Wo werden die Grenzen gezogen?

Dem Bundestag steht eine denkwürdige Sitzung ins Haus. Die Parlamentarier entscheiden heute darüber, ob die Präimplantationsdiagnostik (PID) in Ausnahmefällen möglich sein oder gänzlich verboten werden soll. Während sich Bischof Ackermann mit deutlichen Worten für ein Verbot ausgesprochen hat, plädiert die Giordano-Bruno-Stiftung für das Recht der Eltern, eine PID vornehmen zu lassen. Die Entscheidung liegt nun in den Händen des Bundestags und damit auch der Trierer Abgeordneten. Während Bernhard Kaster (CDU) und Katrin Werner (Die Linke) für ein absolutes Verbot stimmen werden, wird Manfred Nink dem Vorschlag einer Gruppe um Bundestagspräsident Norbert Lammert folgen. Ein weitergehender Gesetzentwurf, zu dessen Initiatoren Ex-CDU-Generalsekretär Peter Hintze zählt, wird von den Trierer Parlamentariern abgelehnt. 

TRIER/BERLIN. Professor Johannes Brantl und Peter Klauer möchten nicht missverstanden werden. Also schicken sie ihrer Stellungnahme voraus, dass man selbstverständlich mit allen Paaren mitleide, deren Elternwunsch nicht in Erfüllung geht. Sämtliche Fachabteilungen des Klinikums setzten alles daran, „dass eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege zustande kommen kann“. Doch dann sprechen der Moraltheologe, der die Ethikkommission des Mutterhauses der Borromäerinnen berät, und der Klinikpfarrer Klartext: „Über die Unterstützung der natürlichen Konzeption hinaus ist ein medizintechnisch-manipulativer Eingriff in die Zeugung von Kindern für uns als Krankenhaus in katholischer Trägerschaft nicht vertretbar“. Mit der Möglichkeit einer PID und der damit verbundenen In-vitro-Fertilisation sei auch immer „das Problem der Selektion“ gegeben, so Brantl und Klauer, und „wir maßen uns nicht an, darüber zu entscheiden, welches Leben lebenswert ist und welches getötet werden soll“.  Im Übrigen: „Das Recht auf ein Kind gibt es nicht, schon gar nicht das Recht auf ein gesundes Kind“.

Dass es kein Recht auf ein Kind gibt, diese Auffassung vertritt auch der Trierer Bischof. In der vergangenen Woche warnte Stephan Ackermann mit deutlichen Worten die Abgeordneten des Bundestags: Es dürfe nicht dazu kommen, dass die PID rechtlich zugelassen werde. „Grundsätzlich sollten alle Menschen, die den beschwerlichen Weg der künstlichen Befruchtung wählen, die Möglichkeit zur PID haben“, hält die Ethikkommission der Giordano-Bruno-Stiftung den Verbotsbefürwortern entgegen. In einer Stellungnahme heißt es: „In einem liberalen Gemeinwesen sollten mündige Bürgerinnen und Bürger tun und lassen dürfen, was sie wollen, solange es ihnen nicht mit guten Gründen verboten werden kann.“ Solche „guten, verallgemeinerungsfähigen Gründe“ gebe es aber weder für ein Verbot der PID noch für eine Beschränkung auf Paare, deren erbliche Vorbelastung erwiesen ist.

Giordano-Bruno-Stiftung: Dann müsste man auch Impfungen abschaffen!

Dass die Auswahl gesunder Embryonen auf eine Herabsetzung von Behinderten hinauslaufe, sei falsch: „Die Annahme, dass die Vernichtung befruchteter Eizellen mit genetischen Defekten zur Diskriminierung von Behinderten führt, ist ähnlich absurd wie die Forderung nach Abschaffung der Impfung gegen Kinderlähmung, weil diese eine Diskriminierung von Menschen mit Kinderlähmung zur Folge haben könnte“, argumentiert die Stiftung und führt weiter ins Feld: „Wer eine rationale, humanistische Sichtweise vertritt, dem sollte klar sein, dass Behinderte und Kranke unsere volle Unterstützung verdienen, Behinderung und Krankheit jedoch nicht“.

Wie umstritten das Thema PID ist, wird sich heute auch im Bundestag zeigen. Der Fraktionszwang wurde aufgehoben, drei  Gesetzentwürfe stehen zur Abstimmung. Während ein Antrag um den CSU-Abgeordneten Johannes Singhammer ein Totalverbot der PID fordert, laufen die beiden anderen Gesetzentwürfe darauf hinaus, die Diagnostik unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen. Nach Lage der Dinge hat der Vorschlag des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Peter Hintze Chancen, eine Mehrheit zu bekommen. Auch er sieht vor, dass die PID verboten wird, dass aber Ausnahmen von diesem Verbot möglich sind, wenn beispielsweise wegen einer erblichen Vorbelastung eines Elternteils eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Kind eine schwerwiegende Erbkrankheit haben wird.

