Wolfram Leibe will die Seiten wechseln
Eines eint die designierten OB-Kandidaten von CDU und SPD: Weder Hiltrud Zock noch Wolfram Leibe hatten die Medien der Moselstadt auf der Rechnung, als es darum ging, über potenzielle Bewerber für das höchste Amt der Stadt zu spekulieren. Damit hat es sich dann aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Denn mit Zock und Leibe bieten beide Parteien den Wählern ein personifiziertes Kontrastprogramm. Selbstbewusst präsentierte sich der Sozialdemokrat am Dienstag der Presse, empfahl sich als Manager mit reichlich Verwaltungserfahrung und gutem Draht zu Wirtschaft und Gewerkschaften. Als gebürtigem Südbadener komme ihm zudem die Trierer Mentalität sehr entgegen, erklärte Leibe; „dass man direkt geherzt und geküsst wird wie im Rheinland, brauche ich nicht“. Für den Wahlkampf braucht Leibe seine Genossen, weshalb er betonte: „Ich trete nicht als Parteiloser an!“
TRIER. Mit Straßenbahnen hat es Wolfram Leibe. Am Montagabend, als er sich den Spitzengremien seiner Partei vorstellte, schwärmte er bereits von dem Verkehrsmittel mit dem besonderen Charme und verzückte damit dem Vernehmen nach einige seiner Genossen; und auch vor der Presse kommt er auf die Tram zu sprechen. Kürzlich sei er in Ulm gewesen, die hätten auch eine, berichtet der 53-Jährige begeistert. Als ein Medienvertreter wissen will, was Leibe denn anders machen würde als der noch amtierende OB, flüchtet er sich in einen Scherz: Wenn er Klaus Jensen etwas vorwerfen könne, dann, „dass es in Trier noch immer keine Straßenbahn gibt“. Sagt es und sorgt für großes Gelächter im Bürgersaal der „Steipe“.
Das im Krieg völlig zerstörte und erst in den Siebzigern komplett neu errichtete Bürgerhaus diente lange Zeit als Rathaus. Den Sozialdemokraten diente es am Dienstagnachmittag dazu, ihren Ersatzkandidaten für Klaus Jensen vorzustellen. Lange hatten die Genossen gehofft, der Amtsinhaber werde sich um eine Wiederwahl bewerben. Doch schon vor längerer Zeit schwante ihnen, dass sie sich doch nach personellen Alternativen umschauen mussten. So hatten die Sozialdemokraten seit mindestens sechs Wochen einen „Plan B“ in petto, denn so lange ist es her, dass Partei- und Fraktionschef Sven Teuber zum Hörer griff und Leibe die Kandidatur antrug. Und der hat nach eigenem Bekunden keine Sekunde gezögert und sofort seine Bereitschaft erklärt, im kommenden Jahr ins Rennen zu gehen. Erst nach seinem spontanen „Ja“ habe er dann akribisch aufgelistet, was er für dieses Amt mitbringe – bis er für sich zu dem Ergebnis gekommen sei: „Ich kann OB!“
Teuber war denn auch sichtlich stolz auf seinen Kandidaten, zumal der nach seiner Darstellung am Montagabend bei den rund 60 Mitgliedern der SPD-Führungsgremien auf einhellige Zustimmung stieß. Dass Leibe „zweite Wahl“ oder gar eine „Verlegenheitslösung“ sein könnte, dieser Eindruck drängte sich bei seinem Auftritt vor der Presse nicht auf. Im Gegenteil: Im Detail führte er aus, was ihn seiner Meinung nach für das OB-Amt qualifiziert: dass er als Manager bei der Agentur für Arbeit zwischenzeitlich Personalchef von Tausenden Mitarbeitern war; dass er als derzeitiger Geschäftsführer der Regionaldirekton der BA Stuttgart mit seinen Kollegen über einen Milliarden-Haushalt wacht – „mit öffentlichen Haushalten kenne ich mich also aus“. Und das seien „nur die Basics“, um ein Amt wie das des Oberbürgermeisters auszufüllen, erklärte Leibe, der diese Feststellung aber ausdrücklich nicht als Kritik an der CDU-Bewerberin verstanden wissen wollte. Im Gegenteil: „Hiltrud Zock ist eine sehr kreative Frau“, die Parteilose gehe ihre Kandidatur einfach anders an.
