„Wer redet eigentlich von den Erwachsenen?“

„Volltanken für 5 Euro“ – mit diesem Slogan lockte kürzlich der Fachbereich III der Universität zu seiner „legendären Party“ ins Studihaus. Die Mitglieder des Stadtrats hatten weniger den Campus I als die Fußgängerzone an Weiberfastnacht 2012 vor Augen, als sie am Donnerstagabend auf Antrag der CDU über Möglichkeiten diskutierten, exzessiven Alkoholkonsum einzudämmen. In der kurzzeitig kontroversen Debatte räumten Redner aller Fraktionen ein, dass man dem Problem nur schwer Herr werden könne. Ob Trier dem Beispiel zahlreicher baden-würrtembergischer Kommunen folgen und zur Aktion „Gelbe Karte“ greifen wird, ist noch ungewiss. Stattdessen kam die „Blaue Lagune“ in der Ostallee wieder zur Sprache.

TRIER. Freitagfrüh vor dem Trierer Hauptbahnhof: Gegen 6.30 Uhr belagert bereits ein Pulk junger und nicht mehr ganz so junger Menschen die Treppe zum Empfangsgebäude. Ein Dutzend Männer, auch eine Frau ist darunter. Gemeinsam wird ein Bier nach dem anderen geleert und rasch Nachschub besorgt. Einige der Teilnehmer des frühmorgendlichen Saufgelages zeigen bereits erste Ausfallerscheinungen, bewegen sich unsicher und mit glasigem Blick auf den Stufen. Die Stimmung ist ausgelassen aber nicht überschwänglich; eigentlich liegt der Tag noch vor allen Beteiligten. Vielleicht wird man den Tag auch gemeinsam verbringen und nebenan ausklingen lassen – die Fabrikstraße am Alleencenter wird allabendlich und besonders an den Wochenenden von jugendlichen Trinkern belagert.

Das Problem ist bekannt, das Phänomen seit Jahren zu beobachten. Gerade im Umfeld des Hauptbahnhofs treffen sich täglich Dutzende Jugendliche und junge Erwachsene und geben sich die Kante. Insbesondere das Alleencenter dient als Nachschubbasis, aber auch die Tankstelle in der nahe gelegenen Ostallee. Und es sind auffallend viele sehr junge Menschen, die oft auch unter der Woche dem exzessiven Alkoholkonsum frönen.  So war es auch an Weiberdonnerstag, nur dass die Exzesse da gehäuft und für alle sichtbar auftraten. Dutzende Jugendlichen waren schon um die Mittagszeit sternhagelvoll, viele mussten mit schweren Alkoholvergiftungen in Krankenhäuser eingewiesen werden. „Wir hatten Glück, dass es keine Todesfälle gab“, beschrieb Bürgermeisterin und Sozialdezernentin Angelika Birk (B90/Die Grünen) am Donnerstagabend noch einmal die Dramatik der Situation. Die Kliniken seien „an ihre logistischen Grenzen gestoßen“, so Birk weiter, „es ist eine selbst herbei geführte Katastrophenlage entstanden“.

CDU: Konsum nicht verteufeln

Trotz der Vorfälle warnt CDU-Fraktionschef Dr. Ulrich Dempfle jedoch davor, „den Konsum von Alkohol in irgendeiner Form zu verteufeln“. Auffallend sei aber, dass viele junge Menschen „jegliche Kontrolle“ über den Konsum verlören und es auch nicht sein könne, dass während Volksfesten in Kliniken grundsätzlich doppelte Schichten gefahren werden müssten, um für die zu erwartenden Begleiterscheinungen gewappnet zu sein. „Es ist nicht nur der Weiberdonnerstag“, gab Dempfle im Stadtrat zu bedenken und erklärte: „Man muss den Umgang mit Alkohol lernen“. In ihrem Antrag schlug die CDU vor, zu prüfen, ob die in Baden-Würrtemberg bewährte Aktion „Gelbe Karte“ auch in Trier zum Einsatz kommen könnte. Hierbei arbeiten Polizei und Führerscheinstellen eng zusammen. Fällt ein junger Mensch durch extremen Alkoholkonsum auf, erhält er eine „Gelbe Karte“ – samt der Aussicht, dass der Führerschein einkassiert werden könnte oder vorerst nicht gemacht werden darf, sollten sich die Zweifel an der charakterlichen Eignung für das Führen eines Fahrzeugs verstärken. Dempfle machte klar, dass sich nach seinem Verständnis eine solche Aktion nicht nur auf Jugendliche beschränken kann. Doch hätten die Erfahrungen in Süddeutschland gezeigt, dass gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Warnung ihre Wirkung nicht verfehle.

