Zwist an der Spitze

Er sei sich sicher, dass man in einem „kollegialen Geist der Zusammenarbeit“ die Stadt führen werde, erklärte OB Klaus Jensen. Das war im Februar 2010, Angelika Birk (B90/Die Grünen) und Thomas Egger (FDP) hatten soeben ihre Ämter angetreten. Inzwischen scheint vom kollegialen Geist nicht mehr viel übrig. Birk und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani geraten regelmäßig über Kreuz. Die Folge sind ein bisweilen desaströses Erscheinungsbild des Stadtvorstands sowie Verzögerungen bei wichtigen Projekten wie etwa dem Neubau der Treverer-Schule. Insider fühlen sich schon an die letzten Amtsmonate von Georg Bernarding und Ulrich Holkenbrink (CDU) erinnert, als die Stimmung an der Stadtspitze schon einmal auf einem Tiefpunkt schien.

TRIER. Die Frage klang wie bestellt, Simone Kaes-Torchiani nutzte sie wie eine Steilvorlage: Was denn die Baudezernentin zu Presseberichten über die Kita „Haus für Kinder“ mitzuteilen habe, wollte Ratsmitglied Udo Köhler vergangene Woche in einer gemeinsamen Sitzung der Dezernatsausschüsse III und IV wissen. Der Trierische Volksfreund hatte mehrfach berichtet, dass der Sozialdienst Katholischer Frauen damit drohte, seine Einrichtung zu schließen. Anlass für die Drohung: Der SKF benötigt dringend neue Räumlichkeiten und wartete bislang vergeblich auf konkrete Vorschläge aus dem Rathaus. Daraufhin sagte Bürgermeisterin und Sozialdezernentin Birk dem SKF öffentlich zu, dass der Umzug in neue Räume bis zum Sommer 2013 über die Bühne gehen könne.

Sie habe davon aus der Zeitung erfahren, leitete Kaes-Torchiani nun ihre Antwort auf die Nachfrage ihres Parteifreunds Köhler ein. Die Zusage sei mit ihr nicht abgestimmt gewesen, fuhr die Baudezernentin fort, und überhaupt: sie könne sich nicht erklären, wie die Bürgermeisterin ein solches Versprechen habe abgeben können. Denn nach Lage der Dinge sei der Umzugstermin nicht zu halten. Die Zuhörer staunten nicht schlecht, hatten sie doch gerade miterlebt, wie eine Dezernentin die Zusagen der nicht anwesenden Bürgermeisterin kassierte. Ein Vorgang, der erneut offenbarte: Im Stadtvorstand läuft es nicht rund. Das zeigt ein weiteres Beispiel: Ende Februar hatte Birk auf eine Anfrage der CDU hin vor dem Stadtrat bekannt gegeben, dass der Neubau der Treverer-Schule nicht vor 2017 kommen werde. Zur Begründung erklärte die Grüne, dass man sich vom Standort Ehrang wieder verabschiedet habe und nun in Trier-West nach einer Alternative suche. Dabei hatte OB Klaus Jensen (SPD) noch im Oktober 2011 betont, dass Stadt, Kreis, Elternschaft und Schule sich auf einen Standort geeinigt hätten – in Ehrang.

Nur zwei Fragen, bei denen der Dissens an der Stadtspitze offen zutage tritt. Die Baudezernentin versucht oft gar nicht mehr, die Auseinandersetzungen unter der Decke zu halten. Nach den monatelangen Diskussionen über das Parkverbot am Moselstadion und die Tankstelle in der Ostallee hat die Christdemokratin ohnehin den Eindruck gewonnen, immerzu an den Pranger gestellt zu werden. Bestätigt fühlen darf sie sich durch verbale Attacken wie jene des SPD-Fraktionsvorsitzenden: Vor wenigen Wochen titulierte Sven Teuber die Unionsfrau als den „größten Problemfall im Stadtvorstand“. Auf dem Höhepunkt der Kontroverse ums Parken am Moselstadion gab Kaes-Torchiani den Ball an den OB weiter: „Es liegt in der Zuständigkeit des Oberbürgermeisters der Stadt Trier als dem Vorsitzenden des Stadtvorstandes, über Weiteres zu entscheiden“, beschied sie da eine Anfrage von Eintracht-Vorstand Harry Thiele. Es braucht nicht viel Phantasie sich auszumalen, was am Augustinerhof wohl los gewesen wäre, hätte noch ein OB Helmut Schröer amtiert.

