Trier will weiter wachsen

Seit Jahrzehnten verzeichnet die Stadt Trier Sterbeüberschüsse. Weil aber im selben Zeitraum die Zahl der Zuzüge stieg und in manchen Jahren Wanderungsgewinne zu verzeichnen waren, wuchs die Stadtbevölkerung auf mehr als 105.000 Einwohner. Doch auch die Preise für Wohnraum schnellten in die Höhe. Mit neuen Siedlungsflächen will die Verwaltung den Druck aus dem Markt nehmen und das Wachstum bei den Preisen bremsen. Gegen Pläne, etwa auf dem Brubacher Hof oder im Südwesten Zewens Wohnbebauung zuzulassen, regt sich indes Widerstand; ebenso gegen Überlegungen, auf dem Kockelsberg Gewerbe anzusiedeln. Am Dienstagabend befasste sich der Stadtrat mit dem Thema. OB Klaus Jensen (SPD) appellierte an die Kritiker, heute nicht Möglichkeiten zu verbauen, die man vor ein paar Jahrzehnten noch selbst genutzt habe.

TRIER. Der Verfasser dieser Zeilen kennt sie nur aus Erzählungen – die Wiesen, Weiden und Äcker, die noch bis Ende der 1950er das Heiligkreuzer Plateau dominierten. Von der „Gartenstadt“ Mariahof existierten seinerzeit nicht einmal Pläne, der Weidengraben hieß nicht ohne Grund so. Dass sich der Petrisberg einmal zu einem schicken Wohnquartier entwickeln würde, stand genauso wenig zu erwarten wie der Bauboom in vielen Höhenstadtteilen. Trier wuchs in den vergangenen Jahrzehnten in fast alle Richtungen. Die Kehrseite des Wachstums: Manche Stadtteile wie Kürenz oder Olewig, aber auch Zewen und Trier-Nord ächzen unter der hohen Verkehrsbelastung, und eine wirkliche Entspannung der Situation ist nicht in Sicht.

Glaubt man den Experten, dann muss die Stadt in den kommenden Jahren weiter wachsen. Um das Mietpreisniveau, das allein zwischen 2004 und 2009 um mehr als 23 Prozent stieg, zumindest bremsen zu können, müsse mehr Wohnraum geschaffen werden, lautet die auch im Rathaus vorherrschende Vorstellung. Anknüpfend an eine Prognose der Bertelsmann-Stiftung rechnet man am Augustinerhof für das Jahr 2025 mit rund 109.000 Einwohnern. Noch vor fünf Jahren hatte die Stadt für 2020 mit etwa 102.500 Einwohnern kalkuliert. Auf der Basis der neueren Prognosen ergebe sich nunmehr ein jährlicher Neubaubedarf von rund 550 Wohneinheiten, die Mehrzahl hiervon in Form von Familieneigenheimen. Im vergangenen Jahrzehnt jedoch kamen jährlich weniger als 300 zusätzliche Wohneinheiten auf den Markt. Um den Bedarf zu befriedigen, benötige man ca. 120 Hektar Nettobauland – wobei die vorhandenen Baulandreserven in Baulücken, bestehenden Baugebieten und bereits in der Entwicklung befindlichen Flächen nur einen kleinen Teil ausmachen.

Im Baudezernat nahm man in den vergangenen Monaten mehrere potenzielle Siedlungsflächen genauer unter die Lupe. Gestern nahm der Stadtrat die Ergebnisse der Untersuchungen und bisherigen Beratungen zur Kenntnis, doch erwartungsgemäß gab es Kritik im Detail – wobei das Detail schon mal sehr groß sein kann. Beispiel Brubacher Hof: Am Rande des Stadtteils Mariahof gelegen wäre Platz für mehr als 30 Hektar Bauland, auf denen sich ca. 1.100 Wohneinheiten errichten ließen. Es handele sich um eine „reizvolle Plateaulage mit hohem Landschaftsbezug“, obendrein biete der Brubacher Hof das größte Baulandpotenzial im Stadtgebiet, argumentiert man im Rathaus. Doch fast 3.700 Menschen erklärten bereits mit ihrer Unterschrift ihren Widerstand gegen derartige Überlegungen, und wäre es nach den Grünen gegangen, dann wäre am Dienstagabend beschlossen worden, dass das Areal nur im reduzierten Zuschnitt als neue Siedlungsfläche im geplanten „Flächennutzungsplan 2025“ auftaucht. Doch dieser Vorstoß wurde von einer Mehrheit des Stadtrats abgelehnt – wie überhaupt fast alle Anträge im Rat scheiterten.

