„Call me Felix“

Nach der Regentschaft des ewigen OB Helmut Schröer drohte er bei vielen schon in Vergessenheit zu geraten, doch jetzt meldet sich Felix Zimmermann zurück. In einem Buch erinnert er  sich an seine Trierer Jahre und liefert eine höchst amüsante und kurzweilige Anekdoten-Sammlung. Zimmermann gewährt Einblicke in die Hinterzimmer der Kommunalpolitik, berichtet von großen Gesten und manchem Geniestreich – und davon, wie ihn seine eigene Partei beinahe in den Rücktritt trieb. Der kunstbeflissene Christdemokrat verrät, wie er Mitterrand dazu bachte, seine „Garde Républicaine“ nach Trier zu entsenden, und wie er im Zoll des Kennedy-Flughafens in Erklärungsnöte geriet. Es floss viel Wein in jenen Jahren, und auch an Champagner mangelte es Zimmermann, der Ehrenbürger von Cognac ist und zum „Chevalier de Taste Vin“ geschlagen wurde, nie. 16vor verlost fünf Exemplare des Buchs.

TRIER. Der Präsident der Republik war gekommen, mit dem Kanzler traf er sich in Trier zu deutsch-französischen Konsultationen. Felix Zimmermann begleitete François Mitterrand durch die Innenstadt, der Sozialist habe alles über die Stadtgeschichte wissen wollen, erinnert er sich. Der Zeitplan geriet ins Wanken, das Protokoll war Makulatur, da zog es Mitterand auch noch auf den Hauptmarkt, wo er mit Marktfrauen ins Gespräch kommen wollte. Zimmermann dolmetschte und berichtete dem Staatschef von der bevorstehenden 2000-Jahr-Feier. Der Gast fragte, ob er denn etwas beisteuern könne zu diesem Ereignis. „Da kam mir spontan die verrückte Idee über die Lippen, er solle doch die ‚Garde Républicaine‘ nach Trier entsenden, um den bedeutenden Abschnitt der französischen Geschichte zu symbolisieren“, schreibt Zimmermann. Mitterrand habe kurz gezögert und dann geantwortet: „Bien sûre, Monsieur le Maire“. Der Franzose hielt Wort, schickte seine imposante Reiterstaffel an die Mosel und sorgte zudem dafür, dass das vom Tessiner Künstler Celestino Piatti entworfene offizielle Plakat zur 2000-Jahr-Feier in hundertfacher Ausfertigung die Pariser Champs-Élysées säumte.

Es braucht schon einiges an Selbstbewusstsein und auch Chuzpe, um ein solches Ansinnen bei einem französischen Staatspräsidenten vorzubringen. Von beidem brachte Zimmermann einiges mit. 1980 vom Stadtrat bei nur einer Gegenstimme zum OB und Nachfolger des kurzzeitigen Stadtchefs Carl-Ludwig Wagner gewählt, prägte Zimmermann die Kommunalpolitik der Achtziger. Mit ihm stand ein feinsinniger Kunstkenner und belesener Zeitgenosse an der Spitze Triers. Zimmermann hatte außerdem das, was viele Politiker heute missen lassen – ein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein. Dass er gutes und reichhaltiges Essen nicht verachtete, edlen Tropfen auch in größeren Mengen zusprach und mehr als nur ein Auge für schöne Frauen hatte, zieht sich wie ein roter Faden durch seine jetzt im Verlag Weyand erschienenen Erinnerungen. Das 144 Seiten dünne Bändchen trägt den Titel „Ein OB tischt auf“.

Zimmermanns Ausputzer Georg Bernarding

Im Vordergrund seiner subjektiven Betrachtungen steht die 2000-Jahr-Feier. Hierbei konnte der OB vor allem auf seinen persönlichen Referenten Georg Bernarding zählen. Bernarding war es auch, der Mitterrands spontan gemachte Zusage für den Auftritt der Garde Républicaine in Trier über die bürokratischen Hürden hinweghalf. Für ihn sei der spätere Bürgermeister eine Art „Ausputzer“ und „Libero“ gewesen – womit Zimmermann die eigentliche Rolle eines persönlichen Referenten sehr gut beschreibt. Eine weitere bedeutsame Funktion spielte seinerzeit der unvergessene Bürgermeister Kreutzer, den Zimmermann in seinem Buch meist nur „Paul“ nennt. Trier war zu Zeiten Zimmermanns eine Stadt am Rande der Republik in einem wirtschaftlich strukturschwachen Raum. Die Arbeitslosigkeit lag bei 14 Prozent, Grenzgänger gab es keine. Dafür aber Grenzen, an die auch ein Felix Zimmermann mitunter stieß – etwa als er zu einer großen Geste gegenüber dem kleinen Nachbarland ausholen wollte.

„Die Urkunde“ ist das Kapitel überschrieben, in dem der Autor über eine Auseinandersetzung berichtet, die aus heutiger Sicht kaum mehr nachvollziehbar erscheint. An die Spitze der Stadtbibliothek war der Tübinger Gunther Franz gerückt. Einige Wochen später suchte Zimmermann Franz in der Weberbach auf und ließ sich einige der Kostbarkeiten der Bibliothek zeigen. Darunter befand sich auch die Luxemburg-Urkunde. „Spontan schoss mir die gewagte Idee durch den Kopf, diese Urkunde, den gültigen Ausweis der Gründung der Stadt und des Staates Luxemburg, dem Großherzogtum zum Geschenk zu machen anlässlich der 2000-Jahr-Feier der Stadt Trier“, berichtet er. Er besprach sich mit Paul Kreutzer, der begeistert war. Allerdings riet der Bürgermeister seinem OB auch zu besonderem Fingerspitzengefühl – die geplante Geste solle Zimmermann zunächst mit den Luxemburgern besprechen.

