Trier trotz Minus Top-Ziel

Seit Jahren ging es mit der Zahl der Übernachtungen aufwärts, verzeichnete Triers Hotelgewerbe  stetig Zuwächse. Doch ausgerechnet 2012, als mit der Heilig-Rock-Wallfahrt Hunderttausende in die alte Bischofsstadt strömten, gingen die Zahlen zurück. Immerhin stand Trier mit einem Rückgang bei den Übernachtungen um 1,2 Prozent aber besser da, als der Landesdurchschnitt; und mit mehr als 757.000 Übernachtungen liegt die Stadt nach dem deutlich größeren Mainz nach wie vor auf Platz 2 in Rheinland-Pfalz. Was für das selbsterklärte „Rom des Nordens“ und die fast 60 Beherbergungsbetriebe indes zunehmend zum Problem werden dürfte: Nach dem Ende von „Brot und Spiele“ und dem Rückzug auf Raten der ADAC-Rallye, gehen Trier langsam aber sicher die Angebote aus, um überregional neue Zielgruppen zu erreichen.

TRIER. 216 Zimmer zählte das Haus, verteilt auf 14 Stockwerke bot es rund 300 Betten. Dann kam das für Außenstehende überraschende Aus: Mitte des vergangenen Jahres schloss NH Hoteles seinen Standort in der Moselstadt. Das schlägt sich jetzt nieder – in der Tourismusbilanz für 2012. Um 1,2 Prozent auf 757.240 ging die Zahl der Übernachtungen zurück, und nicht nur für Hans-Albert Becker ist das Ende des Hotels im Norden der Stadt der wesentliche Grund dafür, dass es ein Minus gab. Das Haus sei vor allem bei größeren Gruppen beliebt gewesen und könne nicht so schnell ersetzt werden, gibt der Geschäftsführer der Tourist Information Trier (TIT) zu bedenken. Und auch Andrea Weber, Chefin des Hotels „Deutscher Hof“, ist überzeugt, dass es vor allem der Verlust des Mitbewerbers war, der zum Rückgang bei den Übernachtungszahlen führte. „Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass das Minus nicht noch größer ausfiel“, erklärt Weber im Gespräch mit 16vor und greift zum Taschenrechner. Selbst wenn man von einer eher schwachen Auslastung ausgehe, müsse der Wegfall von Kapazitäten dieser Größenordnung Folgen für die Gesamtbilanz des Trierer Marktes haben.

Tatsächlich konnten sich die aktuell 57 Hotels und Herbergen 2012 insgesamt gut behaupten. Zwar ging die Zahl der Übernachtungen zurück, und mit rund 403.000 Gästen verbuchte das Gewerbe auch hier einen Rückgang um 2,1 Prozent. Doch nach Mainz bleibt Trier in Rheinland-Pfalz die Top-Destination schlechthin. Obschon die Landeshauptstadt gut doppelt so viele Einwohner zählt und in der wirtschaftsstarken Metropolregion Rhein-Main liegt, verzeichnete sie lediglich knapp 100.000 Übernachtungen mehr. Einen regelrechten Einbruch bei Gäste- und Übernachtungszahlen verbuchte derweil Koblenz, was nach dem rekordverdächtigen Buga-Jahr 2011 jedoch nicht anders zu erwarten war. Immerhin kam die Stadt am Deutschen Eck auch 2012 noch auf mehr als 606.000 Übernachtungen, und mit annähernd 4.000 Betten liegen die Kapazitäten in Koblenz aktuell nur unwesentlich unter denen Triers.

Nach dem Ende des NH-Hoteles bieten laut Statistischem Landesamt die hiesigen Herbergen insgesamt noch 4.175 Betten. Doch auch die wollen belegt werden. 27 Prozent der Übernachtungsgäste in Trier stammen aus dem Ausland, im Landesschnitt sind es 22 Prozent. Der Trend weg vom mehrwöchigen Jahresurlaub zum Kurztrip erklärt, warum inländische Gäste einen derart hohen Anteil haben. Touristen werden immer spontaner, spielt das Wetter nicht mit, schlägt sich das sofort in den Reservierungen nieder. Das bestätigt Andrea Weber mit Blick auf den nicht enden wollenden Winter: „Ostern ist eine Katastrophe“, beschreibt sie den Stand der Buchungen wenige Tage vor den Feiertagen. Es werde sich zeigen, ob der schwache Start über das Jahr hinweg wieder aufgefangen werden könne – und ob dann auch wieder verstärkt Gäste aus den Nachbarländern kommen werden.

