VRT-Austritt vom Tisch, Streit um „Moko“-Vorlage

Vor fast acht Jahren beschloss der Stadtrat die Aufstellung eines Mobilitätskonzepts. Derart lange dauerte die Realisierung des Vorhabens, das aus dem „Moko 2020“ zwischenzeitlich ein „Moko 2025“ wurde. Am Dienstag soll das Konzept beschlossen werden, doch auf der Zielgeraden gibt es noch Streit. So fand die Verwaltungsvorlage im zuständigen Ausschuss keine Mehrheit, stattdessen votierte eine seltene Koalition aus SPD, Grünen, FDP und Linke für einen neuen Beschlusstext, gegen den die FWG stimmte; die CDU enthielt sich. Hintergrund der Auseinandersetzung: Manche im Rat fürchten, das neue Konzept könne ähnlich folgenlos bleiben wie das von 1992. Folgenlos bleibt vorerst der wiederholt angedrohte Austritt der Stadt aus dem VRT: Wie von 16vor am vergangenen Sonntag berichtet und nun auch offiziell bestätigt, kommt Trier aus dem Verbund nicht heraus. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) warnt derweil vor einem Auseinanderbrechen des VRT.

TRIER. Als der Steuerungsausschuss am vergangenen Donnerstagabend über den Verbleib der Stadt im Verkehrsverbund der Region Trier beriet, was die Diskussion schon nach wenigen Minuten beendet. Es gab auch nicht mehr viel zu debattieren, hatte sich zwischenzeitlich doch herausgestellt, dass Trier mindestens zwei der vier beteiligten Landkreise dafür gewinnen müsste, einem Austritt der Stadt aus dem VRT zuzustimmen. Weil ein Austritt Triers aus dem Verbund aber dessen faktisches Ende bedeuten würde, machte sich auch CDU-Ratsmitglied Thomas Albrecht keine Illusionen mehr über die Lage. Der Jurist hatte sich kundig gemacht und musste einräumen, dass es theoretisch zwar die Möglichkeit gäbe, einen Austritt zu erklagen, doch stünden die Aussichten eines solchen Unterfangens denkbar schlecht.

Auf einen langwierigen Rechtsstreit will man sich in Rat und Verwaltung ohnehin nicht einlassen. Hier hofft man vielmehr, dass die anderen beteiligten Akteure den Schuss gehört haben. Am 27. November lehnte die Verbandsversammlung des VRT eine von der Stadt geforderte Verkürzung der Kündigungsfrist, die ja auch niemand mehr braucht, zwar ab, doch heißt es in dem Beschlusstext, der 16vor vorliegt, auch: „Die Verbandsversammlung erkennt die Probleme, die die Struktur des VRT dem ÖPNV der Stadt Trier bereitet und die sich daraus ergebenden Probleme für den gesamten VRT. Es soll daher ein strukturierter Prozess zur Weiterentwicklung der Verbundstrukturen eingeleitet werden.“ Albrecht wie auch Rainer Lehnart (SPD) sowie Christiane Probst (FWG) zeigten sich in der Sitzung des Steuerungsausschusses zuversichtlich, dass am Ende ein Ergebnis stehen könnte, das einen Verbleib Triers im Verbund wieder attraktiv macht. Anja Reinermann-Matatko verlangte indes, dass nicht nur über die Tarifstrukturen gesprochen werde: Es müsse auch über die Option beraten werden, neue Partner mit ins Boot zu holen. Und dann deutete Albrecht eine, wenn auch wieder eher theoretische Möglichkeit an, den Verbund doch noch zu sprengen – indem sich die Stadtwerke zurückziehen. Aber, stellte der Unionsmann sofort klar, das wolle ja eigentlich niemand. Und Lehnart betonte den grundsätzlichen Vorteil eines Verbundtarifs, sagte aber auch: „So, wie es bislang gelaufen ist, kann es nicht mehr weitergehen“.

Unterdessen warnt der rheinland-pfälzische Landesverband des Verkehrsclubs Deutschland vor einem Auseinanderbrechen der Verbünde VRT und VRM (Koblenz): „Es ist sozial, ökologisch und raumpolitisch unverantwortlich, in unserer mobilen Gesellschaft das Bus- und Bahnangebot weiter herunterzufahren und für den Fahrgast unerschwinglich zu machen“, erklärte VCD-Landeschefin Helga Schmadel. Der ÖPNV stelle nicht nur die Mobilität von älteren Menschen und Menschen ohne Pkw sicher, sondern sei auch die umweltfreundliche Alternative zum Autofahren. „Gerade in dieser Rolle muss man den Nahverkehr attraktiver machen, um Menschen zum Umsteigen vom eigenen Pkw zu bewegen“, so Schmadel. Die Verbesserung des Angebots muss aus Sicht des VCD nicht nur durch eine dichte Taktung im innerstädtischen Raum erfolgen.

Vielmehr sei „gerade im ländlichen Raum durch alternative Bedienungsformen wie beispielsweise Rufbussysteme, eine bessere Anbindung der Bevölkerung zu schaffen“. Schmadel weiter: „Aktive Information über Angebot und Tarife und gezieltes Marketing sind wichtige Ergänzungen eines gut abgestimmten ÖPNV-Netzes“. Die Lösung der Probleme liege jedenfalls „nicht im weiteren Kaputtsparen des Nahverkehrs“.  Zur Sicherung des Angebots sollten nach dem Willen des VCD auch öffentliche Mittel aus dem Landeshaushalt oder den Kreisen eingesetzt werden. Die beschlossene Preiserhöhung von mehr als sechs Prozent zum Januar müsse dringend zurückgenommen werden. „Finanzierungsdefizite sollten nicht weiter durch Preissteigerungen aufgefangen werden, da man so nur weitere Fahrgäste verliert“. Dass diese Forderung des VCD Gehör finden wird, kann als nahezu ausgeschlossen gelten.