Brubacher Hof bleibt im Rennen

Udo Köhler (CDU) räumte zu Beginn der Aussprache ein, dass es auch in seiner Fraktion „heftige Diskussionen“ über die von der Verwaltung ins Auge gefassten neuen Siedlungsflächen gegeben habe. Da aber der letzte Flächennutzungsplan aus dem Jahr 1982 stamme und die Stadt Flächen bieten müsse, um der drohenden Abwanderung von Gewerbe und Menschen ins Umland etwas entgegensetzen zu können, sei der neue Plan „wahrlich kein Luxus“. Auch Begoña Hermann (SPD) warnte vor einer Abwanderung von Familien in den Landkreis. Die extremen Steigerungen bei den Mieten seien „zutiefst unsozial“, deshalb müsse durch ein Mehr an Bauland Druck aus dem Markt genommen werden. Selbstverständlich müsse hierbei der Nachverdichtung in bestehenden Siedlungen Priorität zukommen, doch ließen sich nur 20 der benötigten 120 Hektar über eine Innenentwicklung decken. Für ihre Fraktion ist der vorliegende Entwurf für den Flächennutzungsplan „ganz offensichtlich zu kurz gegriffen“. Hermann: „Es braucht am Ende deutlich mehr als der errechnete Bedarf“.

Anja Reinermann-Matatko zweifelte derweil an, dass dem Plan die richtige Annahme zugrunde liegt: „Die Grundidee, Trier muss wachsen“ finde in ihrer Fraktion jedenfalls nicht die ungeteilte Zustimmung. Die nun diskutierten neuen Siedlungsflächen bereiteten den Grünen „erhebliche Bauchschmerzen“, so Reinermann-Matatko, die in einem Antrag gleich mehrere Änderungen verlangte. So forderten die Grünen, dass die Flächen Riverisstraße, Kockelsberg, Zewen-Südost und Zentenbüsch aus dem Bauflächenprogramm gestrichen werden. Unterstützung erhielten sie hierfür nur von FWG und Linke, weshalb diese und die weiteren fünf Änderungsvorschläge allesamt abgelehnt wurden. Doch auch die FDP erlitt Schiffbruch mit einem Vorstoß. So hatten die Freidemokraten unter anderem gefordert, das Gelände der „General-Seidel-Kaserne“ in Euren als gemischte Baufläche auszuweisen, auf der dann sowohl Wohnbebauung als auch eine gewerbliche Nutzung möglich geworden wäre. Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani erklärte, dass man diese Möglichkeit geprüft und verworfen habe. Die Nähe zur Luxemburger Straße und zur Westtrasse machten es nicht möglich, auf dem Areal Wohnbebauung zuzulassen. Dass sich die Liberalen von der Unionsfrau nicht würden überzeugen lassen, überraschte wenig, doch dann schaltete sich Ex-FDP-Kreischef und Wirtschaftsdezernent Thomas Egger ein: „Ich würde ihn zurückziehen“, empfahl Egger seinen Parteifreunden mit Blick auf den Antrag. Denn schon jetzt fehle es hinten und vorne an Gewerbeflächen. Zugleich appellierte Egger an die Grünen, die Option Kockelsberg nicht von vornherein auszuschließen. Dieser Standort biete sich schon aufgrund seiner „hervorragenden Lage an der Autobahn“ an, weshalb er dringend eine weitere Prüfung empfehle.

Jensen appelliert an Kritiker

Wie die FDP hielten auch die Grünen an ihrer Forderung fest – und unterlagen. Die Freien Wähler folgten fast durchweg den Voten der einzelnen Ortsbeiräte. „Was wir vor allem in Trier brauchen, ist sozialer Wohnraum“, erklärte FWG-Fraktionschefin Christiane Probst. Wenn man sich aber die aktuell üblichen Baulandpreise anschaue, dann könne man sich die Mieten schon jetzt ausrechnen. Linde Andersen warf in die Debatte ein, dass nach Auffassung der Linken viele der geforderten neuen Flächen nicht mit den Ansprüchen des Mobilitätskonzepts vereinbar seien.  Am Ende fand nur ein Ergänzungsantrag der SPD eine Mehrheit. Im Kern wird darin gefordert, weiter nach potenziellen Siedlungsflächen zu suchen, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass man schon in einigen Jahren vor denselben Problemen stehe.

Vor der Abstimmung hatte sich OB Klaus Jensen mit ein paar grundsätzlichen Anmerkungen in die Debatte eingeschaltet. Aus sozialen, ökologischen und finanziellen Gründen komme die Stadt nicht an der Ausweisung neuer Siedlungsflächen vorbei, so Jensen. Vor allem für Mietwohnungen müsse Raum geschaffen werden, da insbesondere Familien ansonsten ins Umland zögen. Eine Verdichtung innerhalb des Stadtgebiets sei immer noch ökologischer als die Abwanderung ins Umland und die hierdurch verursachten Pendlerströme in die Stadt. Und dann wandte sich der OB noch an diejenigen, die „gegen neue Baugebiete zu Felde ziehen“: Die Kritiker sollten mit ihrem Widerstand nicht Möglichkeiten verbauen, die sie vor einigen Jahren noch selbst genutzt hätten, als sie selbst in neuen Siedlungsgebieten bauten.

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