Mit Leibe setzt die SPD auf einen Manager, der aufgrund seiner bisherigen Funktionen – unter anderem als Chef der Arbeitsagenturen in Freiburg, Pirmasens und Trier – einen guten Draht zu Gewerkschaften und Unternehmen pflegen musste. Vier Jahre wirkte er in der Moselstadt, bevor er Ende letzten Jahres nach Stuttgart wechselte. Dort hat er es nun mit Weltkonzernen zu tun, während seiner Trierer Zeit habe er hingegen enge Kontakte zu kleinen und mittleren Unternehmen aufgebaut. An diese wolle er nun anknüpfen. Er sei gerade in den letzten Jahren auch immer „Politikberater und Netzwerker“ gewesen, beschrieb Leibe seine Rolle. Die Kommunalpolitik ist für ihn jedoch Neuland, hier hat er sich bislang weder in Trier noch andernorts engagiert: „Damit kann ich nicht glänzen“, räumte er ein, „aber ich habe Lust, die Seiten zu wechseln“.
Über die Trierer Kommunalpolitik scheint er sich gleichwohl auf dem Laufenden gehalten zu haben. So macht er gleich zu Beginn eine Anspielung auf das verbesserungsfähige Zusammenspiel im Stadtvorstand: „Es geht nur zusammen, und es geht mitunter nur gegen Widerstände, wenn man denn ein Ziel hat“, so Leibes Credo. Als OB sei man „Chef der Verwaltung, Macher, Ideengeber und Kompromissfinder“, führte der SPD-Kandidat in spe weiter aus. Sodann zitierte er den kürzlich verstorbenen langjährigen Oberbürgermeister von Stuttgart, Manfred Rommel. Der Christdemokrat habe einmal sinngemäß gesagt, dass vieles „gut klingt, solange niemand fragt, wer das Ganze zahlt“. Er sei sich vollkommen bewusst, dass gerade in einer Stadt wie Trier der öffentliche Haushalt Grenzen setze, aber das dürfe nicht dazu führen, dass gute Ideen von vornherein zum Scheitern verurteilt seien. Seine Schwerpunkte sieht Leibe bei den Themen Wirtschaft, Arbeit, Bildung und Wohnen. Konkreter könne und wolle er noch nicht werden, das werde aber später geschehen, versprach er.
Erst vor der Bundestagswahl trat er in die SPD ein, nun soll Leibe für seine Genossen den Chefsessel im Rathaus verteidigen. Das wird kein einfaches Unterfangen für ihn, denn auch wenn er bei Verbänden und Kammern, Gewerkschaftern und Kommunalpolitikern vernetzt ist – Leibes Bekanntheitsgrad ist noch stark ausbaufähig. Und ihm wird nach eigenem Bekunden nicht viel Zeit bleiben, sich bei den Trierern bekannt zu machen. Denn bis zur heißen Wahlkampfphase will er weiter nach Stuttgart pendeln und seiner Aufgabe als Geschäftsführer nachkommen. Lediglich die Freitage will der Jurist sich freihalten und an diesen sowie an den Wochenenden unterwegs sein. Dass ein Zeitbudget begrenzt sei, habe er gegenüber seiner Partei von Anfang an deutlich gemacht.
Auch am Dienstag blieb ihm nicht viel Zeit. Leibe musste wieder nach Stuttgart, dort stehen zwei Tage Workshop mit McKinsey auf seinem Programm. Trotz bekanntermaßen bescheidener Anbindung nahm er den Zug. Mit der Schiene hat er es, und es muss ja nicht immer die Straßenbahn sein. Ende Januar oder Anfang Februar wollen die Genossen ihn offiziell zu ihrem Kandidaten küren, dann dürfte der OB-Wahlkampf langsam Fahrt aufnehmen. Gefragt, wie er denn mit der Trierer Mentalität zurechtkomme, verwies Leibe auf seine Herkunft: In Südbaden dauere es meist ein Jahr und mehr, bis man jemandem das „du“ anbiete. Das sei in Trier ähnlich und komme ihm entgegen, denn „dass man direkt geherzt und geküsst wird wie im Rheinland, das brauche ich nicht“.
von Marcus Stölb