„Wir fürchten da nichts“

Heute ist der vierte Trierer Bürgerhaushalt gestartet. Anders als in den Vorjahren gibt das Rathaus dieses Mal Themenschwerpunkte vor: Um die Bereiche Arbeit, Wohnen und Bildung sollen die Ideen kreisen, welche die Trierer in den kommenden Wochen einreichen und bewerten können. Dass die Online-Plattform vor allem von Gegnern möglicher Schulschließungen genutzt werden könnte, schreckt OB Klaus Jensen (SPD) nach eigener Aussage nicht: „Wir fürchten grundsätzlich nichts, wenn Bürger sich engagieren“, erklärte er am Mittwoch. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass der Bürgerhaushalt „in höchstem Maße konstruktiv“ genutzt werde. 2012 soll die Plattform zu einem dauerhaften „Ideen- und Beschwerdemanagement“ ausgebaut werden. Zeitgleich mit dem Start des Bürgerhaushalts stellt die Verwaltung den Entwurf für das Mobilitätskonzept 2025 online zur Debatte.

TRIER. Dieser Vorschlag war von Beginn an mit dabei: „Erhalt Grundschule Pfalzel“. Schon 2009 erhoben Bürgerhaushälter diese Forderung. 2010 tauchte das Anliegen dann erneut auf, und siehe da: „Der Stadtrat hat dem Erhalt der Grundschule Pfalzel im Rahmen des Schulentwicklungskonzeptes zugestimmt“, vermerkte die Verwaltung. Weiter heißt es im Archiv der Plattform, dass „in den nächsten zehn Jahren ihre Existenz (die der Grundschule Pfalzel; Anm. d. Red.) nicht in Frage steht“.

Inzwischen ist die Zukunft der Pfalzeler Grundschule jedoch wieder mehr als fraglich. Der vorliegende Schulentwicklungsplan schlägt vor, die Grundschulen in Biewer und Pfalzel zusammenzulegen – und zwar in Biewer. Dagegen laufen Eltern, Ortsbeiräte und Vereine des Stadtteils bereits Sturm (wir berichteten). Einiges spricht deshalb dafür, dass das Thema schon bald auch im Bürgerhaushalt 2012 wieder zur Sprache kommen wird; wie überhaupt ziemlich wahrscheinlich ist, dass die in vielen Stadtteilen massiver werdenden Proteste gegen drohende Schulschließungen ein Großteil der Diskussionen im Bürgerhaushalt bestimmen werden. Ob er darin ein Problem sehe? „Wir fürchten grundsätzlich nichts, wenn Bürger sich engagieren“, kontert der OB die Frage, und es sei auch „völlig legitim“, wenn dieses Forum dazu genutzt werde, auf Anliegen aufmerksam zu machen und für berechtigte Interessen zu werben. „Wenn man davor Angst hätte, müsste man das Ganze sein lassen“, erklärt Klaus Jensen (SPD).

Mit dem Bürgerhaushalt nimmt die Moselstadt auch vier Jahre nach seiner Einführung noch immer eine Vorreiterrolle ein. In Worms werden die Bürger seit 2011 im Rahmen des Projekts „Haushalt im Dialog“ an den Etatberatungen beteiligt, doch nur in Trier hat sich das Verfahren inzwischen etabliert. Mehr als 2.300 aktive Teilnehmer habe man im vergangenen Jahr verzeichnet, berichtete Toni Loosen-Bach, Jensens Koordinator für Bürgerbeteiligung, am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz. Die Resonanz sei im bundesweiten Vergleich beachtlich, Triers Bürgerhaushalt nehme da eine Spitzenstellung ein. Und weil die Bürgerhaushälter bei ihrer Registrierung ihre Identität mitteilen müssen, sei das Missbrauchspotenzial extrem gering, so Loosen-Bach; das hätten auch Stichproben gezeigt.

Jensen sieht Aufwand gerechtfertigt

Der Bürgerhaushalt 2012 lässt sich indes nur bedingt mit denen der vorangegangenen Jahre vergleichen. 2009 und 2010 konnten die Teilnehmer noch Vorschläge zu allen nur denkbaren Themen einbringen, die auf kommunaler Ebene behandelt werden. 2011 waren dann ausschließlich Ideen gefragt, wie sich der marode Trierer Haushalt ein wenig konsolidieren lassen könnte. Für den Doppelhaushalt 2013/2014 ist das Verfahren nun nochmals geändert worden. Dieses Mal können Vorschläge für den jeweiligen Stadtteil eingebracht werden, wobei das Wohnortprinzip gilt. Ein Heiligkreuzer wird deshalb keine Anregungen machen dürfen, was sich etwa in Kürenz verändern ließe. Mit den drei am besten bewerteten Ideen sollen sich die Ortsbeiräte befassen, die sich aber auch noch die weiteren Vorschläge anschauen dürfen. Welche dann tatsächlich bei den Entscheidungen über die Ortsteilsbudgets berücksichtigt werden, wird dann wieder auf politischer Ebene entschieden.

Das gilt auch für Vorschläge für die Gesamtstadt, die ebenfalls wieder eingereicht werden können. Bis zum 14. September läuft die Vorschlagsphase, bis zum 20. September darf dann kommentiert und benotet werden. Hier kommen die 30 best bewerteten Ideen in die Endrunde, sprich in die Beratungen der zuständigen Ausschüsse, bevor dann der Stadtrat in den finalen Haushaltsberatungen entscheidet. Laut Loosen-Bach wurden im vergangenen Jahr lediglich 15 Prozent der Vorschläge vom Rat abgelehnt, viele befänden sich in der Umsetzung oder würden noch geprüft. Im Detail legt auch hierüber die Plattform im Internet Rechenschaft ab.

In diesem Jahr soll das Portal auch endlich für das schon 2011 angekündigte „Ideen- und Beschwerdemanagement“ ausgebaut werden, kündigte Jensen an. Dann könnten sich die Bürger auf diesem Wege ganzjährig und unkompliziert mit ihren Anregungen und Beschwerden an die Verwaltung wenden – und bekämen auch Antwort, verspricht der OB. Schon heute soll zudem der Entwurf des Mobilitätskonzepts 2025 online gestellt werden, auf dass die Bürger sich rege an der Diskussion beteiligen – wozu heute Abend aber auch ganz offline Gelegenheit besteht, ab 20 Uhr bei einer Veranstaltung im IHK-Tagungszentrum.

Rund 20.000 Euro lässt sich die Stadt den Bürgerhaushalt in diesem Jahr kosten, nicht mitgerechnet die vielen Stunden, welche die Verwaltungsmitarbeiter aufbringen müssen, um die Vorschläge zu ordnen und zu kommentieren. Dieser Aufwand sei „mehr als gerechtfertigt“, so Jensen, der von einem „Demokratiefortschritt“ sprach und den Bürgerhaushalt als ein Mittel sieht, gegen Politikverdrossenheit anzukämpfen. Angesichts von „nur“ 2.300 aktiven Nutzern bei etwa 105.000 Einwohnern könne man zwar behaupten, dass die Resonanz gering sei, doch wohl nie zuvor hätten sich derart viele Menschen in der Kommunalpolitik direkt eingebracht, verteidigte Jensen das Instrument.

Zum Bürgerhaushalt geht es hier.

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