„Trier ist doch nicht Hallig Hooge“

Es gehe nicht mehr um das „ob“, sondern nur noch um das „wie“, erklärte OB Jensen (SPD), als er am Mittwoch über den Sachstand in Sachen Westtrasse informierte. Dass deren Reaktivierung für den Personenverkehr kommen wird, davon sind er sowie Landesminister Lewentz und der Chef des Zweckverbands SPNV Nord, Dr. Geyer, inzwischen „felsenfest“ überzeugt. Das Trio präsentierte indes einen sehr ambitionierten Zeitplan: Bis Dezember 2017 werde man fünf neue Haltepunkte realisieren, dann sollen im Halbstundentakt Regionalbahnen auf der Trasse verkehren und Trier besser an Luxemburg anbinden. Geplant ist auch eine neue Linie zwischen Ehrang, Konz und Saarburg. Dass noch etwas den Zug aufhalten könnte, glauben die Verantwortlichen in Mainz und Koblenz nicht. Stattdessen üben sie Kritik an Berlin und der Bahn AG. Denn spätestens 2015 wird Trier komplett vom Fernverkehr abgekoppelt werden. 

TRIER. Liegt Trier nun im Herzen Europas oder am Rande der Republik? Sowohl als auch, meint Roger Lewentz und holt jetzt aus zu einer Fundamentalkritik an der Deutschen Bahn AG. Dass diese ihren Fernverkehr von und nach Trier zunächst stark ausdünnte und nach Lage der Dinge im Dezember 2014 komplett einstellen wird, sei ein Ding der Unmöglichkeit. Auch Deutschlands Randlagen müssten an das Fernverkehrsnetz angeschlossen bleiben, schließlich lägen diese ja auch im Zentrum des Kontinents. Für Klaus Jensen (SPD) ist die Unternehmenspolitik des Konzerns „skandalös“, man könne eine Anbindung der Moselstadt im Dreiländereck doch nicht allein an ökonomischen Maßstäben festmachen, kritisierte der Sozialdemokrat. Denn würde man das tun, dann dürfe auf „Hallig Hooge“ keine Post mehr zugestellt werden, so Jensen.

Eigentlich hatte es in der Pressekonferenz im Rathaus ausschließlich um den Nahverkehr gehen sollen. Der wird von den Bundesländern organisiert und bestellt. Während im Dezember kommenden Jahres der neue Rheinland-Pfalz-Takt 2015 für eine deutliche Angebotsverbesserung auch in der Region Trier sorgen soll, war es um ein anderes Vorhaben zuletzt auffallend ruhig geworden – der geplanten Reaktivierung der Westtrasse zwischen Ehrang und Konzer Eisenbahnbrücke. Seit Mitte der 1980er Jahre verkehren auf diesem voll funktionstüchtigen und elektrifizierten Streckenabschnitt nur noch Güterzüge, seit gut 20 Jahren wird darüber diskutiert, diesen auch wieder für Personenzüge zu nutzen. Nun werde es konkret, kündigte Jensen zum Auftakt der Pressekonferenz an, er sei sich absolut sicher, dass die Reaktivierung kommen werde, betonte der OB und gab das Wort an seinen Parteifreund, Infrastrukturminister Roger Lewentz weiter. Der hob hervor, dass das Vorhaben für die Landesregierung eine besondere Bedeutung habe, insgesamt 21,3 Millionen Euro seien hierfür eingeplant und sollten in den Doppelhaushalt 2014/2015 eingestellt werden. Für die Umfeldgestaltung der künftigen Haltepunkte sagte Lewentz der Stadt Zuschüsse von 85 Prozent zu. Somit werde der hoch verschuldete städtischen Etat kaum belastet, auch wenn bis dato niemand in absoluten Zahlen sagen kann, wie viel Geld die Stadt für die Umfeldgestaltung der fünf Haltepunkte benötigen wird.

Nächster Halt: Hafenstraße

Dafür ist jetzt klar, welche Haltepunkte in einem ersten Schritt realisiert werden sollen. Insgesamt 13 Standorte hat das Bopparder Büro Stadt-Land-Bahn untersucht, die Station „Hafenstraße“ galt schon zuvor als gesetzt und soll den Ehranger Bahnhof ersetzen. Als vorrangig betrachten der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr (SPNV) Nord und das Land weitere Stationen in Pallien an der Kaiser-Wilhelm-Brücke, am alten Westbahnhof unweit der Römerbrücke, in Euren sowie in Zewen. Für den Palliener Haltepunkt prognostizieren die Gutachter ein potenzielles Fahrgastvolumen von fast 1.800 Nutzern pro Tag. Das läge noch über dem, was das Büro für die Hafenstraße erwartet, wo demnach täglich etwa 1.700 Fahrgäste aus- und einsteigen würden. Der Westbahnhof würde von rund 1.200 Bahnfahrern genutzt, Zewen käme auf etwa 600, Euren nur auf rund 300. Auf die Frage, wie denn solche Potenziale ermittelt würden, erklärte SPNV-Chef Geyer, in dieses „recht komplizierte Rechenmodell“ seien unterschiedliche Daten eingeflossen, natürlich die Einwohnerzahl, aber auch im Rahmen der Erstellung des städtischen Mobilitätskonzepts gewonnene Zahlen. Und gerade bei Pallien und Westbahnhof erhoffe man sich auch Nutzer von der östlichen Moselseite, schließlich bräuchten die nur mal eben über die Brücke, um dann zum Haltepunkt zu gelangen.

