„Wir brauchen eine andere Diskussionskultur“

OB Klaus Jensen (SPD) hat am Donnerstagabend im Stadtrat seinen Entwurf für den Haushalt 2012 eingebracht. Einnahmen von 281 Millionen Euro stehen Ausgaben von 337 Millionen gegenüber. Der Stadtchef fordert höhere Hebesätze bei Grund- und Gewerbesteuer und will an „vielen Stellschrauben“ drehen, um die Ausgaben zu senken. Etwa beim Theater, das mit rund 700.000 bis 800.000 Euro weniger auskommen soll. Von eine Existenzgefährdung des Theaters könne aber keine Rede sein, betonte Jensen, die Sparvorgabe sei „nötig und möglich“. Weniger ausgeben will die Stadt im Sport, 2012 wird es keinen neuen Kunstrasenplatz geben. Der OB nutzte seine Haushaltsrede auch zu einem Appell an die Fraktionen im Rat und an die Bürger: „Wir brauchen eine andere, an langfristigen Zielen orientierte Diskussions- und Entscheidungskultur“, so Jensen, der „kurzfristige Vorteil darf nicht zur Handlungsmaxime werden“.

TRIER. Wer eine Blut-, Schweiß- und Tränenrede erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Zwar hat sich Triers desaströse Haushaltslage nicht verbessert, nach wie vor lastet ein Schuldenberg von rund 600 Millionen Euro auf der Stadt. Doch Klaus Jensen wollte gestern Abend zunächst den Blick auf die positiven Seiten lenken: Die Arbeitslosenquote sei so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr, bei den Baugenehmigungen liege Trier landesweit an der Spitze, und was die Zahl der Unternehmensinsolvenzen anbelangt, liege man deutlich unterm Landesschnitt. Dass die Zahl der Studenten vor Ort ein neues Rekordniveau erreicht hat, sei ein weiterer „positiver Indikator“; zumal damit auch die Zeiten passé scheinen, als man im Rathaus bei jeder Meldung des Statistischen Landesamtes fürchtete, seinen mühsam errungenen Großstadtstatus wieder verloren zu haben.

Inzwischen liegt die Moselstadt konstant bei einer Einwohnerzahl von rund 104.000, und damit in Rheinland-Pfalz auf dem vierten Platz – vor Kaiserslautern und nur knapp hinter Koblenz. Auf die Trierer werden im kommenden Jahr höhere Steuern und Gebühren zukommen. So möchte Jensen die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer jeweils um 30 auf dann 420 Prozentpunkte anheben. Während Eigentümer von Mietwohnungen die höhere Grundsteuer auf ihre Mieter umlegen können, müssen die Unternehmen die zusätzlichen Belastungen selbst tragen. Jensen, der in den Vorjahren eine Erhöhung der Gewerbesteuer immer ablehnte, sieht nun den Zeitpunkt gekommen. Zum einen sei die Erhöhung in der aktuellen konjunkturellen Situation „vertretbar“, zum anderen hielten sich die zusätzlichen Belastungen für die große Mehrzahl der Betriebe sehr in Grenzen. Vor allem aber sei er der Meinung, dass auch die Wirtschaft ihren Beitrag zu den Konsolidierungsbemühungen der Stadt leisten müsse. Was die Grundsteuer anbelangt, verwies der OB darauf, dass manche Umland-Kommune heute schon Hebesätze von 600 und mehr Prozentpunkte habe. Zudem verlange die Teilnahme am „Kommunalen Entschuldungsfonds“ des Landes (KEF RP) „entsprechende Anpassungen der Realsteuer-Hebesätze an den Bundesdurchschnitt“.

Jensen erwartet Bauboom und Fortschritte bei „Stadt am Fluss“

Allein für die Gewerbesteuer hat der OB in seinem Etatentwurf rund 10,5 Millionen Euro mehr eingeplant als in der Vorlage für den 2011er-Haushalt. Dennoch wird auch im nächsten Jahr wieder eine große Lücke klaffen: Mit einem Jahresfehlbedarf von rund 56 Millionen Euro rechnet Jensen nach derzeitigem Stand. Der Schuldenstand der Stadt von aktuell etwa 600 Millionen Euro wird damit weiter anwachsen. Allerdings erwartet der OB mit dem Beitritt zum KEF RP auch einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Haushaltslage. Der Fonds, der ab Januar 2012 mit einer Laufzeit von 15 Jahren angelegt ist, soll Kommunen helfen, ihre Zinslast zu reduzieren. Trier muss einen Konsolidierungsanteil von rund fünf Millionen Euro jährlich aufbringen, dann könnte die Stadt über die Laufzeit des Fonds eine Entschuldungshilfe in Höhe von 205 Millionen Euro erwarten.

Jensen widersprach am Donnerstag Darstellungen, die Entwicklung der Stadt verlaufe gebremst. „Konsolidierung bedeutet nicht Stillstand“, konterte der OB die entsprechende Kritik und kündigte für 2012 eine Vielzahl konkreter Maßnahmen an. Diese sollen unter anderem im Bereich der Infrastruktur liegen, wobei der Sozialdemokrat besonders die Bereiche Umweltverbund, Wohnen und „Stadt am Fluss“ hervorhob. Im Baudezernat seien die Weichen für Projekte wie die Neugestaltung des Haltestellenbereichs an der Treviris-Passage, der künftig auch für den Radverkehr geöffnet werden soll, ebenso gestellt wie für die Fortführung des Hochwaldradwegs in Ruwer oder die Anlage eines Radwegs in der Weimarer Allee. Auch wolle man das Projekt Regionalbahn voranbringen, wobei Jensen ein weiteres Mal auf die Notwendigkeit „externer Finanzmittel“ für die Realisierung der Haltestellen verwies.

