„Was will man machen?“

Mit einem massiven Polizeiaufgebot und flächendeckendem Alkoholverbot ist am Donnerstag in der Trierer Innenstadt die Weiberfastnacht über die Bühne gegangen. Die weitreichenden Maßnahmen verhinderten, dass es zu Exzessen wie 2012 kommen konnte, als Rettungskräfte mehr als 60 junge Menschen in Krankenhäuser einliefern mussten und Dutzende Straftaten verzeichnet worden. Aus Sicht der Verwaltung ist das Konzept aufgegangen, bei der Polizei spricht man von einer „entspannten Atmosphäre“. Doch die Diskussion im Vorfeld und die geballte Polizeipräsenz hatten auch zur Folge, dass viele Narren dem Treiben fernblieben. So kamen kaum mehr als 300 Karnevalisten auf den Hauptmarkt, wo das Geschehen bisweilen unfreiwillig komische Züge annahm. Ordnungsdezernent Thomas Egger (FDP) verteidigte die Maßnahmen und kritisierte eine Protestaktion der Jungen Liberalen.

TRIER. Als Christel Hontheim-Monz am Donnerstag ihr Haus verlässt, wähnt sie sich in einem „Belagerungszustand“: Nur einen Steinwurf von ihrem Zuhause entfernt reiht sich ein Rettungswagen an den anderen, haben zahlreiche Einsatzfahrzeuge Position bezogen. In der Toni-Chorus-Halle ist ein Zentrum für die Erstversorgung von Verletzten eingerichtet worden. Sie habe sich gefühlt, „als wäre der Krieg ausgebrochen“, klagt Hontheim-Monz wenig später auf dem Hauptmarkt. Die erklärte Närrin steht am einzigen Getränkestand weit und breit. Statt Alkohol gibt es an diesem Tag schwarzen Tee, Mineralwasser und alkoholfreies Bier – auch eine Maßnahme des umfassenden Sicherheitskonzepts.

Das zeigt schon früh Wirkung, allerdings auch eine durchaus unerwünschte: Eine Dreiviertelstunde vor 11.11 Uhr ist der Hauptmarkt beinahe menschenleer. Die wenigen Gruppen, die sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Platz aufhalten, formieren sich fast ausschließlich aus Mitarbeitern des Ordnungsamts, Polizeibeamten und Medienvertretern. Ein Wagen des ZDF fährt vor, parkt gleich neben dem Kiosk; ein Kamerateam von RTL ist auf der Suche nach brauchbaren Bildern; der Südwestrundfunk fängt O-Töne ein. Auf der Bühne versucht der Moderator, Stimmung zu machen. Kein leichtes Unterfangen angesichts der gähnenden Leere, die sich vor ihm auftut. Ein Schunkelwalzer schallt über den Platz. Christel Hontheim-Monz schnappt sich jetzt einen Bekannten und tanzt übers Pflaster. Mag es um ihre Stimmung auch nicht zum Besten bestellt sein – den Spaß will sich die Freundin des organisierten Frohsinns nicht vollends verderben lassen. Auch der Moderator schunkelt weiter auf der Bühne, bis er seine erkennbar erfolglosen Bemühungen erst einmal aussetzt und durchs Mikro seufzt: „Was will man machen?“

Jürgen Schlich hat zu diesem Zeitpunkt noch Hoffnung. Der Präsident der Trierer Prinzenzunft lehnt am Getränkestand. Lange kann es nicht mehr dauern, bis die zentrale Kundgebung startet, auf der OB Jensen den Stadtschlüssel abgeben soll. Der Tross vom Rathaus hat sich schon in Bewegung gesetzt. „Wir hoffen, unser Prinz bringt in seinem Gefolge noch 1.000 Leute mit“, sagt Schlich und schmunzelt. Ein paar Minuten später marschieren Prinz, Stadtgarde und Oberbürgermeister auf, doch am Ende werden kaum mehr als 300 Narren den Hauptmarkt „bevölkern“. Es sind vor allem hart gesottene Jecken, die sich von Polizeipräsenz und Zugangskontrollen nicht abschrecken ließen. Männer wie Willi Morbach, langjähriges Mitglied der KG Heuschreck. Zwar sei im Vergleich zu den Vorjahren „nur ein Bruchteil der Leute“ gekommen, aber ihm habe es dennoch gefallen. Und was sagt er zu den massiven Sicherheitsvorkehrungen? Mit denen könne er leben, antwortet Morbach, „aber das Problem liegt eigentlich eher bei den Eltern, die ihre Kinder nicht richtig erzogen haben“.

Arianit Demaj und Alex Steiger machen einen wohlerzogenen Eindruck, als sie völlig nüchtern vom Hauptmarkt kommend über den Domfreihof schlendern. „Wir haben damit gerechnet, dass weniger los ist als letztes Jahr. Aber das so gar nichts los ist…“, sagt Steiger und lässt den Satz unvollendet. Er werde nun in sein Heimatdorf Bekond fahren und dort feiern, kündigt er an und tritt enttäuscht den Nachhauseweg an. Sein Kumpel will später im Ex-Haus vorbeischauen. Klar, sagen beide, nach den Exzessen des vergangenen Jahres habe die Stadt etwas unternehmen müssen; doch die Schüler finden, dass das Sicherheitskonzept übers Ziel hinausgeschossen ist und viele Jugendliche abgeschreckt hat. Das findet auch Heike Baasch, die auf dem Hauptmarkt eine Art Ein-Frau-Demo veranstaltet. Baasch kredenzt auf einem Teelöffel Würfelzucker, darauf ein paar Tropfen Klosterfrau Melissengeist – Alkoholgehalt: 78 Prozent. Sie habe die Medizin in der Apotheke besorgt, verteidigt Baasch ihren Akt des zivilen Ungehorsams. „Der Alkohol ist sehr gesund, wenn du nicht zu viel nimmst in den Mund“, reimt sie ihr Credo.