Hoffnung und Zuversicht scheinen in jedem Falle angezeigt, wenn man sich den Fahrplan für die Reaktivierung anschaut: Im Dezember 2017 sollen die beiden neuen Regionalbahnlinien starten. Nachgefragt, ob die Verantwortlichen denn ernsthaft glaubten, dass sich binnen vier Jahren alle fünf neuen Haltepunkte fertigstellen lassen, zeigten sich Geyer, Lewentz und auch Jensen überzeugt, dass dies zu schaffen ist. Auch Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani ließ keine Skepsis ob des engen Zeitplans erkennen und sprach von einer „großen Chance“ für die westlichen Stadtteile; diese würden durch die Anbindung aufgewertet, ist die Christdemokratin überzeugt. Ob denn die Trasse auch reaktiviert werde, wenn bis zum Stichtag nicht sämtliche Stationen realisiert sein sollten? „Das muss jetzt als eine Einheit durchgezogen werden“, betonte Geyer und ergänzte: „so wie auf der Oststrecke wird es jedenfalls nicht gehen!“

Besagte Oststrecke führt über den Hauptbahnhof, und eigentlich hatten entlang dieser Trasse bereits etliche neue Haltepunkte für die Regionalbahn realisiert werden sollen. Doch die ehrgeizigen Pläne verhagelte das Trauma von Ehrang: Der Bau des Haltepunkts „Ehrang Ort“ wurde seinerzeit nicht nur wesentlich teurer als geplant, seine Fertigstellung verzögerte sich auch über viele Jahre. Nach dieser Erfahrung trauten sich Stadtrat und Verwaltungsspitze erst einmal nicht, weitere Haltepunkte in Angriff zu nehmen. „Ehrang Ort“ sollte sich nicht wiederholen! Doch auch ohne diese Erfahrung lauern auf dem Weg zur Reaktivierung der Westtrasse nicht wenige Unwägbarkeiten. Beispiel Zweigleisigkeit zwischen Igel-West und deutsch-luxemburgischer Grenze. Ohne diese lasse sich das Konzept einer zusätzlichen, stündlich ins Großherzogtum verkehrenden Regionalbahn schwerlich realisieren, so Geyer; das Nadelöhr würde bei einer Ausweitung des Angebots für erhebliche Probleme im Betriebsablauf sorgen.

2007 war der Ausbau des nur rund zwei Kilometer langen Streckenabschnitts von Bund, Land und Stadt beschlossen worden, im vergangenen Jahr sollte das zweite Gleis liegen. Das hätte es auch, ist OB Jensen überzeugt, doch dann habe bekanntlich Berlin auf die Bremse getreten und die Abmachung wieder infrage gestellt. Tatsächlich hatte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den Nutzen des von seinem Amtsvorgänger Wolfgang Tiefensee (SPD) übernommene Projekts plötzlich wieder infrage gestellt, und hätte sich die luxemburgische Regierung nicht bereit erklärt, acht der voraussichtlich knapp 20 Millionen Euro Baukosten zu übernehmen, von der Zweigleisigkeit würde heute wohl niemand mehr sprechen.

Von Pallien auf direktem Weg nach Saarburg

Auch im Großherzogtum strich man zwischenzeitlich Eisenbahnprojekte zusammen. Eine direkte Gleisanbindung des Flughafens Findel sowie des Banken- und Europazentrums auf dem Kirchberg wird es nicht geben. Stattdessen ist nun ein neuer Haltepunkt im Pfaffenthal geplant. An der „Roten Brücke“ soll der neue Umsteigepunkt „Gare Pont Rouge“ bis 2018 stehen, von ihm werden die Fahrgäste auf eine Ebene mit dem Kirchberg gelangen, der dann auch an die neue Tram angeschlossen wäre. 50 Minuten werde es dann dauern, um mit dem Zug von Trier-West zum Kirchberg zu gelangen, bezifferte Geyer. Die aus Trier kommenden Bahnen würden über Luxemburgs Hauptbahnhof hinaus zu besagten Umsteigepunkt fahren.

Ein weiterer Umsteigepunkt könnte in Konz entstehen, denn auf der Westtrasse soll neben einer von Wittlich aus kommenden Pendlerlinie nach Luxemburg auch eine Regionalbahn in Richtung Saar verkehren. Starten wird die neue Linie am Haltepunkt Hafenstraße, enden in Konz. Lediglich in Stoßzeiten soll die Regionalbahn dann auch bis Saarburg fahren. Von Ehrang oder Pallien nach Konz? Das Potenzial auf dieser Verbindung, die Geyer als „Kurzläufer“ bezeichnete, dürfte sich bislang arg in Grenzen halten. Das räumt auch der SPNV-Chef ein, doch lägen dieser Idee andere Überlegungen zugrunde: Fahrgäste aus Pallien sollten beispielsweise in Konz die Möglichkeit haben, in den Regionalexpress in Richtung Saarbrücken, Kaiserslautern und Mannheim umzusteigen. Ab Dezember 2014 sollen die Verbindungen von Koblenz über Trier nach Luxemburg und in die drei Städte im Saarland, der Pfalz und Nordbaden deutlich verbessert werden.

Ob denn dann auf der Moselstrecke überhaupt noch Kapazitäten frei wären für IC- oder gar ICE-Züge. „Die Tür ist nicht zu“, versicherte Geyer, der aber zugleich deutlich machte: Alle Signale vonseiten der Bahn AG deuteten daraufhin, dass Trier Ende nächsten Jahres komplett vom Fernverkehr abgekoppelt werde.

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