Spielzeug als Designobjekt

Wolfgang Ohlig alias VISEone mit einem noch unbearbeiteten "Platform Toy", hier ein sogenannter Munny. Foto: Marcel PingerWenige Künstler schaffen es, über die Grenzen ihrer jeweiligen Szene hinaus bekannt zu werden. „VISEone“ alias Wolfgang Ohlig ist dies gelungen. Seine Skulpturen und Designer Toys sind dabei alles andere als das, was in klassischen Galerien zu finden ist. Dennoch stellte der Trierer schon in New York aus und versteigerte vor kurzem auf einer prominent besuchten Spendengala sechs Einzelanfertigungen für mehrere Tausend Euro. Zudem betreibt der Spielzeugdesigner eine Agentur für Urban Art Consulting und ist Mitinhaber der Agentur Adams.

TRIER. Wolfgang Ohlig blickt in seinem Trierer Agenturbüro auf einen riesigen Flachbildschirm. Ein Teil seiner Werke entsteht am Rechner. Seine Arbeit unter dem Pseudonym „VISEone“ fällt weitgehend unter die Sparte „Urban Art“, er benutzt dabei wahlweise spezielle 3D-Software oder modelliert selbst an seinen Plastiken.

Der 44-Jährige sieht seine Herkunft in der Hip-Hop- und Graffiti-Szene und wurde damit auch künstlerisch sozialisiert. Trotzdem folgte nach der Schule – ganz traditionell – eine klassische Ausbildung als Werbegestalter und Dekorateur. In diesem Beruf arbeitete er jedoch nie, stattdessen verfolgte er eine Grafikerkarriere in einer Werbeagentur. Daneben machte er sich als Graffitikünstler und DJ einen Namen. Gemeinsam mit der Trierer Hip-Hop-Combo „THM Squad“ wurde er sogar überregional bekannt. Es folgten Major-Plattenvertrag, Musikvideos und eine daran angeschlossene Karriere als Club-DJ.

Irgendwann kam die Einsicht, dass „ich das nicht machen kann, bis ich 50 bin“. Er konzentrierte sich wieder auf grafische Arbeiten und brachte sich die 3D-Illustrationstechnik bei – weitgehend autodidaktisch. Dennoch führte ihn auch dieser Weg wieder zurück zu seinen Wurzeln: „Es hängt alles mit meiner Leidenschaft für Hip-Hop zusammen.“ Denn das Prinzip der kleinen Vinyl-Figuren stammt aus ebendieser Szene. So begannen einige berühmte Graffitikünstler irgendwann, ständig auftauchende Figuren aus ihren Bildern als kleine Kunststofffiguren herauszubringen. Die Designer Toys waren geboren.

Ohligs Durchbruch wurde durch die Community in Online-Foren angestoßen – dort veröffentlichte er erste Entwürfe und Grafiken, wenig später entdeckte ihn ein Produzent und brachte eine erste Miniserie des „Sea Hunters“ heraus. Und das, obwohl er mit dieser Figur ein großes Online-Ranking im Toy Design nicht gewinnen konnte. Das bringt den Künstler zum Schmunzeln: „Das ist der Vorteil des Internets – man kann irgendwo in Hintertupfingen sitzen und sein Talent zeigen; wenn man Glück hat und heraussticht, dann wird man auch gesehen.“

Die Liebe zu Comics hat einen großen Einfluss auf seine Arbeiten. „Was mich immer fasziniert hat, war die Kunst der Comic-Zeichner. Ich selber hatte nie das Talent dafür, solche Characters zu zeichnen.“ So rahmte er sich als Jugendlicher Ausschnitte aus Comics ein – „wegen der Farben, das war für mich immer ein Kunstwerk“. Er bewundert nicht nur die amerikanische, sondern auch die belgische und französische Comic-Tradition. Neben dem klassischen amerikanischen Superhelden-Genre erfreut sich Ohlig ganz besonders an Cartoons von Bill Watterson („Calvin & Hobbes“).

