Wiseler weist den Weg

Unter dem Motto „Unsere Region braucht Anschluss“ starteten die CDU-Kreisverbände Trier und Trier-Saarburg am vergangenen Freitagabend ins neue Jahr. Nach der Abmoderation großer Straßenbauprojekte durch die Landesregierung und der Ausdünnung des Fernverkehrs der Bahn sollte die Verkehrspolitik im Fokus der Veranstaltung stehen. Das tat sie dann auch: Gastredner Claude Wiseler widmete fast seinen kompletten Vortrag Luxemburgs Masterplan in Sachen Nahverkehr. Der Infrastrukturminister berichtete von Standseilbahnen, der geplanten Tram, zusätzlichen Peripheriebahnhöfen und dem Nutzen von Busspuren auf Autobahnen. Triers CDU-Chef Bernhard Kaster attackierte die örtliche SPD: Während  seine Partei sich mit den „Realitäten in der Region“ auseinandersetze, befassten die Genossen sich „mit arabischen Träumen“. Für den Aschermittwoch hat sich ein prominenter Gast aus Berlin angesagt.

KENN. Dem Pianisten ist kein Vorwurf zu machen, im Gegenteil: Mit Musik aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ und Richard Claydermans „Ballade pour Adeline“ ließ er die Besucher des CDU-Neujahrsempfangs vorübergehend vergessen, dass sie sich in einer nur mäßig beheizten Mehrzweckhalle befanden. Mit Kritik an der Landesregierung hatte der Trier-Saarburger Parteichef Arnold Schmitt die Anhängerschaft auf den Abend eingestimmt, ihm folgte der CDU-Bezirksvorsitzende, Bundestagsabgeordnete und Generalsekretär der Landespartei, Patrick Schnieder. Doch erst als der vom Neujahrsempfang der Vereinigung Trierer Unternehmer herbei geeilte und doch etwas verspätete Trierer Unionschef Bernhard Kaster eintraf, nahm die Veranstaltung Fahrt auf.

Nach Claydermans Ballade schlug Kaster andere Töne an: „Die SPD hat sich mit den Träumen der arabischen Welt beschäftigt“, höhnte er in Richtung politischer Konkurrenz, „wir beschäftigen uns mit den Realitäten in der Region“. Zur Erinnerung: Die Trierer Sozialdemokraten hatten zu ihrem Neujahrsempfang am vergangenen Sonntag in den Viehmarktthermen den außenpolitischen Sprecher ihrer Bundestagsfraktion eingeladen, der zu den Veränderungen im Zuge des „Arabischen Frühlings“ sprach. Kaster stand am Freitagabend mehr unter dem Eindruck des VTU-Neujahrsempfangs in Trier, wo auch der Ministerpräsident aufgetreten war und Fragen nach der Zukunft von Projekten wie der Nord- und Westumfahrung ausgewichen war. Die Realität ist, dass von der rot-grünen Landesregierung keine Unterstützung für diese millionenschweren Vorhaben zu erwarten ist. Der Trierer Unionschef indes lässt nicht locker: Die Region brauche beide Straßen, wiederholte er seine bekannte Forderung.

Kaster kritisiert Kabinett Beck

Während Kaster kein gutes Haar an der Mainzer Regierung ließ, zollte er dem Kabinett Juncker großes Lob: Dass sich Luxemburg mit 8 Millionen Euro am Ausbau des auf insgesamt rund 19 Millionen Euro veranschlagten Ausbaus der Bahnstrecke zwischen Igel und Wasserbillig beteiligt, sei „keine Selbstverständlichkeit“. Hier werde „Europa gelebt“, erklärte er unter großem Beifall, um sich sodann dem „Nicht-Europäer und Bahnchef“ zuzuwenden. Dass die Bahn AG just an jenem 6. Oktober, als in Luxemburg die Absichtserklärung zum Ausbau der Bahnstrecke unterzeichnet wurde, verkündete, dass der Fernverkehr nach Trier und ins Großherzogtum zusammengestrichen wird, sei ein mehr als unfreundlicher Akt gegenüber Luxemburg gewesen, kritisierte der Christdemokrat und berichtete: „Wir sind beinahe vor Scham im Boden versunken“.

Rüdiger Grubes Affront soll ein Grund dafür gewesen sein, dass die CDU ihren diesjährigen Neujahrsempfang dem Thema Verkehr widmete. „Die Region braucht Anschluss“ lautete das Motto der Veranstaltung, mit Claude Wiseler hatte man passend zum Thema den denkbar besten Gastredner eingeladen. Wiseler ist in der schwarz-roten Regierung des Nachbarlandes seit 2009 Superminister für Infrastruktur und nachhaltige Entwicklung. Beobachtern gilt er – neben Finanzminister Luc Frieden – als potenzieller Nachfolger für Dauer-Premier Jean-Claude Juncker, sollte es diesen eines Tages doch noch nach Brüssel oder sonst wohin verschlagen. Vor allem aber ist Wiseler ein höflicher Mann, der sich auf diplomatische Formulierungen versteht. Der Versuchung, in Kenn allzu grob gegen die Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG zu wettern, widerstand der frankophile Luxemburger. „Das war keine erfreuliche Nachricht“, kommentierte er die Ereignisse vom 6. Oktober zurückhaltend, und „wir haben sie nur halb akzeptiert“. Soll heißen: Im Großherzogtum machte man sich nach der Ankündigung Grubes direkt an die Arbeit und arbeitete maßgeblich einen Ersatzfahrplan aus, der zumindest zwischen Trier und Luxemburg die Lücken, welche durch die Ausdünnung der IC-Verbindungen entstanden wären, schließt.

