Schon viel Spannkraft und Frische
Emile Claassen, Pseudonym des in Trier lebenden Autors, hat nach „Schweigen – In Gottes Namen“ (2011) und „Gier – Die fünfte Macht“ (2012) jetzt seinen dritten Kriminalroman vorgelegt – infolge verlegerischer Meinungsverschiedenheiten zunächst in Eigenregie als E-Book. „Schattenkrieger – Geschäft.Macht.Tod.“ heißt das Werk, das sich in gedruckter Form, die geplant ist, von der jetzigen Version unterscheiden könnte, ja, sollte. 16vor-Rezensent Klauspeter Bungert sagt, warum. Und er beschreibt, was schon die vorliegende Fassung auszeichnet.
Die Konstellationen und die Personen sind grundsätzlich interessant ausgedacht, es steckt aber noch zu viel Dopplung infolge zu vieler Ermittler auf zu vielen behördlichen und außerbehördlichen Ebenen drin, und dann geraten auch die Personen blasser und der Text zur dritten Rekapitulation längst doppelt gestellter Fragen. Dies betrifft vorrangig einige Abschnitte im letzten Drittel des Romans, bevor dann der Schluss wieder eine abenteuerliche, aber bereits am Anfang des Werks gut vorbereitete Lösung bringt.
Claassen schreibt auch in seinem Opus 3 überwiegend in Dialogen, die er durch ausgesprochen atmosphärische Ambienteschilderungen und innere Monologe unterbricht. Und nahezu jeden gesprochenen Satz versieht er mit einer Beschreibung von Haltung und emotionaler Gestimmtheit dessen, der ihn sagt. Dieser reich kommentierende Stil, der eine gewisse epische Breite zur Folge hat, hat seine eigenen Tücken und Schwierigkeiten: Wie gestalte ich die Situationen und Charaktere so vielfältig, dass immer wieder Überraschendes anzumerken bleibt? Wie schnell wird das Ganze doch zur Masche und erstickt an seiner Behäbigkeit…
Hier jedoch erweist sich Claassen als ein Meister. Wie sein Serienheld, der investigative Journalist Johann Wahlberg, kennt er sich auf allen möglichen Spielfeldern aus, bedient die diversen Sprachebenen und Jargons (unter feiner Aussparung der ordinären Varianten) und streift mit seiner Eloquenz und subtilen Variantenbildung zusammengesetzter Verben poetische Dimension. Stilistisch übertrifft dieser Roman sicher das meiste, was an neuerer Krimiliteratur auf den Markt kommt.
Da Claassen im realen Leben den Atem der Tagespolitik mehrere Jahre als Mitarbeiter der Linken-Fraktion in Berlin, aktuell der Piraten im Saarbrücker Landtag wöchentlich schnuppert, verwundert es nicht, dass er erneut ein politisches Thema aufgreift und mit sicherer Kenntnis der diplomatischen und gesetzlichen Finessen illuminiert. Diesmal geht es um geheime Geschäfte im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Krieg.
Von einem Lamento auf die angebliche traumatische Schädigung sämtlicher Bundeswehrsoldaten, die jemals im fernen Land Dienst taten, nimmt Claassen wohltuend Abstand, gibt aber einigen, sei es körperlich, sei es seelisch, geschädigten Afghanistan-Veteranen Schlüsselpositionen in seiner Handlung.
Wenn er die nicht mit der Spannkraft und Frische des Übrigen entwickelten monierten Passagen bis zur Buchfassung noch verbessert, dann wird es ein Werk, das viele Freunde gehobener Krimiliteratur zu überzeugen verspricht. Wer nicht solange abwarten möchte, nehme sich das E-Book vor, lese unter Vorbehalt (oder auch nicht) und erfreue sich der vielen jetzt schon entwickelten Fein- und Besonderheiten.
Claassen, Emile: Schattenkrieger – Geschäft.Macht.Tod. 2013
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