„Unser Leben ist nun einmal lebensgefährlich“

BaumAm 22. November vergangenen Jahres stürzte in der Trierer Altstadt eine Kastanie um. Hierbei wurden eine Frau tödlich und ein Mann schwer verletzt. Kürzlich verurteilte das Amtsgericht deshalb einen Baumprüfer der Stadt wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung zu einer Geldstrafe. 2014 geht der Prozess in eine weitere Runde, der Verteidiger des Angeklagten hat Revision eingelegt. Manfred Weishaar, Vize-Chef des NABU in der Region Trier, warnt nun in einem Gastbeitrag für 16vor vor einer „gravierenden Verschlechterung des Stadtklimas“, sollten aus Unglück und Urteil die – seiner Meinung nach – falschen Lehren gezogen werden.

„Am 22.11.2012 fiel aus heiterem Himmel eine mächtige Kastanie im Rautenstrauchpark um und begrub zwei Menschen unter sich, wobei eine Frau tödlich und ein Mann schwer verletzt wurden. Der Unfall hat sicherlich unendliches Leid bei den betroffenen Personen und ihren Familien hinterlassen. Die Justiz begann mit der Suche nach den Schuldigen und fand einen davon in dem Baumprüfer der Stadt. Während der 3-tägigen Gerichtsverhandlung wurden einige Fakten dargelegt und diskutiert. Einige Aspekte blieben jedoch unerwähnt.

Am 23.08.2012 erfolgte die Baumkontrolle an der fraglichen Kastanie, bei der sich Wurzelschäden zeigten. Nun befinden sich Wurzeln im Erdreich und entziehen sich gewöhnlich einer Sichtkontrolle. Eine Beurteilung der Standfestigkeit des Baumes rein nach Sicht ist daher nur sehr schwer möglich. Belastbare Aussagen sind doch nur nach eingehenden Untersuchungen möglich.

Am 22.11.2012 fiel nun der Baum um und sein Wurzelwerk wurde sichtbar. Es zeigten sich nur noch winzige tragende Teile an den äußeren Wurzelbereichen. Die zentralen und von außen nicht sichtbaren Wurzelteile waren weitgehend zerstört.

Der Unglückstag am 22.11.2012 war überwiegend windstill. Laut Trierer Wetteramt auf dem Petrisberg lagen die Böenspitzenwerte bei Windstärke 4 – laut Wikipedia gleichbedeutend mit „mäßiger Brise“. Nach der Baumkontrolle am 23.08.2012 fanden jedoch nach der gleichen Wetterstation mehrere Starkwindereignisse statt, darunter am 24.09.2012 ein schwerer Sturm mit Spitzenwerten der Windstärke 10, die der fragliche Baum stehend überlebte. Bei diesen Windgeschwindigkeiten treten an einem derartig großen Baum Kräfte auf, die der Größenordnung von Tonnen entsprechen. Ich schließe daraus, dass zwischen der Baumkontrolle und dem Sturz mit sehr hoher Geschwindigkeit Fäulnisprozesse im Wurzelwerk stattfanden, die so nicht vorhersehbar waren.

Ich kenne den Angeklagten aus seiner Tätigkeit als Baumkontrolleur seit Jahren als einen Zeitgenossen, der sich seiner Verantwortung bewusst ist, der aber auch die vielfältige Funktion des Baumbestandes der Stadt Trier kennt. Denn Bäume sind weit mehr als Dekorationsobjekte. Ihre wichtigste Funktion liegt in ihren Beiträgen zur Lufthygiene. So binden sie vor allem Feinstaub und Stickstoffoxyd. Darüber hinaus verdunstet ein Laubbaum in der Größe der fraglichen Kastanie an heißen Tagen mehrere 100 Liter Wasser und trägt damit spürbar zu einer Klimaverbesserung in der thermisch hochbelasteten Stadt Trier bei. Nicht nur Menschen mit angegriffener Gesundheit wissen dies zu schätzen.

Nach einer Studie des Umwelt- und Prognose-Institutes Heidelberg von 2010 löst die Feinstaubbelastung deutschlandweit 25.000 Todesfälle pro Jahr aus. Herunter gebrochen für die Stadt Trier heißt dies rund 30 Todesfälle pro Jahr allein durch die Feinstaubbelastung, die sich ja in der Tallage besonders kritisch auswirkt! Spielte dieser Aspekt bei der Urteilsfindung überhaupt eine Rolle?

Nun, wie wirkt sich das Gerichtsurteil auf die Stadtverwaltung aus? Wie in der Berichterstattung überdeutlich wurde, möchte diese das Risiko minimieren und lässt geschädigte Bäume entfernen. Doch zeugt gerade der abgebildete Baumstumpf, dass die Entfernung dieses Baumes ungerechtfertigt war. Denn solange ein hohler Baum derartige Wandstärken aufweist, ist er noch für Jahre standfest. In der Summe wird diese Verfahrensweise eine gravierende Verschlechterung für das Stadtklima bedeuten. Damit provoziert dieses Gerichtsurteil doch gerade das, was es letztendlich vermeiden will, nämlich die fahrlässige Tötung von Menschen mit angegriffener Gesundheit.

Was ist also zu tun? Unser Leben ist nun mal lebensgefährlich und Unfälle werden sich auch in Zukunft nicht gänzlich vermeiden lassen. Aber was wir tun müssen, ist, dass sie doch weitestgehend vermieden werden. Dies heißt, dass wir den Bäumen und ihren Kontrolleuren die Bedeutung beimessen, die sie benötigen. Dass das Personal auch in der Lage sein muss, seine Aufgaben zu erfüllen. Wir brauchen endlich ein leistungsfähiges Baumkataster und ein enges Raster an effizienten Prüfverfahren, um auch vorgeschädigte Bäume möglichst lange mit ihrer Funktion in unserer Umgebung zu erhalten, denn Ersatzpflanzungen benötigen doch mehr als 50 Jahre, bis sie einen wirksamen Beitrag zur Klimaverbesserung bringen können.“

WeishaarManfred Weishaar lebt seit einem halben Jahrhundert in der Region.Von Hause aus Ingenieur hat er sich vor allem einen Namen als Experte für Fledermäuse gemacht.

Seit 30 Jahren ist er in verschiedenen Gremien für den Naturschutz tätig, darunter unter anderem in den Naturschutzbeiräten des Kreises und der Stadt Trier. Derzeit ist Weishaar Co-Vorsitzender des NABU Region Trier.

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