„Ich bin kein Greenhorn!“

LeibemitTeuberDreyerKleinSeine Wahl zum OB-Kandidaten der SPD war keine wirkliche Überraschung mehr, einen besseren Bewerber als Wolfram Leibe hätten die Genossen ohnehin nicht finden können – findet man in der Partei. Mit 95 Prozent Zustimmung und ohne Gegenstimmen wurde der gebürtige Südbadener am Samstag ins Rennen geschickt, lediglich drei Sozialdemokraten enthielten sich. Mit Leibe an der Spitze glaubt die SPD, den Chefsessel im Trierer Rathaus verteidigen zu können. Dass der Kandidat sich die Aufgabe zutraut und die Nachfolge Klaus Jensens ernsthaft anstrebt, machte er mit einer selbstbewussten und kämpferischen Rede deutlich. Klar sprach er sich dafür aus, die Westtrasse zu reaktivieren. Mit Blick auf die Schulen machte er deutlich, dass für ihn der Grundsatz „möglichst gute und nicht möglichst viele“ Grundschulen gilt. „Ich bringe sehr viel mit“, ist der Bergmannssohn und Manager bei der Arbeitsagentur überzeugt. 

TRIER. Welches ist der schönste Teil der Stadt? Trier-Süd, sagt Sven Teuber aus Trier-Süd. Kürenz, sagt Stefan Wilhelm aus Kürenz. Hans-Willi Triesch kommt aus Zewen… Mit jeder hyperlokalpatriotischen Standortbestimmung wächst die Erheiterung im Balkensaal des Bürgerhauses von Trier-Nord – übrigens auch ein Stadtteil mit sehr schönen Ecken. Wolfram Leibe ist Wahl-Kürenzer, dort fühlt er sich nach eigener Aussage sehr wohl. Der 53-Jährige will aber weder Zwetschgenkönigin werden – ein Ehrenamt, das bis vor einigen Jahren im Stadtteil tatsächlich zu vergeben war, auch will er nicht in die Fußstapfen Manfred Maximinis treten. Leibe bewirbt sich um das Amt des Trierer Oberbürgermeisters, und deshalb macht er am Samstag schon einmal deutlich: „Die Ortsbeiräte sind wichtig, aber die politische Verantwortung für die Stadt trägt der Stadtrat“. Dafür erntet er Applaus, ein Genosse ruft gar „Sauwer“ in den Raum. Leibe blickt für einen kurzen Moment Rat suchend umher – so, als ob er sich rückversichern wolle, ob denn seine Botschaft auch angekommen ist.

Am 25. Mai wird ein neuer Stadtrat gewählt, auch die Ortsvorsteher und Ortsbeiräte werden dann neu bestimmt. Vier Monate später, am 28. September, steht die Wahl eines neuen Oberbürgermeisters an. Bislang deutet alles auf ein Duell zwischen der parteilosen PR-Unternehmerin Hiltrud Zock, die für die CDU antritt, und dem sozialdemokratischen Arbeitsagentur-Manager Wolfram Leibe hin. Ob die Grünen eine eigene Bewerberin aufbieten werden, wollen sie noch vor den Osterferien entscheiden. Gut möglich auch, dass die Kleinparteien mitmischen wollen. Doch nach Lage der Dinge wird das Rennen zwischen Leibe und Zock entschieden, und anders als 2006, als man zumindest auf den letzten Metern des Wahlkampfs ernsthaft Zweifel am Siegeswillen eines der beiden Kandidaten und seiner Partei bekommen musste, werden sich die beiden aussichtsreichsten Bewerber und ihre Unterstützer dieses Mal nichts schenken.

Leibe scheint Gefallen an seiner neuen Rolle und der Doppelbelastung gefunden zu haben. Unter der Woche weilt er an seinem Arbeitsort Stuttgart, wo er als Geschäftsführer der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit tätig ist, an den Wochenenden macht er in seinem Wohnort Trier schon jetzt Wahlkampf. „In Trier zuhause“ steht auf seiner am vergangenen Samstag freigeschalteten Homepage. Dass Hiltrud Zock als gebürtige Triererin in der Kategorie Herkunft einen Startvorteil haben könnte, ist dem gebürtigen Südbadener wohl bewusst. Doch Leibe wendet dieses scheinbare Manko am Samstag elegant in einen Vorzug, ohne dass er seinen Zugezogenen-Status als solchen thematisiert : „Ist uns immer klar, in welcher tollen Gegend wir hier leben?“, fragt er und setzt noch einen drauf: „Denken wir oft genug daran, wie privilegiert wir in dieser Stadt hier sind?“

Mit Viez hat er es nicht, doch Hanspitt Weilers Stimme bekommt Leibe 

„Mer muss net Trierisch schwätzen können, mer muss Trierisch fühlen!“, hat der langjährige OB Helmut Schröer, ein gebürtiger Kölner, einmal für sich zum Motto auserkoren. Sich Leibe Trierisch schwätzend vorzustellen, dazu gehört noch einige Phantasie. Aber der Kandidat erliegt ohnehin (noch?) nicht der Versuchung, sich allzu sehr einschmeicheln zu wollen. Etwa als er „auf die Sache mit dem Viez“ zu sprechen kommt und klar macht, dass er mit diesem Getränk nichts anfangen kann. Nicht ausgeschlossen, dass ihm dieses Eingeständnis ein paar Stimmen von Freunden des angeblichen Trierer Nationalgetränks kosten wird – die des Viezvereins-Funktionärs Hanspitt Weiler aus Heiligkreuz – noch so ein schöner Stadtteil – hat er in jedem Fall, wie Weiler am Wochenende auf Facebook kund tat.