Dabei herrschten auch zu seiner Zeit Spannungen innerhalb des Stadtvorstands: Den engsten Draht unterhielt Schröer über Jahre hinweg zu Baudezernent Peter Dietze (SPD). In den Erinnerungen des Unionsmanns kommt der Sozialdemokrat bestens weg. Gemeinsam brachten sie beispielsweise die Landesgartenschau nach Trier und zogen auch an einem Strang, als es um die Konversion militärischer Liegenschaften ging. Spannungsreicher gestaltete sich das Verhältnis zwischen Schröer und Georg Bernarding. Letzterer war als persönlicher Referent von Schröers Vorgänger Felix Zimmermann (ebenfalls CDU) gestartet und hatte durchaus Ambitionen auf den Chefsessel im Rathaus. Doch eine OB-Kandidatur Bernardings vereitelten sowohl Schröer als auch Christoph Böhr. Stattdessen musste Ulrich Holkenbrink ran, der nach seiner Niederlage rasch den Rückhalt in den eigenen Reihen verlor. 2009, vor und nach der Kommunalwahl, hatten führende Christdemokraten wieder Gefallen an Bernarding gefunden. Wäre es 2009 zu Schwarz-Grün gekommen, der gebürtige Saarländer wäre wohl heute noch im Stadtvorstand.

Dass das Verhältnis zwischen Bernarding und Jensen zu diesem Zeitpunkt schon längst zerrüttet war und auch Kaes-Torchiani mit dem Bürgermeister nicht konnte, hätte daran wenig geändert. Doch bekanntlich formierte sich eine andere Mehrheit, und mit dem Zustandekommen des Ampelbündnisses war klar, dass weder Holkenbrink noch Bernarding ihre Ämter behalten würden. SPD, Grüne und FDP wollten eigene Leute an der Stadtspitze, nun griffen politische Gesetzesmäßigkeiten. Egger wurde Wirtschafts- und Kulturdezernent, weil die FDP ansonsten für ein gemeinsames Bündnis nicht zur Verfügung gestanden hätte, wie hernach auch Liberale immer wieder bestätigten. „Die FDP war nur ein Egger-Wahlverein“, polterte vor einem Jahr Ratsmitglied und Grünen-Kreisvorstandssprecherin Corinna Rüffer. Dabei hatten die Grünen auch einiges aufgeboten, als sie ihre Kandidatin Angelika Birk auf den Schild hoben. Die Grünen müssten ebenfalls einen Sitz im Stadtvorstand bekommen, verlangte Rüffer schon vor der Dezernentenwahl im Herbst 2009.

Bei manchem Sozialdemokraten sitzt der Frust über die damalige Kandidatinnenkür bis heute tief. „Die haben uns regelrecht erpresst“, platzte es dieser Tage aus einem Genossen heraus. Tatsächlich gab es eine Bewerberin, die über Fraktionsgrenzen hinweg als kompetent eingeschätzt wurde und in den Vorstellungsrunden gut weg kam. Ihr Problem: Sie hatte ein SPD-Parteibuch und war damit für die Grünen nicht mehr wählbar. Immerhin: Dass es Birk als Ex-Landesministerin in die Kommunalpolitik verschlug, verwunderte zwar manchen, doch konnte man ihr fachliche Kompetenz kaum absprechen. Den damals ebenfalls heiß gehandelten Grünen-Kandidaten Reiner Marz hätte die SPD nicht mitgetragen.

Nur etwas mehr als zwei Jahre nach dem Amtsantritt der beiden „Neuen“ Egger und Birk scheint es, als sei vom „kollegialen Geist der Zusammenarbeit“ nicht mehr viel übrig. Nach allem was man aus Rat und Verwaltung hört, können vor allem Kaes-Torchiani und Birk nicht miteinander. Beide Politikerinnen schieben sich regelmäßig die Verantwortung zu. Zu beobachten war dies auch bei der Diskussion über mögliche Standortalternativen für die Skaterhalle in Trier-West. Über Tage schien unklar, wer denn nun eigentlich hierfür zuständig ist. Tatsächlich sind beide Ressorts betroffen, weshalb es zu einem Teamwork zwischen beiden Dezernaten und im gesamten Stadtvorstand eigentlich keine Alternative gibt. Oder aber der OB als einziges direkt gewähltes Mitglied der Stadtspitze sagt, wo es lang geht.

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