So schnell wie möglich?

Moselaufstieg und Nordumfahrung abmoderiert, Fernverkehr weitgehend eingestellt. Die Zweigleisigkeit nach Luxemburg lässt auf sich warten, und nun bestätigt der SPNV-Nord, dass die Reaktivierung der Westtrasse nicht vor 2018 kommen wird. Die Verkehrspolitik der rot-grünen Landesregierung in der Region droht zur Farce zu werden. Dass man es in Trier nicht vermag, sich in Mainz und Berlin Gehör zu verschaffen, macht die Lage nicht besser. So hätte der OB den Stadtrat bis Ende Oktober über die Ergebnisse seiner Sondierungen in Sachen Westtrasse informieren müssen. Doch Klaus Jensen fehlen offenbar bis heute verlässliche Zusagen der Landesregierung, und auch Malu Dreyer (SPD) macht wenig Hoffnung, dass bald Nägel mit Köpfen gemacht werden. 

TRIER. Auch abseits von Metropolen möchten Menschen sich fortbewegen. Und sei es nur, um für ein paar Stunden oder Tage der Enge des Moseltals zu entfliehen oder komfortabel zur Arbeit und wieder zurück zu pendeln. Das wird den Trierern nun erschwert, denn mit dem am Sonntag inkraft getretenen Fahrplanwechsel ist der größte Teil des bisherigen Fernverkehrsangebots gekappt worden. Stattdessen trat ein Ersatzfahrplan in Kraft, der nur dank der Unterstützung der luxemburgischen Staatsbahn CFL zustande kam.

Doch immerhin im Nahverkehr schienen sich spürbare Verbesserungen abzuzeichnen, seit im Sommer 2008 die damalige SPD-Alleinregierung die Reaktivierung der Westtrasse auf die politische Agenda setzte. Ein Projekt, das zuvor nur ein paar Eisenbahnfreunde auf dem Schirm hatten. Der seinerzeitige Verkehrsminister Hendrik Hering (SPD) und der Chef des SPNV-Nord stellten das Vorhaben in einen Zusammenhang mit dem Start des Rheinland-Pfalz-Takts 2015, der im Dezember 2014 erfolgen soll. Am Montag nun erklärte der Zweckverband gegenüber 16vor: „Der SPNV-Nord plant die Reaktivierung der Weststrecke für das Fahrplanjahr 2018, beginnend zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017“. Damit bestätigte man in Koblenz einen Bericht des Trierischen Volksfreunds. Weiter heiß es: „Eine Realisierung bereits für 2015 war zumindest vom SPNV-Nord nie in Aussicht gestellt worden. So gesehen gibt es auch keine Verzögerungen“.

Aus 2015+ wird frühestens 2018

Keine Verzögerungen? Ist das nun Chuzpe oder eine neue Form der Vorwärtsverteidigung nach erfolgtem Bremsmanöver? Noch im Mai diesen Jahres hatte derselbe Zweckverband auf die Frage, „zu welchem frühestmöglichen Zeitpunkt (…) der SPNV-Nord eine Wiederaufnahme des Personenverkehrs auf der Westtrasse für denkbar“ halte, kurz und knapp erklärt: „Dezember 2014“. Richtig ist aber auch, dass SPNV-Chef Dr. Thomas Geyer zuvor schon die Formulierung „2015+“ als Starttermin gewählt hatte. Dass aus 2015+ nun 2018 wird, zeigt, welchen Stellenwert die Verkehrsproblematik der Stadt und ihres näheren Umlands in Mainz genießt.

Das Land sponsert ein Formel-1-Wochenende mit einem zweistelligen Millionenbetrag, steckt Hunderte Millionen in einen Freizeitpark am Nürburging, der sich zu einem wirtschaftlichen Fiasko entwickelt, und leistet sich einen Landeplatz in Zweibrücken, von dem aktuell alle zwei Tage ein Flugzeug startet. Doch für Haltepunkte entlang der voll funktionstüchtigen Westtrasse fehlen das Geld und der politische Wille. Dabei könnten von einer Reaktivierung der Strecke und einem Ausbau der Bahnverbindungen nach Luxemburg Tausende Pendler profitieren; außerdem Reisende, die über das Großherzogtum nach Belgien und Frankreich wollen. Es ist auch mehr als nur eine Frage des Prestiges, ob Trier und Luxemburg im Fernverkehr der Bahn AG auftauchen. Denn es macht schon einen Unterschied, ob man in Koblenz in einen der nicht selten überfüllten Regionalexpresszüge oder gar in eine fast zwei Stunden durchs Moseltal zockelnde und an Stationen wie Pommern, Müden oder Löf haltende Regionalbahn umsteigen muss. Ganz zu schweigen von Geschäftsreisenden, die andernorts wie selbstverständlich die Bahn nutzen, in der Region aber kein adäquates Angebot vorfinden.