Doch während man im Großherzogtum das Vorhaben sofort zu schätzen wusste, löste Zimmermanns Vorhaben in „seiner“ CDU-Fraktion Tumulte aus. Ein Ratsmitglied habe gepoltert, was „denn diese verdammte Urkunde wert“ sei. „Ich war mit Pauken und Trompeten durchgefallen mit meinem Projekt. Dass Politik im Bohren dicker Bretter besteht, hatte ich schon lange verinnerlicht. Aber so ein Aufstand!“, schreibt Zimmermann, der nach eigener Darstellung in eine „tiefe Depression“ gefallen war und ernsthaft an Rücktritt dachte. Doch er hielt an seinem Plan fest und überzeugte seine Kritiker bei einigen Flaschen „Chivas Regal“ und Eiswein davon, ihre Bedenken aufzugeben. Doch damit war der Disput noch nicht ausgestanden, denn nun stellte sich der Mainzer CDU-Innenminister Kurt Böckmann quer: Wichtige Kulturgüter dürften auf keinen Fall weggegeben werden, ließ er wissen. Zimmermann wusste sich bald nicht mehr zu helfen und schaltete jetzt Helmut Kohl ein. Der OB bekam einen Termin im Bonner Kanzleramt. „In meinem Beisein griff er (der Kanzler; Anm. d. Red.) zum Telefon und überzeugte Kurt Böckmann von der inneren Notwendigkeit solchen Handelns“.

Wie Zimmermann seine Kritiker bearbeitete und Skeptiker mit Moselwein und Champagner ins Boot holte, das allein lohnt schon die Lektüre dieses Buches. Besonders amüsant lesen sich auch die Passagen über seine Visiten in die USA („Call me Felix“), wo er den Weg für die Städtepartnerschaft mit Fort Worth ebnete. Der Autor berichtet, wie er auf dem Kennedy-Flughafen in New York Scherereien mit dem Zoll bekam, weil er sich mit seiner goldenen Amtskette verdächtig machte. Dass sich die Beamten auf dieses „Handwerkszeug eines deutschen OB“ stürzten, verhinderte indes, dass sie Zimmermanns Koffer filzten. Zum Glück für den Reisenden aus Trier, hatte der doch zwischen seinen Unterhosen Havanna-Zigarren der Marke ‚Romeo e Julietta‘ versteckt – Importe von Waren aus Castros Kuba waren seinerzeit noch strengstens verboten.

Wie der Volksfreund-Verleger dem OB einen Scheck ausstellte

Der Autor nimmt kaum ein Blatt vor den Mund, mitunter greift er zu deftigen Formulierungen und schont sich auch selbst nicht. Dass er lieber die großen Linien vorgab als sich mit dem Kleinklein des kommunalpolitischen Alltags auseinanderzusetzen, verhehlt er kaum. Mit dem Sozialdemokraten und Kulturdezernenten Walter Blankenburg sorgte Zimmermann dafür, dass die Tuchfabrik nicht wie vom damaligen Baudezernenten geplant einer Wohnbebauung wich, sondern zu einem Kulturzentrum umfunktioniert wurde. Seinen Traum, in Trier ein Museum für Moderne Kunst zu installieren, vermochte der OB indes nie zu verwirklichen.

Manches wichtige Thema handelt Zimmermann im Schnelldurchlauf ab, etwa die maßgeblich von ihm verantworteten Ungers-Bauten Basilika-Vorplatz und Viehmarktvitrine, oder die Rettung des „Weisshauses“, wo er mit keinem Wort die massiven Proteste von mehr als 20.000 Trierern erwähnt, die letztlich die Pläne für eine Feriensiedlung im Weisshauswald zu Fall brachten. Apropos: Beim Thema „Weisshaus“ kommt der Autor auch auf Nikolaus Koch zu sprechen, den einflussreichen Verleger des Trierischen Volksfreunds. Mit Zimmermanns Vor-Vorgänger Josef Harnisch stand Koch auf Kriegsfuß, sein Bild durfte nicht mehr im Blatt erscheinen. „Einmal sah man nur seine Hand, ein Sektglas haltend – der Kopf war wegretuschiert“, erinnert sich der Autor. Zimmermann war Harnischs persönlicher Referent und wollte vermitteln, doch das gelang ihm nicht. Was zu dem Zerwürfnis geführt hatte, will oder kann der Autor nicht verraten. Zwischen ihm und Koch schien die Stimmung jedenfalls zu stimmen: „Unsere Begegnungen begannen am frühen Abend und endeten erst in den Morgenstunden, wenn mindestens zwei Flaschen edler Moselweine ausgetrunken waren“.

Zimmermann wollte nun die Rückendeckung Kochs für eine Bürgergemeinschaft einholen, die das Geld für eine aufwändige Sanierung des „Weisshauses“ zusammenbringen sollte. „‚Wie viel soll ich zeichnen?‘, fragte mich Nikolaus Koch, ich nannte einen schon ziemlich hohen Betrag, und erzog sein Scheckbuch. Nachdem das abgehakt war, wandten wir beide uns erleichtert dem Lieblingsthema Richard Wagner zu“.

Zimmermann, Felix: „Ein OB tischt auf“. 144 Seiten. Verlag Michael Weyand, 9,80 Euro.

16vor-Gewinnspiel: Unter allen Lesern verlosen wir fünf Exemplare des Buchs „Ein OB tischt auf“. Teilnehmen kann, wer folgende Frage beantwortet: Wer gestaltete das offizielle Plakat der 2000-Jahr-Feier Triers?: Antwort bitte per Mail an folgende Anschrift: gewinnspiel[at]16vor.de; der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

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