Maria Ohlig, parteiloses Mitglied der SPD-Ratsfraktion, verwies darauf, dass der exzessive Alkoholkonsum „oft nicht sichtbar“ sei und auch viele Erwachsene betreffe. Überhaupt spiegele der Konsum der Jugendlichen häufig das Verhalten Erwachsener wider. Abschreckungsmaßnahmen führen ihrer Ansicht aber nicht weiter. „Wir müssen uns weitergehende Gedanken machen“, verlangte Ohlig. Reiner Marz von den Grünen goss sogleich Wasser in den Wein: „Wir sollten nicht so tun, als könnten wir das Problem beheben“. Auch Marz betonte, dass exzessiver Alkoholkonsum „kein Phänomen ist, das beschränkt ist auf Jugendliche“. Das zeige der Rundgang über jedes Volksfest, bei dem selbst 80-Jährige oft jedes Maß verlören. Die Forderung der CDU, die Schulen sollten an Weiberfastnacht regulären Unterricht abhalten oder eine schulinterne Veranstaltung ausrichten, bezeichnete der Grüne als „absolut weltfremd“. Besser sei es, diesen Tag schulfrei zu machen, dann kämen viele der Jugendlichen erst gar nicht so früh in die Stadt und die aus Umland blieben vielleicht ganz weg, meint Marz.

SPD spricht von Doppelmoral

FWG-Chef Hermann Kleber sagte, die Vorschläge der CDU bedürften einer „gründlichen Prüfung“. Doch wie zuvor schon Marz dämpfte auch der Professor die Erwartungen: „Ich glaube nicht, dass es gelingen wird, das Problem schnell und dauerhaft zu beheben“. Felix Brand (FDP) rief in Erinnerung, dass das Problem viel weiter reiche: „Wir reden auch von Drogenmissbrauch“. Der Liberale sprach sich für „Prävention vor Repression“ aus. Zugleich müsse die Stadt aber „ein Zeichen setzen“, dass sich Vorfälle wie an Weiberfastnacht in Trier nicht wiederholen dürften. „Wer redet eigentlich von den Erwachsenen?“, warf Linde Andersen abschließend ein. Zu diesem Zeitpunkt hatten zwar schon mehrere Redner über die Verantwortung der Erwachsenen gesprochen, doch die Linke wollte noch einmal deren „Fürsorgepflicht“ unterstreichen.

Beinahe wäre der Tagesordnungspunkt in großer Harmonie abgehandelt gewesen, hatten sich alle Fraktionen im Grundsatz doch schon auf eine Kombination zwischen dem CDU-Antrag und einem Ergänzungsantrag der SPD geeinigt, der vorsieht, dass ein Runder Tisch unter Federführung des Jugendamts nun ein Konzept erarbeitet. Doch dann griff SPD-Fraktionschef Sven Teuber den Aspekt der „Doppelmoral“ auf und verschärfte so kurzzeitig den Ton der Debatte: Es sei doch eine Mehrheit desselben Stadtrats gewesen, die sich für eine Fortführung der Tankstelle in der Ostallee ausgesprochen habe – obwohl oder gerade weil man dort rund um die Uhr Alkohol kaufen könne. Es sei aber notwendig, das Thema exzessiver Alkoholkonsum „bei allen Themen im Hinterkopf zu behalten“. Dempfle wies den Vorwurf zurück: „An Weiberfastnacht um 11.11 Uhr hat kein Jugendlicher auch nur ein Gramm Alkohol an der Tankstelle gekauft“, behauptete der Unionsmann. Peter Spang (FWG) warf ein, dass man das Thema Alkoholverkauf sehr wohl auch bei der Entscheidung über die „Blaue Lagune“ angesprochen habe.

Die „legendäre Party“ des Fachbereichs III endete derweil für eine Besucherin mit einem bösen Erwachen. Die 19-Jährige wurde am frühen Morgen des 11. Mai nur wenige Hundert Meter vom Studihaus entfernt Opfer eines Sexualdelikts (wir berichteten). Wie die Polizei am Freitag auf Anfrage mitteilte, hat sich bislang nur ein möglicher Zeuge gemeldet. Da die junge Frau selbst sehr stark alkoholisiert gewesen sein soll, gestalteten sich die Ermittlungen als besonders schwierig.

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