Weiter ankurbeln will die Stadt auch die Bautätigkeit, etwa entlang des Moselufers im Bereich von Aachener und Luxemburger Straße, wo attraktive Flächen für den Wohnungsbau und Dienstleistungen geschaffen werden sollen. Ein Schlüsselprojekt in Sachen „Stadt am Fluss“ stelle die anstehende Vermarktung des Edeka-Grundstücks in der Aachener Straße für Wohnungsbau und Dienstleistungen dar, aber auch die Konversion der ehemaligen Kaserne Feuvrier im Norden der Stadt. Hier, nur wenige Fußminuten von Zurlauben entfernt, sollen Wohnungen sowie Flächen für Dienstleistungen und ein Hotel entstehen. Jensen sprach von einer „ausgezeichneten Lösung“, die zu einer „großen Aufwertung des nördlichen Moselufers“ beitragen werde.

Doch auch in den Hanglagen und auf den Höhen der Stadt soll in den nächsten Jahren viel privates Geld verbaut werden: Der OB rechnet allein im Baugebiet BU 13 und dessen Umgebung mit rund 500 zusätzlichen Wohnungen. In der ehemaligen Franzosen-Siedlung in der Burgunderstraße unweit des Petrisbergs werde eine Siedlung mit 150 bis 200 Wohnungen „neu entwickelt“, weitere 500 Wohneinheiten seien in Feyen vorgesehen, wo die EGP das Konversionsprojekt „Castelnau“ in Angriff genommen hat. Große Hoffnungen setzen Jensen und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) in die EGP auch mit Blick auf Trier-West. Hier wird das Unternehmen, das aus dem ehemaligen Kasernengelände auf dem Petrisberg ein angesagtes Stadtquartier machte, ein insgesamt rund 37.000 Quadratmeter großes Gelände entwickeln. „Für das Jahr 2012 sind bereits die ersten Investitionen in Verbindung von Kreativwirtschaft und neuen Wohnformen geplant“, kündigte der OB an.

Theaterbesuch könnte teurer werden

Das lässt hoffen, dass Triers lange vernachlässigter Stadtteil zwischen Moselufer und Markusberg endlich den lang geforderten Aufschwung erfährt. Dass, wie von Kulturdezernent Thomas Egger (FDP) im Juli letzten Jahres im Gespräch mit 16vor einmal angedacht, dereinst auch Theater und Tufa in den Westen der Stadt ziehen könnten, scheint nicht mehr zu erwarten. Eine Großbaustelle wird das Theater bis auf Weiteres bleiben, und dass Intendant Gerhard Weber und seine Mannschaft einen Konsolidierungsbeitrag von rund 700.000 bis 800.000 Euro leisten sollen, hält Jensen für absolut gerechtfertigt. Es sei angesichts des Gesamtetats „nötig und möglich“, den städtischen Zuschuss um diesen Betrag zu senken. Die Gefahr, dass hierdurch die Existenz des Theaters gefährdet werden könnte, sieht Jensen nicht. Man sei sich im Stadtvorstand absolut einig, dass diese Einrichtung erhalten bleibe, betonte er. Allerdings dürfe man auch nicht verkennen, dass jede Theaterkarte aktuell mit rund 60 Euro aus dem städtischen Haushalt subventioniert werde. Jensen sieht sowohl bei den Sponsoreneinnahmen als auch bei den Eintrittsgeldern noch Luft nach oben. Da trifft es sich gut, dass ein vom Stadtrat im Mai 2010 verlangtes neues Preissystem für das Theater noch immer nicht vorliegt.

Im kommenden Jahr werden erst einmal weitere rund 500.000 Euro in die Brandschutz- und Sicherheitstechnik des Theaters fließen. Viel Geld, aber nur knapp ein Drittel dessen, was 2011 aus dem städtischen Etat in den Aufbau Ost geht. Der war dem OB am Donnerstag einen eigenen Abschnitt seiner Rede wert. Jensen verlangt, dass der Solidarpakt neu konzipiert wird. Es könne schließlich nicht sein, dass eine Stadt, „die selbst kurz vor der bilanziellen Überschuldung steht und deren Infrastruktur in Teilen sanierungsbedürftiger erscheint als die vieler ostdeutscher Städte“, weiterhin in den Solidarpakt einzahle, derweil manche Kommune in den nicht mehr ganz so neuen Ländern Rücklagen bilde. Es sei „dringend geboten“, dass künftig nicht die geographische Lage, sondern die Bedürftigkeit zum entscheidenden Kriterium des Solidarpakts werde.

Ein Bedürfnis war es Jensen am Donnerstagabend auch, auf die kommunalpolitischen Debatten der vergangenen Wochen einzugehen: „Wir brauchen eine andere Diskussions- und Entscheidungskultur“, forderte der OB und warnte: „Wer meint, im Wettstreit der Parteien kurzfristig punkten zu müssen, der versündigt sich an kommenden Generationen und schadet der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürger“. Er wisse sehr wohl, dass dies „etwas pathetisch“ klinge, schob der 59-Jährige gleich nach, doch meine er es sehr ernst. Der „kurzfristige Vorteil“ dürfe jedenfalls nicht zur Handlungsmaxime werden.

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