Zirkus aus einer gar nicht so anderen Welt

Die „besten kubanischen Zirkusnummern“ werden auf der Homepage des „Original Cuban Circus“ versprochen, der am Samstagabend in der Arena gastierte. Was daran – abgesehen von der Herkunft des Ensembles – speziell kubanisch sein soll, erschloss sich dem Betrachter nicht unbedingt. Es sei denn, der Zirkus als Institution hat seinen Ursprung in dem karibischen Inselstaat. Die 550 Besucher bekamen Luftnummern, Clowns, Einrad- und Akrobatikdarbietungen, Feuer-, Schwert- und Tanzshows geboten – alles Einlagen, die man auch schon im Trierer Weihnachtscircus, im Circus Krone, im Moskauer oder im Chinesischen Staatszirkus gesehen hat. Sehenswert war die ein oder andere vertraute Nummer trotzdem.

TRIER. Die Arena ist nicht der geeignetste Ort für einen Zirkus, der aus gerade mal 18 Artisten besteht und dessen Bühnenbild – eine palastartige Fassade – dreimal in die Halle passen würde. Wenn dann noch riesige Lücken in den Zuschauerreihen klaffen, ist das der Atmosphäre doppelt abträglich. Vielleicht hing die geringe Besucherzahl mit dem für einen Zirkus in dieser Größe relativ hohen Eintrittspreis zusammen: Für eine Karte mussten die Gäste zwischen 33 und 50 Euro bezahlen (Flic Flac kostet zwischen 22 und 46 Euro, Circus Krone zwischen 15 und 35 Euro).

Beim Auftritt des „Trio de Contorción“ dürfte nicht wenige Besucher – allerdings nur kurz – das Gefühl beschlichen haben, einer betrügerischen Zirkusbande aufgesessen zu sein. Die angekündigten „drei exotischen Schlangenfrauen“, von denen eine für diese Bezeichnung von ungewöhnlich kräftiger Statur ist – obwohl das Gewicht natürlich keine Rolle bei der Dehnbarkeit spielt -, präsentierten sich zunächst wenig elegant auf der Bühne. Dass sie sehr schwierige Hebefiguren beherrschen und alle extrem biegsam sind, bewiesen sie in einer späteren „Kontorsionsnummer“, wie es im Zirkusjargon heißt.

Zuvor beeindruckte jedoch schon das „Duo Rodyal“ mit dem Klassiker „The Doll“. Der scheinbar gelenkfreie, weibliche Teil des Duos ließ sich bis zur Entstehung eines Eigenlebens von seinem Partner wie eine weiche, leichte Puppe bewegen. Die Illusion war perfekt.

Während an den folgenden Akrobatikeinlagen an einer zwei Meter hohen Stange, die ein Mann auf den Knien und mit einer Schlinge um den Hals balancierte, auf Rollschuhen und an Tüchern in der Luft nichts ungewöhnlich, aber auch nichts auszusetzen war, ließen sich die Schwachstellen der Show schnell ausmachen. Es waren – wie so oft – die Clowns.

„Cuqui“ und „Nesti“ haben es sich zur Aufgabe gemacht, auserwählte – man muss es ohne ironische Übertreibung so sagen – Opfer aus dem Publikum zu demütigen. Ein Mann mit wenig Haupthaar und vorhandenem Bauch musste sich zunächst als menschlicher Hutständer auf die Bühne stellen. Dann wurden ihm Hemd und T-Shirt aus der Hose gezogen und der Bauch freigelegt. Schließlich tat das unsympathische Clownpaar das, was man im Englischen „to give somebody a wedgie“ nennt: Sie griffen dem Zuschauer in die Jeans und zogen ihm die Unterhose bis zum Bauchnabel. Dieser ertrug die Bloßstellung mit erstaunlicher Fassung. Jeder im Publikum hätte wohl Verständnis dafür gehabt, wenn er den unverschämten Witzbolden aus der Heimat der Havannas nicht nur eine Zigarre verpasst, sondern ihnen auch noch eine gefeuert hätte.

Mit richtigem Feuer wurde die zweite Hälfte eröffnet, der eine zwanzigminütige Pause vorausgegangen war, die zum Erwerb von mehr oder weniger authentischen Kuba-Souvenirs an einem Stand in der dunkelsten Ecke der Halle genutzt werden konnte. „Suyinka“, spartanisch gewandet und angemalt wie bei einem Ritualtanz, streifte sich brennende Fackeln über Gliedmaßen und den Oberkörper, nutzte sie zum Feuerspucken oder ließ sie in seinem Mund erlöschen –  vielleicht die einzige wirklich landestypische Nummer.

Wer gerade nicht auf der Bühne stand, betätigte sich als Helfer beim Auf- und Abbau. Zum Finale nach knapp zwei Stunden wurde es dort voller. Die fünfköpfige Truppe „Geysers“ schlug auf einer dicken, flexiblen Stange Saltos – eines der Highlights des Abends. Zuvor hatte sie schon mit Seilspringen gefallen, bei dem zum Höhepunkt ein Artist mit drei Personen im Arm und auf den Schultern über das Tau hüpfte.

Zu den Klängen der fünfköpfigen Begleitband verabschiedeten sich zum Schluss alle Akrobaten tanzend von der Bühne – in Kostümen, die von einem Designer mit einem ausgeprägten Faible für Tüll und grelle Farben entworfen wurden. Am Ende war man auch nicht schlauer, was außer der Herkunft der Truppe original kubanisch gewesen sein soll. „Original Brazilian“ oder so würde man ihnen auch abnehmen.

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