„Werde Ihren provinziellen Mief nicht länger stören“

„Kulturförderung für Gott und die Welt?“ lautete das Thema einer Podiumsdiskussion der Tuchfabrik am vergangenen Samstag. Die von TV-Redakteur Dieter Lintz moderierte Veranstaltung sollte die verstärkt seit März geführte Debatte um staatlich subventionierte Kunst in Zeiten knapper Kassen aufgreifen. „Kein Jammerkanon, sondern eine kontroverse Diskussion, um das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen“, hatte sich Klaus Reeh vom Vorstand der Tufa versprochen. Doch unter den fünf geladenen Diskutanten war auch der Kunsttheoretiker und notorische Selbstdarsteller Bazon Brock. Mit seinen unangebrachten Wutanfällen störte er die Gesprächsrunde und verhinderte eine tiefer gehende Auseinandersetzung.

TRIER. Seit Erscheinen der heftig umstrittenen Streitschrift „Der Kulturinfarkt“ ist die Debatte um staatlich subventionierte Kunst in Deutschland wieder in aller Munde. „Von allem zu viel und überall das Gleiche“, lautet die harsche Diagnose des Buches. Zu viele kulturelle Einrichtungen würden mit zu vielen staatlichen Geldern finanziert, so der Tenor. Mit ihrem Vorschlag, die Hälfte aller Museen, Theater, Bibliotheken und Orchester zu schließen, brachten die vier Autoren den gesamten deutschen Kulturbetrieb gegen sich auf. Klar, dass sich auch die Trierer Tuchfabrik als unmittelbar Betroffene diesem Thema annehmen muss, versteht sie sich doch nicht nur als Kunst-, sondern auch als Kommunikationszentrum. „Wir haben den Kommunikationsaspekt in letzter Zeit etwas vernachlässigt“, gestand Klaus Reeh vom Vorstand der Tufa ein. „Die heutige Podiumsdiskussion ist ein erster Schritt, diesen wiederzubeleben.“

Doch offensichtlich hält sich der Diskussionsbedarf der Trierer in Grenzen. Gerade einmal 30 Gäste kamen in den großen Saal der Tufa, um sich über die Ziele und Mittel der Kulturförderung auszutauschen. Die Moderation übernahm Dieter Lintz vom Trierischen Volksfreund. Einleitende Reden hielten Bazon Brock, Professor für Ästhetik, und der emeritierte Soziologieprofessor Alois Hahn. „Wer soll zahlen und wofür?“, fragte Hahn gleich zu Beginn und spielte in einer provokant-witzigen Einführung die verschiedenen Szenarien der Finanzierung von Kunst und Kultur durch.

Entweder würden die Konsumenten selbst für die Kunst zahlen  – das sei die von Adorno betitelte Kulturindustrie, wie sie in der Literatur oder der Unterhaltungsmusik walte – oder das Geld würde gestiftet. „Doch welche Kunstformen fördern wir und wer entscheidet, was gefördert wird? Politiker? Kunsthistoriker? Oder sollte es gar Volksabstimmungen geben?“, fragte Hahn. Man solle nicht nur die Produzenten fördern, sondern viel eher die Rezipienten schulen, verlangte er: „Wir brauchen mehr kulturmündige Bürger, sodass die Entscheidungen über fördernswerte Kunst nicht nur von Eliten getroffen werden. Wir brauchen mehr Kunstkenner im Volk.“

Auf die wirklich spannenden Fragen hatte man am Samstagabend nur wenig zufriedenstellende Antworten parat. So wurde Roman Schleimer, Leiter des städtischen Amts für Kulturmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und grenzüberschreitende Kooperationen, gefragt, anhand welcher Kriterien überhaupt entschieden werde, welche Kulturprojekte für Subventionierungen in Frage kommen und welche nicht. „Wir setzen vor allem auf Nachhaltigkeit“, erklärte Schleimer sehr formell, „also auf Konzepte, die das Kulturangebot in Trier langfristig bereichern.“ Zudem solle die finanzielle Förderung gezielt an grenzüberschreitende Kulturarbeit gehen, um eine kulturelle Zusammenarbeit mit Luxemburg, Metz und Saarbrücken zu stärken.