Dem Thema des Abends entsprechend wies Wiseler sodann den Weg in eine verkehrspolitische Zukunft, in der dem öffentlichen Nahverkehr eine Schlüsselrolle zukommen soll. Mit Hinweis auf die rasante Bevölkerungs- und Arbeitsplatzentwicklung im Großherzogtum machte der Christsoziale den Handlungsdruck deutlich. Sowohl die Trassen für den öffentlichen Verkehr als auch die Straßen seien längst überlastet, weshalb es nicht reiche, die Autofahrer zum Umstieg zu ermuntern, erklärte der Minister und kritisierte namentlich Forderungen aus den Reihen der Grünen. Wiseler machte aber zugleich deutlich, dass sein Land noch stärker als bisher auf einen attraktiven Nahverkehr bauen will, um vor allem die nach Luxemburg einpendelnden Grenzgänger abzufangen. „Wir müssen die Menschen so weit wie möglich dort abholen, wo sie leben“. Deshalb sollen „in drei großen Reihen“ um die Hauptstadt herum Park+Ride-Angebote geschaffen werden: unmittelbar an der Grenze, rund zehn Kilometer um Luxemburg-Stadt, sowie an der Peripherie von Triers Schwesterstadt. Wiseler nannte als konkretes Vorhaben eine Großgarage unweit des Flughafens „Findel“, in der Tausende Fahrzeuge unterkommen sollen. Von hier aus sollen die Pendler dann schon in wenigen Jahren mit Bussen und Tram zu ihren Arbeitsplätzen fahren können.

Apropos Flughafen: An diesem Punkt wurde einmal mehr deutlich, dass Luxemburgs Maßstäbe andere sind als hierzulande. Sein Land habe auch „ein Finanzproblem“, erläuterte der Minister. Deshalb müsse man sparen und habe sich vor zwei Jahren dafür entschieden, die ursprünglich geplante Bahnstrecke vom Hauptbahnhof über den „Findel“ zum Kirchberg nicht zu bauen. Rund 1,2 Milliarden Euro hätte die Trasse gekostet, inklusive Tunnel am Airport. Alternativ soll es nun im Pfaffenthal einen neuen Haltepunkt samt Standseilbahn gegen, mit der Fahrgäste den Höhenunterschied von 45 Metern zwischen Tal und „Roter Brücke“ überwinden werden. Bis zu 100 Menschen pro Minute könne die Seilbahn befördern, auf der Brücke warte dann die Tram und bringe die Menschen ins nahe gelegene Europa- und Bankenviertel. Der zeitraubende Umstieg am Hauptbahnhof würde so für viele entfallen. Etwa 100 Millionen Euro soll die Pfaffenthal-Lösung kosten, „davon konnte ich unseren Finanzminister überzeugen“.

„So komisch ist das nicht“

Zahlen, bei denen einige der versammelten Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker ins Grübeln gekommen sein dürften, zumal Wiseler noch ein ganzes Füllhorn weiterer Projekte ankündigte, auf deren Realisierung sich die luxemburgische Regierung verständigt hat. So sollen auf allen neun Einfahrten der Hauptstadt Busspuren angelegt werden, selbst auf vereinzelten Abschnitten der Autobahnen werde dem Nahverkehr Vorfahrt eingeräumt. So gibt es auf der Autobahn nach Esch und Frankreich bereits eine Busspur. Außerdem geplant sind mehrere neue Peripheriebahnhöfe in Luxemburg. An diesen Stationen fänden die Fahrgäste dann Park+Ride ebenso vor wie Bushaltestellen und Leihfahrräder. „Multimodal“ funktioniere die Infrastruktur von Morgen, auf dem Weg zur Arbeit nutzten immer mehr Menschen unterschiedliche Verkehrsmittel, so Wiseler.

An neuen Straßen führe in seinem Land dennoch kein Weg vorbei, betonte der Minister und erläuterte den Tram-Deal: Er habe der in Luxemburg regierenden Rathaus-Koalition aus Liberalen und Grünen zur Bedingung gemacht, dass im Gegenzug zum Bau der Straßenbahn neue Umgehungsstraßen gebaut werden müssten, um die Hauptstadt vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Nur kurz ging Wiseler auf den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Wasserbillig und Igel ein. Er wisse, dass es nicht wenige Menschen „schon komisch“ fänden, dass sein Land in Deutschland investieren will, begann er, um sogleich zu ergänzen: „Aber so komisch ist es nicht“. Denn „diese Strecke ist für Luxemburg lebenswichtig“, sie stelle schließlich die einzige Bahnverbindung über Trier und Koblenz bis hin zum Osten Europas dar.

Unterdessen freut sich Bernhard Kaster nach seinen unerfreulichen Erfahrungen mit dem „Nicht-Europäer“ Grube darauf, in Trier schon bald einen überzeugten Europäer begrüßen zu können: Für Aschermittwoch hat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble angekündigt.

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