Alles am Fluss

Ausonius widmete ihr Verse, William Turner malte sie – viele Künstler ließen sich von der Mosel inspirieren. Der Kanalisierung zum Trotz – ihr landschaftlicher Reiz wird hierzulande nur von wenigen Flüssen übertroffen. An der Mosel liegt Deutschlands älteste Stadt und Europas berühmtestes Dorf. 2004 erschien Joseph Grobens historisch-kulturelle Monographie Mosella, nun hat der Verlag Weyand das prachtvolle Werk des Luxemburgers neu herausgegeben. Von der Quelle bis Koblenz begibt sich der Leser auf eine Zeitreise, die gesäumt ist von ruhmvollen Epochen und großen Tragödien. Derweil schreibt man in Frankreich schon an einem weiteren Kapitel: Im Nachbarland gibt es ernsthafte Pläne für eine neue Verbindung von der Rhône über die Saône zur Mosel. Sollte das Vorhaben realisiert werden, wäre Trier auf dem Wasserweg mit dem Mittelmeer verbunden.

TRIER. Bussang ist ein eher unscheinbarer Ort, kaum mehr als 1.600 Einwohner leben hier an der Grenze zwischen Elsass und Lothringen. Einst lag dort auch die Sprachgrenze zwischen Frankreich und Deutschland, was den großen Michel de Montaigne nach einem Besuch vor Ort zu der Bemerkung veranlasste, Bussang sei „ein kleines erbärmliches Dorf, das letzte des französischen Sprachgebiets“. Doch Bussang ist auch die erste Siedlung an der Mosel; nicht weit entfernt, am Westhang des „Kleinen Drumont“ und ein paar Hundert Meter unterhalt des „Col de Bussang“, nimmt das Gewässer als Rinnsal seinen Lauf. Nach rund 545 Kilometern und etlichen Windungen fließt die Mosel am Deutschen Eck in Koblenz in den Rhein.

Auch die selbst ernannte „Moselmetropole“ durchfließt das Gewässer. Trier ist zwar eine, aber bei Weitem nicht die einzige bedeutende Stadt entlang des Flusses. Joseph Grobens Zeitreise von der Quelle bis zur Mündung macht denn auch deutlich, wie zahlreich die sehenswerten Orte entlang der Mosel sind; Epinal, Toul, Metz, Kues und Cochem, um nur einige zu nennen. Doch  reichhaltig ist auch die Historie. Grobens Monographie erzählt von kleinen und großen Tragödien, von Schlachten und Schlössern, Burgen und bedeutenden Persönlichkeiten. Der Prachtband berichtet von Karl Marx ebenso wie von Nicolaus Cusanus oder Balduin von Luxemburg. An der Mosel wurde Geschichte geschrieben, und einige der Geschichten, die sich in diesem Band finden, dürften auch dem historisch interessierten Moselaner nicht geläufig sein.

Etwa die Moseltragödie von Stadtbredimus, die vor 208 Jahren das damalige Herzogtum Luxemburg erschütterte und auch moselabwärts in Trier für Aufregung sorgte. Am 1. Februar 1804 wollten die Frau und die drei Töchter des örtlichen Schlossherrn die Mosel überqueren, um am gegenüber liegenden Ufer, in Palzem, die Beichte ablegen zu können. Mithilfe von zwei Ruderern setzten die Vier über. Doch mitten auf dem Fluss und unter den Augen des Vaters und Ehemanns kenterte der Kahn, alle sechs Personen ertranken und verschwanden in der Mosel. Die Strömung riss die Leichen fort, erst Wochen später wurde eine der toten Töchter in Monaise vor den Toren Triers aufgefunden – rund 40 Flusskilometer von Stadtbredimus entfernt.

