„Und das in Trier“
Über acht Monate hat der Trierer Alex Schmitz an seiner Dokumentation „Agenda 2012“ gearbeitet, ein Film über die Trierer Skate-Szene im Spiegel der Zeit – eine Subkultur, die sonst kaum in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird. Genau das möchte der Filmemacher aber nun erreichen, denn Alex Schmitz ist Mitbetreiber der Skatehalle Projekt X in Trier-West – jener Einrichtung, die seit einigem Monaten auf der Kippe steht. Die 54-minütige Dokumentation ist ein filmischer Diskussionsbeitrag, der auch szenefremden Zuschauern vermitteln soll, worum es beim Skaten geht. „Agenda 2012“ feiert am 16. Juni im Broadway-Kino Premiere, an diesem Freitag startet der Kartenvorverkauf.
16vor: Mit „Agenda 2012“ haben Sie Ihren ersten Dokumentarfilm vorgelegt. Über welche Fähigkeiten muss ein guter Dokumentarfilmer in Ihren Augen verfügen?
Alex Schmitz: Man muss es vor allem schaffen, dass sich Menschen vor der Kamera auf eine unverkrampfte, ehrliche Reflexion einlassen und dabei die Kamera vergessen. Noch wichtiger ist aber, dass man als Filmemacher eine Geschichte zu erzählen hat. Die hat sich für mich erst ergeben, als die Diskussion um den Abriss der Skatehalle entbrannt ist.
16vor: In Trier verortet man Sie entweder im Zupport-Store oder in der Skatehalle Projekt X. Wie lange beschäftigen Sie sich daneben auch noch mit dem Filmemachen?
Schmitz: Angefangen mit dem Filmen habe ich vor rund zwölf Jahren. Damals hatte ich Probleme mit meinem Knie bekommen und konnte nicht mehr aktiv skaten – ich wollte aber Teil der Szene bleiben. Weil ich schon immer eine Affinität für Technik und Computer hatte, lag es nahe, dass ich mir eine Kamera zulege. Anfangs habe ich das gefilmt, was die Skater gerne sehen wollen: Tricks, Tricks und nochmal Tricks, wie in meinem ersten Film „City Games“. Ich wollte aber schon damals gerne in eine andere filmische Richtung und eher etwas Dokumentarisches machen. Irgendwann hatte ich dann ein Archiv mit Material aus zehn Jahren.
16vor: Aus diesem Material ist jetzt die Dokumentation „Agenda 2012“ entstanden?
Schmitz: Zum Teil, ja. Der Film behandelt ja nicht nur die aktuellen Entwicklungen um die Halle, sondern dokumentiert die Trierer Skate-Kultur der letzten 25 Jahre. Hierzu konnte ich natürlich aus meinem Archivmaterial und alten Fotografien schöpfen. Eigens für den Film habe ich aber auch Interviews mit Experten und Leuten aus der Szene geführt, die ihre ganz eigene Sicht auf die Skatekultur erklären. Im Film werden unglaublich viele Menschen zu sehen sein – und sei es nur, dass sie auf einem Foto abgebildet sind. In meinen Augen geht es genau darum: Sie sind Teil einer großen Gemeinschaft.
16vor: Und davon erzählt der Film?
Schmitz: Auch wenn das jetzt esoterisch klingt: Es geht mir um diese Energie, die eine Gemeinschaft entfalten kann. Ich habe mit den Jahren festgestellt: Wenn viele Menschen an einem Strang ziehen und sich miteinander beschäftigen, dann kann mehr daraus entstehen. Mit der Skatehalle hatte ich dieses Gefühl zum ersten Mal in meinem Leben: Als zum Quattropole Skate-Cup plötzlich 300 Leute bei uns waren, war das ein überwältigendes Gefühl – und das hier in Trier. Vor zehn Jahren hätte sich das niemand erträumen lassen.
Die Stadtverwaltung sagt natürlich immer: „Ihr wusstet doch vorher, dass ihr da raus müsst. Ihr müsst uns jetzt nicht erzählen, wie schön es ist“ – dieser Haltung will ich mit dem Film etwas entgegensetzen. Dieses typisch Trierer „Es ist halt so“ stimmt nämlich einfach nicht. Wenn man sich für etwas begeistert, kann man auch ändern, was „so ist“. Und ich hoffe, dass dieses Gänsehaut-Feeling am Ende rüberkommt.
16vor: Der Film legt sein Augenmerk auf die Geschichte der Trierer Szene. Wie ist deren Situation heute?
Schmitz: Die Skater in Trier hatten es noch nie wirklich leicht. Außer dem Platz vor der Basilika und dem Gelände der Landesgartenschau gibt es kaum Orte, an denen man skaten kann. Die Winter in Trier waren wirklich eine Durststrecke, bevor es die Halle gab. Von der Politik kommen aber keine Impulse, daran etwas zu ändern. Die vielbeschworene „bunte Vielfalt“ erschöpft sich leider in ein paar Graffiti-Wänden. Der Film soll auch ein Belegexemplar für eine Initiative sein, die sich mit Erfolg für die Belange dieser Szene eingesetzt hat.
16vor: Die Skatehalle hat ein sehr weites Einzugsgebiet und ist weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Wird auch dieser überregionale Stellenwert im Film behandelt?
Schmitz: Diesen Aspekt haben wir bewusst nicht in den Vordergrund gestellt. In der Kommunalpolitik hören wir ständig das Argument, es sei wichtig, was hier vor Ort eine Rolle spiele: „Wir wollen ja kein Angebot für ganz Süddeutschland schaffen, sondern für die Trierer.“ Im Vordergrund steht deshalb, was die Halle konkret für Trier und vor allem für den Stadtteil bedeutet. Es war mir wichtig, einen Menschen wie Eugen Lang zu Wort kommen zu lassen, den Direktor der Kurfürst-Balduin-Hauptschule. Er schildert aus seinem Blickwinkel die Bedeutung der Halle. Oder Professor Waldemar Vogelgesang, der aus soziologischer Perspektive argumentiert. Auch wenn ich damit das Risiko eingehe, dass Hardcore-Skater sich während der Interview-Passagen langweilen: Ich will mit diesem Film auch Menschen wie Frau Birk und Herr Jensen erreichen, deshalb war es mir wichtig, diese Balance zu finden.
16vor: Der Film wird veröffentlicht zu einem Zeitpunkt, zu dem die Zukunft der Skatehalle völlig ungewiss ist. Eine bewusste Entscheidung?
Es wäre sicherlich auch interessant gewesen, den Film als eine Art Rückschau zu machen, wenn alles entschieden ist. Axel Reichertz (Anm. d. Red.: Mitbetreiber der Skatehalle und Mitinhaber des Zupport-Stores) und ich haben uns aber durchaus bewusst dafür entschieden, den jetzigen Stand abzubilden, und damit auch das offene Ende. Wir wollen die Leute damit auch anstoßen, über die Szene nachzudenken, bevor im November weitere Entscheidungen getroffen werden. Das Schlussplädoyer ist ein Zitat von Oberbürgermeister Klaus Jensen, das ich im Stadtrat gefilmt habe. Er sagt: „Jeder in der Stadt hat dieses Thema auf dem Schreibtisch liegen. Wir bleiben am Ball.“
von Kathrin Schug