Allerdings weiß auch Baasch, dass im vergangenen Jahr viel zu viele junge Menschen den Mund viel zu voll nahmen – und einige das beinahe mit ihrem Leben bezahlten. Was sich damals in Trierer Krankenhäusern und auf Straßen und Plätzen abspielte, ist den Einsatzkräften noch lebhaft in Erinnerung. Auch OB Klaus Jensen erinnert sich, wie er nachmittags beinahe über jugendliche Alkoholleichen stolperte. Dem Stadtchef ist allerdings auch nicht entgangen, dass an diesem Fastnachtsdonnerstag zur offiziellen Fete der Arbeitsgemeinschaft Trierer Karneval deutlich weniger junge Menschen kamen als in den Vorjahren. „Ich finde das schade“, sagt er, doch stehe für ihn zunächst im Vordergrund, dass es nicht ein weiteres Mal zu Exzessen gekommen ist.

Aus Sicht der Verwaltung ist das Sicherheitskonzept denn auch „voll und ganz aufgegangen“. Das Alkohol- und Glasverbot in den ausgewiesenen Bereichen der Innenstadt sei, von wenigen Ausnahmen abgesehen, befolgt worden, die Rettungskräfte hätten bis zum frühen Donnerstagabend kaum aktiv werden müssen, berichtet der für die Rettungsdienste zuständige Einsatzleiter Andreas Kirchartz von der Berufsfeuerwehr. Die zu betreuenden Patienten in der mobilen Einsatzzentrale in der Toni Chorus-Halle ließen sich bis 17 Uhr an einer Hand abzählen. Insgesamt war die Berufsfeuerwehr mit 83 Kräften und rund 20 Fahrzeugen im Einsatz. „Es war für uns ruhiger, als an manchen ganz normalen Werktagen“, so Kirchartz.

Auch der Leiter des Kommunalen Vollzugsdienstes des städtischen Ordnungsamts, Roman Schmitz, zeigte sich zufrieden: „Es gab für uns keine Probleme in der Innenstadt, diesmal konnte harmonisch und fröhlich gefeiert werden.“ Großen Zulauf verzeichnete eine Alternativ-Veranstaltung im Ex-Haus mit über 600 jungen Teilnehmern. Sie wurde vom Jugendamt der Stadt unterstützt und mit betreut. Auch hier wurden keine besonderen Vorkommnisse bekannt. Jensen und Ordnungsdezernent Thomas Egger kündigten an, man werde nach den Fastnachtstagen Bilanz ziehen und dann gemeinsam über die Vorgehensweise im kommenden Jahr beraten. Aus polizeilicher Sicht hat die breite Diskussion in Zusammenhang mit den Vorkommnissen an Weiberfastnacht 2012 und die gemeinsame Konzeption von Polizei, Stadt, Schulaufsicht, Jugendamt und Veranstalter Früchte getragen. „Die erste Bilanz am späten Nachmittag ist im Vergleich zum Vorjahr sehr positiv“, erklärte Polizeidirektor Werner Funk. Die Polizei war mit rund 160 Beamten im Einsatz, auch Kollegen aus Luxemburg halfen aus.

Bis 17 Uhr seien lediglich fünf Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren in alkoholisiertem Zustand angetroffen und in Obhut genommen, darunter ein Mädchen mit einem Alkoholpegel von 2,2 Promille. Auch die in der Altstadt verhängte Alkoholverbotszone sei „weitestgehend respektiert“ worden. Bis zum frühen Abend wurden bei den Kontrollen durch Polizei, Ordnungs- und Jugendamt 43 Verstöße gegen dieses Verbot registriert, außerdem zwölf Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz in Zusammenhang mit Alkoholkonsum. In den allermeisten Fällen wurde der mitgeführte Alkohol an Ort und Stelle vernichtet. An den Kontrollstellen habe „eine sehr entspannte Atmosphäre mit viel Verständnis für die Maßnahmen“ geherrscht, so die Polizei. Aufgrund der ruhigen Lage habe man die Einsatzkräfte in der Innenstadt im Verlauf des Tages deutlich reduzieren können. Einige der Beamten wurde allerdings gleich zum nächsten Einsatz gerufen – am Bahnhof hatte ein herrenloser Koffer eine Räumung von Straßen und Geschäften nötig gemacht. Dass anders als im vergangenen Jahr bis zum späten Nachmittag keine Schlägereien, Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen registriert wurden, spreche ebenfalls für das Konzept.

Nach Meinung der Jungen Liberalen waren die Maßnahmen zu drastisch. Eine Handvoll Julis hatte mit gelber Farbe seinen Widerstand gegen das Alkoholverbot aufs Pflaster gesprüht, auch FDP-Bundestagsdirektkandidat Henrik Meine war bei der Protestaktion mit von der Partie. Der liberale Ordnungsdezernent zeigte sich wenig begeistert von der Kampagne des freidemokratischen Parteinachwuchses: „Ich finde es nicht angemessen, in diesem Zusammenhang Politik zu machen“. Christel Hontheim-Monz würde sich derweil eine Lockerung des Sicherheitskonzepts wünschen. „Das ist schon sehr ernüchternd hier“, bemerkte sie, noch bevor der Tross mit Prinz und OB den Hauptmarkt betrat. Für knapp eine Stunde hatten die überzeugten Narren ihren Spaß, dann schon räumten sie das Feld.

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