Meist sind die Ereignisse, die Joseph Groben aufgreift, jedoch von wahrhaft historischer Dimension, und gleiches gilt für die Monumente und Orte, die er beschreibt. Der Autor befasst sich mit den Hintergründen der Igeler Säule und erklärt, wie das frühere Diedenhofen und heutige Thionville als Diddenhueven luxemburgische Verwaltungsstadt wurde. Und natürlich ist auch dem Weinbau ein Kapitel gewidmet. Der Autor geht nicht streng chronologisch vor, sondern wandert die Mosel in einzelnen Abschnitten ab, innerhalb derer er besondere Ereignisse oder Sehenswürdigkeiten aufgreift. So schildert Groben im Kapitel „Die Trierer Talweite – Kaiser und Kurfürsten“ auch die Schlacht an der Konzer Brücke von 1675, an die noch heute ein Denkmal auf der Granahöhe bei Wasserliesch erinnert. Grobens Monographie ist nicht nur lesens- , sondern auch sehenswert. Reich bebildert und mit vielen Illustrationen versehen, wird der Text aufgelockert. Zu sehen ist beispielsweise William Turners Gemälde von Bernkastel, das 1842 entstand. Oder David Roberts‘ Ansicht von Ehrenbreitstein und Balduinsbrücke in Koblenz.

War die Mosel über Jahrhunderte Schauplatz von Schlachten und ein Fluss, der Völker voneinander trennte, steht heute das Verbindende im Vordergrund. Im 19. Jahrhundert verkehrten auf festen Linien Dampfschiffe zwischen Trier und Koblenz sowie Metz. Heute findet sich die Mosel in den Prospekten der wichtigsten Flusskreuzfahrtenanbieter wieder. Doch ihre wirtschaftliche Bedeutung erlangte die Wasserstraße vor allem im vergangenen Jahrhundert, als Frankreich, Deutschland und Luxemburg die Mosel auf einer Länge von rund 270 Kilometern zwischen Koblenz und Thionville ausbauten. Etwa 90 Meter Höhenunterschied mussten ausgeglichen und hierfür 14 Staustufen samt Schleusen gebaut werden.

Trotz der Dimensionen des Projekts dauerte es nur acht Jahre, bis am 26. Mai 1964 die historische Moselfahrt zwischen dem französischen Apach und Trier stattfand. An Bord von drei Schiffen feierten Präsident de Gaulle, Bundespräsident Lübke und Großherzogin Charlotte den Abschluss der Moselkanalisierung. Tatsächlich gingen die Arbeiten auf französischer Seite aber weiter, bis Ende der 1970er wurde die Mosel bis nach Neuves-Maisons schiffbar gemacht. An Bord eines Schiffs wurde 1985 dann der Vertrag von Schengen geschlossen. Auf der Mosel unterzeichneten Vertreter Deutschland, Frankreichs und der Benelux-Staaten das Abkommen über den Abbau von Grenzkontrollen. Heute ist das luxemburgische Schengen das wohl berühmteste Dorf Europas.

Längst hat sich die Mosel zu einer der wichtigsten Wasserstraßen Deutschlands entwickelt, und um die Kapazitäten auszubauen, werden in den kommenden Jahren die Staufstufen mit einer zweiten Schleusenkammer versehen. Doch schon zeichnet sich ein weiteres Großprojekt ab, das die Bedeutung des Flusses unterstreicht: Um Rhône und Rhein miteinander zu verbinden, gibt es in Frankreich Überlegungen für einen Kanal zwischen der Saône, einem Nebenfluss der Rhône, und der Mosel. Zwar gibt es heute bereits einen 124 Kilometer langen und 93 Schleusen zählenden Kanal zwischen den beiden Nebenflüssen, doch ist dieser bislang nur für kleinere Schiffe geeignet. Käme der Ausbau, dann wäre die Mosel auf direktem Wege mit dem Mittelmeer verbunden – und für die nächste Neuauflage der Monographie Mosella gäbe es ein weiteres Kapitel.

Joseph Groben, Mosella – Historisch-kulturelle Monographie, aktualisierte und überarbeitete Fassung 2011, Verlag Weyand Trier, 312 Seiten, 237 Abbildungen, 59,80 Euro.

 

 

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