„Wir müssen Brücken schlagen zwischen Wirtschaft und Kulturschaffenden“, forderte Hiltrud Zock von der Kulturstiftung Trier. Mit dem Projekt „KulturEngel“ überträgt die Stiftung ein Konzept der Unternehmensberatung (die sogenannten „Business Angels“) auf die Kulturförderung. So werden Künstler in der Planung und Umsetzung ihrer Projekte beratend und finanziell durch erfahrene Unternehmer unterstützt.

Mit unter den Diskutanten, jedoch etwas deplatziert, war der Verbandsdirektor des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, Winfried Manns. Der ehemalige Bürgermeister der Stadt Konz und Kunstliebhaber hatte nur wenig zur Gesprächsrunde beizutragen. Er resümierte ein wenig über die Kulturprojekte, die er während seiner Amtszeit als Bürgermeister mitgetragen hat und gab sein Fazit: „Man braucht immer den Zuspruch der Bevölkerung.“

Eine Wortmeldung aus dem Publikum kam von einem Dramaturg des Theaters Trier. „Über die Frage, wie man die Leute ans Theater heranführe, musste man sich vor 20 Jahren noch keine Gedanken machen“, berichtete er. Er sprach sich für ein systematischeres Heranführen der Bevölkerung an Kunst und Kultur aus. „Da muss dann auch das Bildungssystem ran. Lehrer müssen ihren Schülern schon früh das Theater näherbringen“, so sein Lösungsvorschlag.

Vielleicht hätte der Diskussionsabend tatsächlich eine Chance gehabt, die Oberfläche zu verlassen und noch etwas in die Tiefe zu gehen. Doch man hatte den Kunsttheoretiker und notorischen Selbstdarsteller Bazon Brock in die Runde geladen. Schon bei seiner Eröffnungsrede zur Vernissage der Reliquien-Ausstellung im April hatte er bewiesen, wie gut er intellektuell an Themen vorbeireden kann. Kulturförderung könne es nicht geben, schließlich sei der Mensch von Natur aus Kulturwesen, begann er seine Anfangsrede, die vorzeitig von Dieter Lintz unterbrochen werden musste. Der Professor für Ästhetik wollte lieber über den Kulturbegriff als solchen philosophieren und weigerte sich vehement, die Diskussion fortzuführen, solange die anderen Diskutanten die Begriffe „Kunst“ und „Kultur“ trotz seiner Mahnungen weiterhin vermischten. „Das ist Kindergarten, was sie hier veranstalten. So eine Gequatsche auf Dorfniveau kann man sich nicht anhören“, keifte er Lintz lauthals an, der sichtlich Schwierigkeiten hatte, den aufgebrachten Avantgardisten zu beruhigen.

Unter den Gästen schien man sich zunächst uneinig zu sein, ob man angesichts Brocks Wutausbruch belustigt oder verärgert reagieren sollte. In seinem Leben habe er mindestens 20 Vereine wie die Tufa aufgezogen, erklärte der Kunsttheoretiker weiter. „Dann geben Sie doch mal konkrete Lösungsvorschläge oder verlassen Sie gefälligst die Bühne“, schimpfte einer der Anwesenden. Die Atmosphäre war angespannt bis aggressiv und die Diskussion stand kurz davor, abgebrochen zu werden, als sich Brock doch noch von seinem Platz erhob, um für den Rest der Diskussion mit verschränkten Armen im Publikum zu schmollen. „Ich werde Ihren provinziellen Mief nicht länger stören“, waren seine abschließenden Worte.

Zu dem Zeitpunkt hatte seine unangebrachte Empörung jedoch schon eine dreiviertel Stunde des Gesprächs in Anspruch genommen. Schade, denn die Debatte um die Legitimation von subventionierter Kunst in Zeiten knapper Kassen ist notwendig und muss auch auf lokaler Ebene geführt werden. Nur hat sie eine angemessenere Plattform verdient.

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