Freie Szene soll von neuem Kulturleitbild profitieren
Nach den Strategiepapieren für die Stadtentwicklung, die Bildung und den Verkehr will sich die Stadt Trier nun auch im Bereich des kommunalen Kulturangebots ein (neues) Profil verschaffen. Der Stadtrat hatte die Verwaltung im Juni 2011 beauftragt, dafür Leitlinien zu entwickeln, um daran die Kulturpolitik der kommenden Jahre auszurichten. Ab 2014 sollen nun so genannte Zielvereinbarungen die einzelnen Förderungen auf erwünschte Projekte konzentrieren und vor allem der Freien Szene zufließen. Daneben möchte Wirtschafts- und Kulturdezernent Thomas Egger neue Großveranstaltungen ins Leben rufen. Wie diese vor dem Hintergrund klammer Kassen finanziert werden sollen, weiß er noch nicht.
TRIER. Nun also noch ein weiteres Zukunftskonzept. Nachdem der Stadtvorstand ein Papier zur Zukunft Triers bis zum Jahr 2025 vorstellte und der Stadtrat bereits den „Schulentwicklungsplan“ und das „Mobilitätskonzept 2025“ vor nicht allzu langer Zeit verabschiedete, möchte Kultur- und Wirtschaftsdezernent Thomas Egger den Kommunalabgeordneten ein weiteres Grundsatzpapier zur Abstimmung vorlegen. Es handelt sich dabei um die Niederschrift einer fünfköpfigen Arbeitsgruppe, der neben Egger die Direktorin des Simeonstifts, der Leiter des Amtes für Kulturmanagement, der Leiter des Dezernatsbüros und der derzeitige Berater des Theaters Trier angehören. Absicht dieser Initiative ist es, für Trier ein so genanntes Kulturleitbild zu erstellen, das ein Rahmenwerk für die Förderpolitik der nächsten elf Jahre werden soll.
Grundlage für das Konzept ist ein achtseitiges Papier, welches Dezernent Egger gestern vor Pressevertretern im Rathaus präsentierte. Dabei legte der Politiker gleich zu Beginn die Marschroute seiner Ausführungen fest: „Es handelt sich hierbei um eine Streitschrift, die darauf abzielt, einen Diskussionsprozess anzustoßen. Die Formulierungen sind deshalb bewusst pointiert und verkürzt dargestellt.“ Auf die Vorstellung im Kulturausschuss am gestrigen Abend soll deshalb möglichst bald eine Veranstaltungsreihe zum selben Thema stattfinden, die den Trierer Bürgern die Möglichkeit zur Mitgestaltung geben soll. Vor der nächsten Kommunalwahl wird nach Wunsch Eggers aus dem Pamphlet dann ein abstimmungsreifes Konzept entstanden sein. Doch bereits kurz nach dem Pressetermin rief der Kulturdezernent mit seinem Vorstoß die ersten Kritiker auf den Plan. So kündigte Ausschuss-Mitglied Marc-Bernhard Gleißner (Die Linke) in einer Pressemitteilung an, ein Gegenkonzept zum von ihm befürchteten „Kulturkahlschlag“ zu entwickeln.
Doch welche polarisierenden Aussagen finden sich in dem Entwurf wieder? Zum Beispiel folgende: „Kulturwirtschaft ist Teil des wirtschaftlichen Geschehens, schafft Wachstum, Beschäftigung, Innovation.“ Weiter heißt es:„Eine kommerzielle Absicht entwertet kulturelle Angebot nicht.“ Schließlich findet sich im Abschnitt „Kulturelles Erbe“ die Losung: „Private Nutzung ist meist die bessere Nutzung von Denkmälern.“ Die eigentlich fundamentale Neuerung, die Egger und seine Mitstreiter mit ihren Absichtserklärungen einführen möchten, sind dabei die aus der Arbeitswelt bekannten Zielvereinbarungen als neues Steuerungsinstrument der Kulturpolitik. Die neu beabsichtigte Verzahnung von Kulturbetrieb und -verwaltung soll dabei möglichst mit einer Schwächung der traditionellen Institutionen zugunsten von Laien- oder semiprofessionellen Gruppen einhergehen.
Als Musterbeispiele für die zukünftig veränderte Kulturlandschaft im Raum Trier nennt Dezernent Egger die Tuchfabrik und die Europäische Kunstakademie. Die beiden gemeinnützigen Vereine gehen auf Initiativen von Kunst- beziehungsweise Kleinkunstgruppen zurück, die eine zentrale Einrichtung für ihre Projekte suchten und schließlich von der Stadt Gebäude zur dauerhaften Nutzung überlassen bekamen. Seitdem etablierten sich beide Standorte in den letzten Jahrzehnten als Anlaufpunkte für Hobbykünstler und Kulturinteressierte. Während die Tufa Kleinkunst-Veranstaltungen und Ausstellungen Raum bietet, aber auch überregionale Künstler nach Trier holt, offeriert die Kunstakademie in erster Linie Kurse in Malerei, Zeichnen und anderen Bildenden Künsten bis hin zur Fotographie.
Neben diesen „kulturellen Aktivitäten aus der Bürgerschaft“, wie es in dem Positionspapier heißt, möchte der oberste Kulturbeauftragte der Stadt die Großveranstaltungen stärker fördern. Es gehe dabei vor allem um „ein attraktives Rahmenprogramm in den Sommermonaten“. Dieser Wunsch dürfte manchen Trierer Bürger verwundern, wurde doch nach dem Abschied von den „Antikenfestspielen“ auch das zweite Trierer Großevent – „Brot und Spiele“ – nach elfjährigem Bestehen wieder eingestellt. Doch anstatt unzureichendes Marketing oder die Qualität der Darbietung für das Scheitern dieser Veranstaltungen verantwortlich zu machen, gibt sich Egger gerade bei diesem Punkt selbstkritisch-entschieden: „Da hätten wir einfach mal konsequent fördern müssen, anstatt immer wieder das Konzept zu hinterfragen. Für solche Veranstaltungen braucht es halt einfach ein paar Millionen.“
Beim Lesen zwischen den Zeilen der Eggerschen Leitlinien wird deutlich, dass auch in den nächsten Jahren eine gut gefüllte Dezernats-Schatulle vonnöten ist, um die Investitionen für Kulturfestivals, die Umwandlung von Denkmälern in Erlebnisorte oder andere Anschubfinanzierungen stemmen zu können. Werden also in Trier zukünftig zwangsläufig die Institutionen – Museen und Theater – weniger unterstützt oder verkleinert, um neue Kulturorte zu fördern? Gerade bei letzterem wurde vor wenigen Wochen erst diagnostiziert, dass ein weiteres Sparen nur zulasten der Drei-Sparten-Ausrichtung gehen kann (16vor berichtete). Und auch der abschließende Satz des Papiers gibt für kostspielige Projekte wenig Hoffnung: „Alle Beteiligten arbeiten mit Respekt vor der Vielzahl kommunaler Aufgaben und vor der Knappheit öffentlicher Mittel.“ Eine Nachfrage zum Dauerthema Stadttheater brachte Egger denn auch gleich in Verlegenheit: „Vielleicht gibt es ja doch in den nächsten Jahren noch ein paar Millionen mehr von Kulturstaatsminister Neumann.“
von Volker Haaß