Bei Marketing noch Luft an oben

Denn hier zeigten sich 2012 merkliche Einbußen. Zwar kamen 4,2 Prozent mehr Belgier, aber bei den Niederländern gab es ein Minus um 9 Prozent. TIT-Chef Becker führt letzteres auf das „immer wieder kühle und wechselhafte Wetter im Sommer 2012“ zurück. Doch das erklärt nicht, weshalb die Belgier sich von eben jenem Wetter weniger abschrecken ließen. Gerade die Niederländer seien oft sehr spontan und würden kurzfristig entscheiden, ob sie nach Trier reisten oder nicht, so Becker weiter. Mehr Gäste kamen im vergangenen Jahr aus Asien, wichtige Märkte sind laut TIT nach wie vor Großbritannien mit fast 13.000 Übernachtungen und Italien (knapp 8000). Aber, warnt Becker, zumindest die Nachfrage aus dem Süden könne sich wieder abschwächen, sollte das Angebot an Flugverbindungen ab dem Hunsrück-Airport Hahn weiter ausgedünnt werden.

Vielleicht sollte die TIT aber ohnehin stärker nach Luxemburg blicken, wo gleich mehrere Airlines neue Flugverbindungen anbieten. Nach Easyjet, die vom Findel aus neben London nun auch Mailand-Malpensa zu günstigen Konditionen ansteuern, steht der spanische Carrier Vueling in den Startlöchern: Ab Mai will die Airline viermal wöchentlich Barcelona und Luxemburg verbinden, zu Preisen, die deutlich unter denen der Luxair liegen dürften. Ebenfalls in wenigen Monaten wird es erstmals Linienflüge vom Großherzogtum nach Istanbul geben. Dann nimmt die aufstrebende Turkish Airlines Luxemburg in ihren Flugplan auf. Entsprechend schneller lässt sich dann der Weg vom ehemaligen Konstantinopel in die einstige Residenz Kaiser Konstantins zurücklegen.

Doch um neue Besucher zu gewinnen, müsste die Stadt stärker ins Destinationsmarketing investieren. Da gebe es noch viel Potenzial, meint Andrea Weber, die gleichwohl auch um die beschränkten finanziellen Mittel der Kommune weiß, zumal nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Kultur- und Tourismusförderabgabe kippte und noch kein Ersatz für diese Einnahmequelle geschaffen wurde. Die maßgeblichen Akteure aus den verschiedenen Bereichen, etwa der Kultur und dem Tourismus, müssten stärker zusammenarbeiten, verlangt Weber. Denn dass Trier mit seinen Welterbestätten, der europäischen Lage und der einmaligen Region mit ihren Weinbergen sowie Rad- und Wanderwegen eine Top-Destination sei, daran bestehe ja kein Zweifel. Nur müsse dies stärker vermarktet werden, denn was nütze das beste Produkt, wenn niemand davon erfahre.

Was die Sache nicht leichter macht: Nachdem vor Jahren schon die Antikenfestspiele auf der Strecke blieben und es in diesem Jahr kein „Brot und Spiele“ mehr geben wird, außerdem die ADAC Deutschland Rallye ihren Start nach Köln verlegte und den umstrittenen „Circus Maximus“ komplett aus dem Programm strich, mangelt es der Stadt zusehends an Events, mit denen sich Gäste aus anderen Landesteilen und auch dem angrenzenden Ausland locken ließen. Das sehe er durchaus „mit einiger Sorge“, räumt Becker ein. Denn auch wenn sich die Auswirkungen dieser Ausfälle noch nicht genau beziffern ließen, so „fehlen aber auf jeden Fall wichtige Aufhänger für die nationale und internationale Werbung.“ Zudem rechnet Becker mit einem Rückgang in der überregionalen Medienpräsenz. Einzig der Weihnachtsmarkt bleibt noch als Zugnummer. Der Budenzauber auf Hauptmarkt und Domfreihof trug wesentlich dazu bei, dass Triers Hotelbetriebe im vergangenen Dezember mit 42,4 Prozent noch eine manierliche Auslastung vorweisen konnten. Zum Vergleich: Städte wie Koblenz (30,4), Kaiserslautern (26,1) und Ludwigshafen (28,1) erreichten nicht annähernd diesen Wert.

Ein Beispiel, wie Trier überregional punkten kann, ist die Ausstellung „Ikone Karl Marx. Kultbilder und Bilderkult“ im Stadtmuseum Simeonstift. Diese sei am Stand der TIT auf der Internationalen Tourismus-Börse auf großes Interesse gestoßen, berichtet Becker. Noch besser ließen sich solche Angebote indes an die Frau und den Mann von außerhalb bringen, wäre Trier nicht seit Jahren katastrophal schlecht an das Fernverkehrsangebot der Deutschen Bahn AG angebunden. Auch der Werbeeffekt durch die Heilig Rock-Wallfahrt 2012 sei „mit Geld nicht aufzuwiegen“, meint Becker, auch wenn sich das Großereignis kaum in den Übernachtungszahlen niedergeschlagen habe. Dem widerspricht Weber: Ihr Haus habe sehr wohl von dem kirchlichen Großereignis profitiert, und zwar deutlich stärker, als von ihr erwartet. Nur wird es eine weitere Wallfahrt so schnell nicht geben, weshalb nun neue Ideen und vor allem eine Gesamtkonzeption entwickelt werden müssen, damit sich Trier im weltweiten Wettbewerb um Gäste dauerhaft behaupten kann.

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