sondern dass man liebt“.
Detlef Sibernik liebt, abgesehen von seiner Frau natürlich, seinen Beruf. Er wurde gleich von zwei Menschen für den „Move Award“ vorgeschlagen – vom Verfasser dieser Zeilen und von Jana Schollmeier. „So stelle ich mir unsere Gesellschaft idealerweise vor: voller Menschen wie Detlef Sibernik“, begründete Jana Schollmeier ihren Vorschlag. Es soll nicht wenige Menschen geben, deren Tag gerettet ist, wenn sie den 57-Jährigen am Steuer eines Stadtbusses erblicken. Nutzt der dann auch noch seine „Flüstertüte“ und schickt eine seiner beliebten Ansagen über den Lautsprecher, ist die Freude groß bei vielen Fahrgästen. Jetzt steht er auf der Bühne, die Auszeichnung vor sich: „Ich bin sehr geehrt, dass ich diesen Preis entgegen nehmen darf, und es macht mich sehr stolz, diesen Beruf ausüben zu dürfen“, sagt er unter lautem Beifall. Die Aufregung ist nun von ihm abgefallen, nach einem Gespräch mit der Ministerpräsidentin und dem Oberbürgermeister gönnen er und seine Frau sich im Foyer erst einmal ein Pils. Das sei jetzt überfällig gewesen, sagt Sibernik und berichtet erheitert davon, wie ihn kürzlich ein Student aus China angesprochen habe: Ob er denn der Busfahrer aus dem Internet sei, habe der Fahrgast wissen wollen.
Die „vermeintlich kleinen Gesten, dass man Menschlichkeit zeigt und füreinander einsteht“, hierfür stünden die Preisträger, lobte Klaus Jensen; das sei es, was viele Menschen bewege. Bewegend war auch die gelungene musikalische Gestaltung des Abends. Von Daniel Bukowski und Band über Thomas Kiessling und Stefan Becker bis zu Thomas Schwab reichte die Liste der Künstler, und überraschend trat dann auch Nestwärme-Gründerin Petra Moske im Trio mit Shirley Winter und Meike Anlauff auf. Nach dem Debüt in diesem soll der „Move Award“ auch im kommenden Jahr vergeben werden. Vor einer Neuauflage sollten die Veranstalter indes ernsthaft überlegen, ob das Bemühen um einen möglichst glamourösen Rahmen nicht den eigentlichen Sinn und Zweck der Veranstaltung zu überlagern droht, und ob auch künftig nur ein exklusiver Kreis ausgewählter Gäste dabei sein soll, wenn der „Move Award“ verliehen wird.
von Marcus Stölb