Doch nichts drang aus dem Rathaus nach außen, als die Pläne der Bahn publik wurden. Weder von OB Klaus Jensen (SPD) noch von Kultur- und Tourismusdezernent Thomas Egger (FDP) ist bekannt, dass sie frühzeitig intervenierten. Mag sein, dass sich Konzernchef Grube auch dann nicht hätte umstimmen lassen, aber dass von städtischer Seite keinerlei Widerstand zu vernehmen war, muss den Bahn-Managern wie eine Ermutigung vorkommen, beim nächsten Mal erneut keine Rücksicht auf Trierer Interessen zu nehmen. Erst als die Entscheidung gefallen war, bequemte sich der Stadtrat zu einer Resolution. Inzwischen jedoch hat es den Anschein, als stünde der Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster (CDU) mit seinem öffentlichen Protest allein auf weiter Flur.

Derweil hat Jensen erkennbar Mühe, konkrete Zusagen für das Projekt Westtrasse zu erhalten. „Ich habe immer klar gesagt, dass die Stadt keine Bahnhöfe bauen kann. Das Land ist da absolut gefordert und wir werden in der Sommerpause die Gespräche führen. Die Reaktivierung der Westtrasse ist auch deshalb von Bedeutung, weil wir hier nicht erst in 15 oder 20 Jahren wie beim Moselaufstieg etwas zur Entlastung der Verkehrssituation beitragen können, sondern schon relativ kurzfristig“, erklärte der Stadtchef im Juni im Interview mit 16vor. Nur zwei Tage später beschloss der Rat mit großer Mehrheit einen Antrag der SPD, mit dem Jensen dazu aufgefordert wurde, Druck zu machen – auf dass Mainz über die immer wiederkehrenden Absichtserklärungen hinaus endlich verbindliche Ansagen in Sachen Westtrasse mache, vor allem was den Bau zweier Haltepunkte anbelangt. In dem Antrag heißt es: „Der Oberbürgermeister informiert in den zuständigen Gremien bis spätestens Ende Oktober 2011 über die Verhandlungsergebnisse und mögliche Realisierungszeiträume, um mögliche Planungen im Haushalt 2012 verankern zu können und handlungsfähig zu sein“.

OB lässt Frist verstreichen

Die gesetzte Frist hat der OB nicht eingehalten, und offenbar hätte er den Ratsmitgliedern auch wenig berichten können, wie eine Anfrage von 16vor ergab: „Nach jetzigem Stand kann gesagt werden: SPNV und Land und natürlich auch die Stadt wollen die Weststrecke“, teilte ein Sprecher der Verwaltung am Montag mit und zitierte den OB mit den Worten:“Wir werden darauf drängen, dass die Planungen und der Bau so schnell wie möglich erfolgen.“ Jensen werde noch vor Weihnachten ein weiteres Gespräch mit Minister Roger Lewentz (SPD) über die Finanzierung der Haltepunkte führen. Was die „Vorentwurfsplanung und die Feststellung von Potentialen“ anbelangt,  sei eine Ausschreibung erfolgt. Im städtischen Haushalt für 2012, der an diesem Donnerstag verabschiedet werden soll, sind für die Reaktivierung der Westsstrecke keine Mittel eingestellt. Allerdings habe man für das kommende Jahr 120.000 Euro Planungsmittel für den Haltepunkt Hafenstraße/Mäusheckerweg vorgesehen, betont man am Augustinerhof.

Auch Triers SPD-Chefin und Landtagsabgeordnete Malu Dreyer, die in Mainz mit am Kabinettstisch sitzt, kann wenig Hoffnung machen, dass endlich Bewegung in das Vorhaben kommt. Die Nachricht, dass die Reaktivierung der Westtrasse nicht vor Ende 2017 kommen wird, hat Dreyer nach eigener Aussage „überrascht“ der Zeitung entnommen. „Ich stehe in dieser Frage im engen Kontakt mit dem Innenministerium und habe mich auch jetzt sofort wieder an das Innenministerium gewandt“, erklärte sie am Montag, und dass sie sich. „mit aller Kraft“ dafür einsetzen werde, dass die Reaktivierung „möglichst rasch realisiert wird“. Der Staatssekretär im Innenministerium habe ihr bestätigt, „dass die Vorplanungen regulär laufen“. Land und Stadt müssten eine gemeinsame Lösung finden, um den Bau der erforderlichen Bahnhöfe „möglichst schnell“ umzusetzen.

Das alles klingt nicht nach einem abgestimmten und belastbaren Fahrplan, und so dürften SPD, Grüne und OB Klaus Jensen schon bald in Erklärungsnot kommen. Schließlich begründeten sie ihre Ablehnung des Moselaufstiegs vor allem mit der Notwendigkeit, in der Verkehrspolitik umzusteuern und dem Umweltverbund zu einem neuen Schub zu verhelfen. Fragt sich, woher dieser Schub kommen soll.

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