Andere Fragen dürften die Wahl ohnehin eher entscheiden. Am Samstag vermeidet es Leibe noch, allzu sehr in die aktuellen kommunalpolitischen Themen einzusteigen. Lediglich bei zwei Themen bekennt er halbwegs klar Farbe. So in der Schulpolitik: Als Kind vom Lande sei er in einer Zwergschule unterrichtet worden. Das sei auch durchaus schön gewesen, doch der Wechsel in die weiterführende Schule „war ein Schock für mich“. Man müsse „weg von der Sozialromantik“, verlangte Leibe, „unsere Kinder brauchen vor allem gute Grundschulen und nicht viele Grundschulen“. Leibe erklärte weiter, auch in einer Stadt wie Trier gebe es bislang zu viele Schulabbrecher. Hier müssten noch mehr Anstrengungen unternommen werden, um Jugendlichen klar zu machen, wie wichtig ein Abschluss sei. „Jeder wird gebraucht“.

In der Verkehrspolitik machte Leibe deutlich, dass er die Lösung nicht in neuen Autobahnen sieht. Eine Entlastung sei vor allem über den Ausbau des Nahverkehrs zu erreichen. In diesem Zusammenhang nannte er die geplante Reaktivierung der Westtrasse „essentiel“. Leibe:“Lasst und über den Standort der Haltepunkte streiten, das können wir gerne tun! Aber es wäre doch ein Wahnsinn, eine Investition von 20 Millionen Euro in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zu verhindern“, erklärte er an die Gegner des Projekts gerichtet. Der Straßenbahn-Freund sprach sich außerdem dafür aus, die Flotte der SWT-Verkehrsbetriebe in den kommenden Jahren schrittweise auf Elektrobusse umzurüsten. Diese seien nicht nur leiser und sauberer, vielmehr lasse sich so auch die Erzeugung der regenerativen Energien in der Region mit dem Nahverkehr verbinden. Was den Fernverkehr anbelangt, übte Leibe, der zwischen Trier und Stuttgart regelmäßig mit dem Zug pendelt, Kritik an der Deutschen Bahn: „Es kann nicht sein, dass eine Großstadt keinen Fernverkehr hat“.

Dass der Jurist und BA-Manager einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Wirtschaftspolitik legen will, hatte er schon früh deutlich gemacht. Wirtschaftsförderung sei für ihn jedoch „mehr als nur Grundstücksbereitstellung“. Es müsse auch darum gehen, Unternehmen vor Ort zu helfen, Fachkräfte zu finden. Eher allgemein fielen seine Aussagen zur Kulturpolitik aus. Zwar sprach er sich für den Erhalt des Theaters aus, wobei andere Einrichtungen wie die Tufa nicht ins Hintertreffen geraten dürften und auch der Beitrag von Laien nicht unterschätzt werden dürfe; doch allzu sehr in die Tiefe wollte Leibe dann doch noch nicht gehen. Stattdessen nutzte er seine Rede auch dazu, seinen persönlichen Hintergrund zu erläutern. „Ich bin nicht als Chef geboren“, erinnerte er an seine Herkunft als Sohn eines Bergmanns und beschrieb sich als einen Mann, der sich systematisch hoch gearbeitet hat. Nach dem Studium in Freiburg und Hamburg sowie dem Aufstieg bei der Bundesagentur für Arbeit könne er heute sagen: „Ich habe vom Azubi bis zum Amtsarzt Menschen eingestellt. Ich kann Verantwortung übernehmen!“ Und als hätte daran noch jemand im Saal gezweifelt: „Ich bin kein Greenhorn, ich bringe sehr viel mit. Ja, ich strebe dieses Amt an“.

Parteichef Teuber: „Führungsstarker Teamplayer“

SPD-Ratsmitglied Rainer Lehnart sieht in Leibe einen „Glücksfall für die SPD und einen Glücksfall für Trier“. Der Fraktionsvize eröffnete die Aussprache. Nachfragen gab es keine, stattdessen lobt der Reigen der Redner den Bewerber, der wenig später offiziell zum OB-Kandidaten gekürt werden würde. „Es gibt keinen Besseren“, befand Malu Dreyer. „Er weiß, wovon er spricht“, attestierte die Ministerpräsidentin Leibe und hob hervor: „Er ist kreativ. Aber Kreativität ist ja das eine, wichtig ist zu wissen, wie man ein Problem löst. Wolfram Leibe weiß das“. Der Kandidat genieße in Wirtschaft und Gewerkschaften „breite Zustimmung“. Das bestätigte gleich darauf auch Gewerkschafter Detlef Schieben: „Was Besseres kann der Stadt nicht passieren“. Und Hans-Willi Triesch versuchte sich schon mal in vergleichender Werbung, ohne die Konkurrenz beim Namen zu nennen: „Wir haben den besseren Kandidaten“. Andreas Schleimer appellierte an Leibe, „dass du deine Offenheit und Neugierde behältst. Du schaust genau hin“, bescheinigte der Juso-Sprecher dem Kandidaten.

Das Ergebnis für Leibe schaut wenig später sehr ordentlich aus: 61 abgegebene Stimmen, 58-Ja und keine Nein-Stimme. Macht 95 Prozent Zustimmung. „Er hat all die Eigenschaften, die ihn zu einer sicheren Bank werden lassen“, hatte Partei- und Fraktionschef Sven Teuber zum Auftakt des Parteitags erklärt. Leibe sei ein „führungsstark“, aber auch ein „Teamplayer“. Die Landtagsabgeordnete Ingeborg Sahler-Fesel ist überzeugt: „Er ist der richtige Mann für diesen Job“. Ob er die Frau schlagen wird, die erste Triererin Oberbürgermeisterin werden will, wird sich Ende September zeigen.

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