Trierer AIDS-Hilfe startet Sprechstunde für Freier

Freier und Prostituierte - wie hier auf dem Straßenstrich in der Ruwerer Straße - setzen immer häufiger durch ungeschützten Sex ihre Gesundheit aufs Spiel. Foto: Christian JörickeDie andauernden Diskussionen über Straßenstriche und „Flatrate-Bordelle“ machen deutlich, dass die sichtbare Prostitution in Trier in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Dagegen wird meist nicht beachtet, dass gerade Angebote von ungeschütztem Geschlechtsverkehr ebenso zunehmen– und damit die Infektionsgefahr für Prostituierte und Freier drastisch steigt. Zu diesem Schluss kommt Diplom-Psychologe Bernd Geller vom Beraterteam der Trierer AIDS-Hilfe. So sei die Nachfrage nach Beratungsangeboten für Freier seit letztem Jahr deutlich gestiegen. Am Montag stellte er ein neues Konzept vor, um vor allem die „Kunden“ des vermeintlich ältesten Gewerbes der Welt stärker anzusprechen und aufzuklären. Diese trügen durch ihr Verhalten erheblich zur erhöhten Ansteckungsgefahr bei, warnt Geller.

TRIER. Sexuell übertragbaren Infektionen (STI) sind auch im Raum Trier auf dem Vormarsch. So wies das Gesundheitsamt alleine im laufenden Jahr bereits neun HIV-Neuinfektionen nach, die Zahl der Syphilis-Infektionen liegt 2013 schon bei 15. Da es sich hier um offizielle Angaben von Gesundheitsamt und Robert-Koch-Institut handelt, könnte die Dunkelziffer noch um einiges höher liegen. Derweil hat das Thema „Gesundheitsschutz“ bei vielen Freiern nicht unbedingt oberste Priorität. Zahlreiche Anrufe bei der AIDS-Hilfe lassen sich so teils auf mangelnde Aufklärung, aber auch auf die Zunahme ungeschützter Sexualkontakte zurückführen.

Der Anstieg wird dabei nicht selten von Angebot und Nachfrage bestimmt, die Prostituierten sehen sich einem indirekten Zwang ausgesetzt. Bietet beispielsweise ein Bordell bestimmte Formen von ungeschütztem Verkehr an – gerade bei Oralverkehr sei das besonders häufig der Fall, so die AIDS-Hilfe – dann steigt der Druck auf die Konkurrenz, entsprechend nachzuziehen. Laut Bernd Geller liegt darin eine gefährliche „Türöffnerfunktion“: es könne schnell noch mehr verlangt werden. Speziell „Stammkunden“ sowie Ehemänner und Familienväter seien häufig an ungeschützten Praktiken interessiert.

Verschärft werde die mangelnde Präventionsbereitschaft durch zahlreiche Mythen rund um die Prostitution. So teilten immer noch viele Freier die Auffassung, dass Prostituierte regelmäßig untersucht würden. Dies ist aber seit über 12 Jahren nicht mehr Fall, Untersuchungen dürfen nur noch auf freiwilliger Basis stattfinden und würden seitens der Prostituierten kaum wahrgenommen. Das Gesundheitsamt sucht die Sexarbeiterinnen zwar regelmäßig zu Informationszwecken auf, aber das reiche bei weitem nicht aus, so Geller. Die Folge: Nimmt sich niemand der schlecht informierten und zu viel fordernden Freier an, fällt das auf die Frauen zurück. Denn „wenn die Freier nicht bereit sind, ein Kondom zu benutzen, dann wird es auch nicht benutzt“, berichtet Geller, der selbst in der Telefonberatung tätig ist.

Trotz dieser Tendenzen sei die Angst vor HIV weit verbreitet, manchmal käme es bei Freiern nach dem Sexualkontakt zur krankhaften „HIV-Phobie“, derweil andere Krankheiten wie Syphilis „eklatant unterschätzt“ würden. So wies das Gesundheitsamt bisher keine HIV-Infektion bei den Prostituierten nach, allerdings seien verschiedene andere Infektionen durchaus diagnostiziert worden. Ein weiteres Problem: Bestimmte Infektionen wie Chlamydien und Gonorrhö werden in Deutschland gar nicht erst erfasst, belastbare Zahlen liegen nicht vor. Ganz unabhängig von der Art der Infektionsgefahr stellt Geller fest: Die Beratungsangebote der AIDS-Hilfe dienten letztendlich auch dem Schutz der Prostituierten und nicht zuletzt dem der Lebenspartnerinnen der Freier.

Obwohl die Nachfrage insgesamt steigt, trauten sich viele Freier nicht, die Angebote wahrzunehmen, bedauert Geller. Gründe seien häufig ein schlechtes Gewissen und fehlende Kenntnisse über die Aufgaben der AIDS-Hilfe. Zu diesem Zweck startete die AIDS-Hilfe nun ihr neues Angebot „Gesundheitsschutz auch für Freier“. Als eine Säule des Projekts bietet die Homepage des Vereins grundlegende Informationen zu Prävention und Gesundheitsschutz an. Auch eine sogenannte „Etikette“ – ein Verhaltenskodex für Sexarbeit – gehört dazu. Respekt, Akzeptanz eines „Neins“ und ausschließlich geschützter Verkehr zählen zu den Regeln, an die sich Freier unbedingt halten sollten. Zudem richtet der Verein von nun an eine anonyme „Freier-Sprechstunde“ ein. Immer donnerstags zwischen 14 und 15 Uhr stehen unter der Nummer 0651/19411 fünf Berater für alle Fragen bereit. Moralisch werde dabei niemand bewertet, Aufklärung und Beratung stünden im Vordergrund, versichern die Initiatoren.

Bernd Geller gibt jedoch zu bedenken, dass der Ansatz der AIDS-Hilfe „nicht die Lösung für alle Dinge“ sein könne. Die zahlreicher werdenden Freier aus Frankreich und Luxemburg, aber auch die US-Amerikaner von den Stützpunkten in der Region, könne man mit solchen Angeboten nicht erreichen, macht er sich wenig Illusionen.

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