Eine erkleckliche Anzahl von Abgeordneten war bis zuletzt unentschlossen, wie sie heute abstimmen werden. Nicht so die Trierer Parlamentarier, die sich auf Anfrage von 16vor klar positionierten. Demnach werden Hintze und die weiteren Initiatoren „seines“ Antrag nicht auf Unterstützung aus der Moselstadt zählen können. „Nach meinem Verständnis christlicher Ethik darf der Mensch nicht zum Objekt wie auch immer gearteter fremder Verfügungsgewalt werden“, erklärt Bernhard Kaster (CDU). Bei der Präimplantationsdiagnostik werde „menschliches Leben danach selektiert, ob es Träger einer Krankheit oder Behinderung ist“. Kaster weiter: „Ich habe großes Verständnis für die Sorgen und das Leid der Eltern, die selbst Träger einer Erbkrankheit sind. Riesigen Respekt habe ich vor der Leistung von Familien mit schwer kranken oder behinderten Kindern. Sie verdienen jede mögliche Unterstützung“.

Aber der verständliche Wunsch nach einem gesunden Kind dürfe „nicht zur Begründung für eine gezielte Selektion von Embryonen werden. Ich sehe hierin einfach einen ethisch nicht vertretbaren Dammbruch, dessen Folgewirkungen ich nicht übersehen kann und der mich besorgt“. Der Christdemokrat kritisiert den Hintze-Vorschlag: Ihm stelle sich die Frage, wie denn ein Katalog von Erkrankungen aussehen solle, für den die PID erlaubt werden könnte. so Kaster. „Wo werden die Grenzen gezogen?“ Der Christdemokrat räumt ein, dass ihn selten eine Entscheidung „so hin- und hergerissen“ habe wie diese. „Die Argumente derer, die einen anderen Weg vorschlagen, sind hoch respektabel. Ich kann sie nach Gesprächen mit Betroffenen teilweise auch nachvollziehen“. Nach langer Überlegung bleibe er dennoch bei einer grundsätzlichen Ablehnung der PID und werde deshalb den entsprechenden Gesetzentwurf unterstützen.

Kaster und Werner für absolutes Verbot der PID

„Ich werde für ein eindeutiges Verbot stimmen“, kündigte am Mittwoch auch Katrin Werner an. Es sei mit ihrem Menschenbild „unvereinbar, dass die Präimplantationsdiagnostik den Raum für Abwägungen zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben eröffnet“, begründet die Linke ihr Abstimmungsverhalten. „Die Möglichkeiten der PID, ungeborenes Leben auf einen vagen Verdacht hin auszulöschen, leistet einer weiteren Stigmatisierung von Behinderungen Vorschub“ warnt sie und gibt zu bedenken: „Krankheiten und Behinderungen sind Teil eines jeden Lebens und gehören, wenngleich mitunter tragisch, zu unserem gesellschaftlichen Leben“. Mit ihrer Stimme für ein konsequentes Verbot sei ein „Votum für gesellschaftliche Vielfalt, für eine inklusive, offene Gesellschaft“ verbunden. Dazu gehöre auch das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung. Werner unterstützt auch die Position des Bischofs, dass es kein Recht auf ein Kind gebe: „Grundsätzlich stimme ich mit Ackermann überein. Der Einsatz der PID darf sich nicht ausschließlich nach der medizinisch technischen Machbarkeit richten, sondern muss entlang ethischer Leitlinien erfolgen“. Nach Meinung der Linken schwächt die PID zudem das Selbstbestimmungsrecht der Frau: „Schließlich geht es hier um ein medizinisch-technisches Verfahren, in dem Ethikkommissionen, Medizinerinnen und Mediziner Entscheidungen treffen. Die Macht von Reproduktionstechnologien über den Körper der Frau steht ihrem Recht auf Selbstbestimmung genauso entgegen wie eine gesellschaftliche Grundhaltung, die Behinderungen und Krankheiten für grundsätzlich verhinderbar und als zwingend zu verhindern sieht – und dementsprechend Druck ausübt“.

Manfred Nink hat ebenfalls mit sich gerungen. Er habe sich diese „wichtige Gewissensentscheidung nicht leicht gemacht“, betont der Sozialdemokrat. Anders als Kaster und Werner wird er einem Gesetzentwurf der Abgeordneten René Röspel, Priska Hinz und Norbert Lammert zustimmen. Dieser sieht ebenfalls vor, dass die PID grundsätzlich verboten wird. „Die PID darf nicht als Instrument zur Selektion von Embryonen nach bestimmten Krankheitsbildern missbraucht werden“, argumentiert Nink. Nach dem Gesetzentwurf der Gruppe um Lammert wäre sie denn auch lediglich dann zulässig, „wenn Paare eine genetische Vorbelastung dafür aufweisen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Schädigung des Embryos, Fötus oder Kindes zu erwarten ist, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führt“, erläutert der SPD-Mann. Es gehe nicht um den „Lebenswert“ oder Grad einer Erkrankung oder Behinderung, vielmehr stehe „die Lebensfähigkeit des Embryos“ im Mittelpunkt.

„Eine Untersuchung, ob beim Embryo etwa eine Veranlagung für eine spätere Krebserkrankung oder für Behinderungen wie dem Down Syndrom vorliegt, ist deshalb verboten und ethisch nicht vertretbar“, unterstreicht Nink. An die Adresse des Trierer Bischofs sowie der Befürworter eines ausnahmslosen Verbots gerichtet erklärt der Sozialdemokrat noch, dass es bei dem von ihm unterstützten Gesetzentwurf „weder darum geht, ‚perfektes Leben auf Erden‘ zu kreieren, noch darum, eine sichere Gewähr für die Geburt eines gesunden Kindes zu geben“.

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