„Wir vergessen nicht so schnell“

Vor der letzten Bundestagswahl trat er in die Partei ein, bei der nächsten wird er sie schon in den Wahlkampf führen – zumindest im Wahlkreis 204: Mit Henrick Meine setzen die Trierer Liberalen auf einen Luxemburger Banker und gebürtigen Hannoveraner. Der weiß zwar um seine geringen Chancen, per Direktmandat ins Berliner Parlament einzuziehen, doch nur als „Schaulaufen für die Galerie“ möchte er seine Kandidatur auch nicht verstanden wissen. Im Gespräch mit 16vor räumt Meine Fehler der eigenen Partei ein und übt auch deutliche Kritik an den Christdemokraten im Bund. Man dürfe sich nicht allein auf einen Partner verlassen, erklärt der 36-Jährige, der sich grundsätzlich vorstellen könnte, dereinst auch in der Kommunalpolitik mitzumischen.

TRIER. Man sollte Meine nicht unterschätzen. Freundlich im Auftreten, sympathisch im Umgang , bringt er doch auch eine gute Portion Ehrgeiz mit. „Ich liebe es zu gewinnen, aber noch mehr hasse ich es, zu verlieren“, sagt er, um gleich darauf klarzustellen, dass dieser Satz nicht von ihm stamme. Meine wird das Rennen um die Direktkandidatur im Wahlkreis Trier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gewinnen, da macht er sich keine Illusionen. Aber möglicherweise könnte er es über die Landesliste seiner Partei schaffen, die im September aufgestellt werden soll. „Ich hoffe auf einen Platz zwischen 3 und 7“, sagt er. Dazu muss man wissen: Platz 1 und 2 werden nach Lage der Dinge an Rainer Brüderle und Volker Wissing gehen – den erfahrenen FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag und den noch nicht so bekannten aber kraft Amtes gesetzten Landeschef der rheinland-pfälzischen Freidemokraten.

Dass Meine sich politisch engagiert, hat er gewissermaßen seinem lädierten Knie zu verdanken. Viele Jahre spielte er Handball, dann riss das Kreuzband – für ihn das Signal, mit dem Sport aufzuhören und sich nach einem anderen Feld umzuschauen, auf dem er sich einsetzen könnte. So sei er zur Politik gekommen, berichtet Meine, wobei er schon immer ein politisch interessierter Mensch gewesen sei. Warum er sich für die FDP entschieden hat? Er muss nun etwas überlegen und zweimal ansetzen, bis er eine Erklärung parat hat: Er sei grundsätzlich der Meinung, dass jeder erst einmal das machen solle, was er wolle und könne – „ohne großen Einfluss von außen“. Meine ist kein Freund des „fürsorglichen Sozialstaats“, auch wenn er die sozialen Systeme als solche nicht infrage stellt. Aber, sagt er, „die Erwartungshaltung vieler an den Staat ist einfach zu hoch“.

Spricht man mit ihm über politische Inhalte, leitet der Direktkandidat seine Sätze häufig mit einem „ich persönlich…“ ein. So ist er durchaus dafür, dass die Praxisgebühr abgeschafft wird – schließlich werde ja „niemand absichtlich krank“. Wettbewerb im Gesundheitswesen sei ja schön und gut, aber dass es in Deutschland derart viele Krankenkassen gebe, könne er nicht verstehen – schließlich bedeute dies ja auch immer Kosten an der Spitze, denn jede Kasse leiste sich bekanntlich einen Vorstand mit allem drum und dran. Meine ist der Meinung, dass die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland zu hoch ist. Was die Finanzkrise anbelangt, stört es ihn, dass sein Berufsstand kollektiv in Verruf geraten ist. Dabei leugnet Meine nicht, dass manche seiner Kollegen sich völlig daneben benommen haben: „aber das sind einige wenige, die an einem ganz großen Rad drehen“ – die Mitarbeiter am Schalter und in den Filialen vor Ort treffe aber nun wahrlich keine Schuld.

Dass bestimmte Auswüchse auf den Kapitalmärkten eingedämmt und verhindert werden müssten, davon ist auch Meine überzeugt: „Die Märkte müssen auf jeden Fall reguliert werden“, gerade die Spekulation auf Nahrungsmittel gehöre verboten; „hier geschieht viel Unrecht, und es geht ja hierbei auch um die physische Existenz von Menschen“. Ist Meine ein Sozialliberaler? Dann hätte er etwas gemein mit dem Trierer Ex-Parteichef und heutigen Wirtschafts- und Kulturdezernenten Thomas Egger. Mit dem dürfte er jedenfalls einer Meinung sein, was die Performance der Berliner Koalition anbelangt. Zwar sagt Meine, was viele seiner Parteifreunde in diesen Monaten sagen – dass man „einiges Positives bewegt, das aber nicht so richtig rübergebracht“ habe. Doch dann wird er deutlich: „Man darf sich nicht an eine Partei binden, vor allem nicht, wenn man von ihr so vorgeführt wird“. Und als wäre das nicht schon deutlich genug, schickt Meine noch einen Satz hinterher: „Wir vergessen nicht so schnell“. Wäre es nach ihm gegangen, hätte die Berliner Parteiführung dem Koalitionspartner früher Grenzen aufzeigen müssen, und auch ein Bruch des Bündnisses wäre für ihn denkbar gewesen.

In Trier kennen sich die Liberalen inzwischen mit Bündnisbrüchen aus. Dass Meine in die Moselstadt kam, war nicht wirklich geplant. Nach seiner Ausbildung zum Bierbrauer und Mälzer bei der Gilde Brauerei AG, dem ältesten Unternehmen Hannovers, das inzwischen zum Bier-Giganten Anheuser Busch zählt, konnte er seine Arbeit in der Branche aus persönlichen Gründen nicht fortsetzen. Also absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung und heuerte bei der Sparkasse an. Es folgten Stationen bei der NordLB und in der Frankfurter Dependance der Banque National de Paris, der heutigen BNP Paribas. Als dann das Angebot kam, in die französische Hauptstadt zu wechseln, musste Meine nicht lange überlegen. Zwei Jahre verbrachte er in Paris, doch so toll diese Zeit auch gewesen sei – dauerhaft leben wollte Meine an der Seine nicht. So kam er nach Luxemburg, wo er heute für eine amerikanische Bank arbeitet. „Wenn man immer nur darauf wartet, dass es besser wird, kann es eigentlich nur schlechter werden“, nennt Meine noch so ein Motto, das ihm wichtig ist. Gelegenheiten müsse man beim Schopfe packen, auch wenn für ihn „schon etwas Sicherheit“ gewährleistet sein müsse. Im September 2013 hat der 35-Jährige nun die Gelegenheit, die FDP in die Wahl zu führen. So nicht noch der Berliner Wind dreht, dürfte es keine leichte Herausforderung für ihn werden.

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