"Spawn" aus der Reihe "Comic Stripped". Foto: VISEone.comVor allem seine Custom-Arbeiten sind enorm durch die Comic-Kultur beeinflusst. Ein einfacher Gedanke brachte ihn auf die Idee, die er in der „Comic Stripped“-Reihe umsetzt: „Ich dachte mir: Was würde passieren, wenn du dir in den Finger schneidest? Es würde kein Blut rauskommen, du würdest stattdessen Comics sehen.“ Genau so konzipiert er diese Skulpturen: Auf die Blankofiguren, die er selbst erst einmal kaufen muss, wird eine Comic-Collage angebracht, darauf folgt die eigentliche Modellierung mit zahlreichen Veränderungen der Oberfläche, vollständig in Handarbeit. Der Grad der Verfremdung soll sich dabei jedoch in Grenzen halten, das „Platform Toy“ erkennbar bleiben: „Ich finde die Figur als solche schon gut. Ich will sie nicht so verändern, dass man sie gar nicht mehr erkennt.“

Das Vermarktungspotenzial oder gar der Marktwert dieser Arbeiten war ihm bei den ersten modellierten Figuren noch nicht bewusst: „Die waren eigentlich nur für mich, ich wollte die mir zuhause hinstellen.“ Erst, als er Fotos seiner ersten Handarbeiten in einschlägigen Foren publizierte, wurden Szenemagazine und Blogs auf ihn aufmerksam – und es dauerte nicht lange, bis internationale Sammler und Händler begannen, Einzelanfertigungen in Auftrag zu geben. Der Ball kam ins Rollen.

Das Production Toy "Tube Monster". Foto: VISEone.comOhligs bisher größte Skulptur ist der Elefant „Mystique„, den er speziell für die Trierer „Elephant Parade“ entwarf. Auch ganz kleine Figuren befinden sich in seinem Portfolio – die sogenannten „Production Toys“ entwirft er zuerst am PC und lässt sie dann als Kleinstserien produzieren. Auch hier gibt es oft eine klare Handschrift, stets wird ein imaginärer Entstehungsprozess durch bestimmte Elemente – wie zum Beispiel eine Tube – spielerisch in den Vordergrund gerückt.

Seine Zukunft sieht er aber klar bei größeren Arbeiten: „Je größer es wird, desto teurer wird es auch. Und je teurer es wird, desto ernster wird man genommen. So ist es leider“, gibt er unumwunden zu. Schon in den kleinen Custom-Figuren stecken 30 bis 40 Arbeitsstunden, in den größeren Skulpturen etwa 90.

Und die Arbeit findet Beachtung: Die großen amerikanischen Comic-Verlage Marvel und DC schätzen die Werke des Trierers. Für eine Disney-Wanderausstellung fertigte er eine mittlerweile verschollene „Stitch“-Skulptur an. „Zu dem Zeitpunkt war ich eigentlich noch ziemlich unbekannt. Da war ich einfach mal frech, habe die angeschrieben und meine Arbeit vorgestellt – das fanden sie super, eine Woche später kam der Vertrag.“

Andrea Sawatzki signiert auf der Münchner "Closer"-Gala eines von Wolfgang Ohligs Custom Toys. Foto: Closer SMILE 2013 Bauer Media GroupDurch solch größere Projekte ist Ohlig auch außerhalb der Szene renommiert. Zuletzt fertigte er für die Zeitschrift „Closer“ sechs Skulpturen an, die vor wenigen Wochen nach einer prominent besuchten Spendengala in München insgesamt 9000 Euro für wohltätige Zwecke einbrachten. Von der Kunst alleine kann Ohlig trotz aller Erfolge nicht leben. „Das ist immer noch eine Passion: Davon zu leben sehe ich in weiter Ferne, weil es einfach so viele gute Künstler gibt. Ich wünsche mir einfach, dass es weiter so gut läuft, wie es die letzten drei Jahre gelaufen ist.“

Neben eigener Kunst schuf sich Ohlig daher noch andere Standbeine. Über die Jahre baute er sich durch seine Kunstkontakte ein Netzwerk auf, was er nun in Form der Beratungsagentur „KokoroArt“ für Sammler und Investoren nutzt. „Urban Art ist die Kunstbewegung der Neuzeit, so wie Pop Art in den Sechzigern und Siebzigern. Dazu kommt, dass es generell ein Trend ist, sein Geld in Kunst anzulegen.“ Deswegen bietet er für Investoren und Sammler neben der Beratung auch den Verkauf und die Vermittlung von Werken im Bereich Street/Urban Art an, Kontakte zu Galerien und der Kunstszene habe er mittlerweile schließlich genug.

Seine eigenen Werke in Galerien auszustellen, ist Ohligs nächstes Ziel. Bereits im kommenden August werden Leinwandarbeiten von ihm in einer Istanbuler Galerie zu sehen sein.

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