Nicht völlig ausgeschlossen scheint, dass es am Dienstag noch einmal turbulent im Rat werden könnte. Denn dann soll über das Mobilitätskonzept 2025 entschieden werden. Optimistisch formuliert liefert das mehrere Hundert Seiten dicke Werk, dessen Erstellung der Stadtrat vor sieben Jahren und neun Monaten beschloss, eine Art Blaupause für eine städtische Verkehrswende – hin zu einem stärkeren Anteil des Umweltverbunds am Gesamtverkehrsaufkommen. Wohl kein zweites Papier wurde derart intensiv beraten, selten saßen so viele Akteure mit im Boot – vom ADAC bis zum Seniorenbüro, vom ADFC bis zum Hotel- und Gaststättenverband. Doch auf den letzten Metern kam der Prozess dann doch wieder ins Schlingern. Nach Informationen von 16vor stieß die ursprüngliche Vorlage der Verwaltung in der vorvergangenen, nicht öffentlichen Sitzung des zuständigen Dezernatsausschusses auf starke Vorbehalte. Der Beschlusstext sei zu unverbindlich, wurde moniert. Daraufhin formierte sich eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Fraktionen und feilte noch einmal am Antragstext. Im Kern habe man nun einfach mehrere Formulierungen, die ursprünglich in der Begründung standen, in den eigentlichen Antragstext übernommen, berichtet ein Teilnehmer der Arbeitsgruppe gegenüber 16vor.

Als der Bauauschuss in der vergangenen Woche, erneut in nicht öffentlicher Sitzung, über die überarbeitete Vorlage abstimmen sollte, bildete sich eine eher ungewöhnliche Koalition: SPD, Grüne, FDP und Linke sorgten für eine Mehrheit, womit die Verwaltungsvorlage vom Tisch war. So steht am Dienstag im Stadtrat genau genommen nicht mehr die Verwaltungsvorlage zur Abstimmung, sondern die der vier Fraktionen. Die FWG stimmte gegen das neue Papier, die CDU enthielt sich. Nachfrage bei Thomas Albrecht, dem verkehrspolitischen Sprecher der Unionsfraktion. Abstimmungsergebnisse in nicht öffentlichen Sitzungen seien vertraulich, offenbar habe da jemand gegen die Gemeindeordnung verstoßen, schickt er voraus, um dann doch zu bestätigen, dass sich seine Fraktion enthalten hat. „Das Konzept kann wie jedes Konzept höchstens in der Zielsetzung eine gewisse Verbindlichkeit besitzen, die wir auch unterstützen, niemals aber bezüglich einzelner Maßnahmen!“, argumentiert Albrecht. Der Unionsmann verweist darauf, dass seine Fraktion beispielsweise die Umwandlung einer Fahrspur im Alleenring in eine Umweltspur ablehne, dafür andere Fraktionen gegen Projekte wie den Moselaufstieg seien. Bei konkreten Maßnahmen müsse eben „von Fall zu Fall“ entschieden werden, doch entscheiden könne nur der Stadtrat.

Rainer Lehnart hingegen verteidigte die Erstellung einer neuen Vorlage: „Damit das Moko für die daraus resultierenden Beschlüsse eine gewisse Verbindlichkeit erhält, sonst wäre es ein unverbindlicher Ulk, war es für die SPD wichtig, dass bereits im Beschlusstext klare Aussagen über die enthaltenden Hauptmaßnahmen und deren Kernprojekte klar benannt werden. Aus diesem Grunde hat die SPD die Initiative ergriffen und in diesem Sinne einen neuen Beschlusstext vorgelegt, der im Tenor eine Mehrheit bekam und so zu der neuen Stadtratsvorlage führte“, berichtet der Sozialdemokrat.

Heftige Kritik kommt von den Grünen: Zwar sprechen sie von einem „deutlichen ersten Schritt in Richtung Verkehrswende“, doch würden die Ziele „im weiteren Verlauf des Konzepts dadurch konterkariert, dass das Moko zu einer großen Stoffsammlung geworden ist, aus der sich alles basteln lässt“. Das Moko sei „nicht als integriertes Konzept entwickelt“ worden, stattdessen fänden sich die verschiedenen Verkehrsträger „allzu oft dem Anschein nach gleichberechtigt nebeneinander“, kritisiert Anja Reinermann-Matako. „Nicht nur knappe Finanzmittel und begrenzte personelle Ressourcen zwingen uns dazu, klare Prioritäten zu setzen. Und dies nicht allein auf der Ebene der allgemeinen Zielformulierung, sondern gerade auch bei der Reihenfolge der konkreten Maßnahmen. Damit die Verwaltung auf der Grundlage des Moko nicht nur nach eigenem Ermessen ins Blaue hinein plant“, so die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Ratsfraktion Die Verwaltung müsse sich vor allem mit der Umsetzung „der kleinen, kostengünstigen Maßnahmen“ beschäftigen, forderte sie. Mit dem gemeinsamen Änderungsantrag von Grünen, SPD, Linke und FDP im Dezernatsausschuss, der die Grundlage für die neue Vorlage bildet, werde nun auf klare Prioritäten gesetzt, „statt auf einen Gemischtwarenladen der Beliebigkeit“.

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