Terroir mit Zukunft

Auf rund 550 Kilometer, von den Vogesen in Frankreich bis zum Deutschen Eck in Koblenz, durchquert die Mosel eine europäische Kulturlandschaft. Drei Länder passiert der Fluss, zu dessen internationaler Berühmtheit vor allem der Wein beiträgt. Doch auch wenn die Mosel als das weltweit bekannteste deutsche Anbaugebiet gilt, kämpft die Lage bis heute mit einem Ruf, der noch aus den 1980ern herrührt. Unter der Dachmarke „Terroir Moselle“ wollen Akteure aller Anrainerstaaten gemeinsam das Image und die Bekanntheit und damit auch den Absatz des Moselweins steigern. Im kommenden Frühjahr soll eine Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) gegründet werden. Ziel ist es, den Moselwein zum „europäischsten aller Weine“ zu machen, so die Initiatoren.

TRIER. Die Größenverhältnisse könnten unterschiedlicher kaum sein, doch würde man auch nur ein Anbaugebiet auslassen – das Projekte wäre unvollständig. Schließlich ist „Terroir Moselle“ transnational angelegt, weshalb die 55 Winzerbetriebe Lothringens ebenso willkommen sind wie die nahezu 3.400 aus Rheinland-Pfalz. Akteure aus allen drei beteiligten Staaten sind mit von der Partie bei der federführend von Ségolène Charvet von der LEADER-Gruppe „Miselerland“ in Grevenmacher koordinierten Zusammenarbeit. Am vergangenen Montag moderierte die Französin die Vollversammlung im Rokoko-Saal des Kurfürstlichen Palais. Das sei eine sehr entscheidende Zusammenkunft, schickte die Französin voraus, nun müssten wichtige Weichen gestellt werden.

Tatsächlich wird sich im Frühjahr kommenden Jahres zeigen, ob „Terroir Moselle“ mehr ist als eine gut gemeinte Idee, und ob die transnationale Kooperation ein dauerhaftes Fundament erhält. Im November 2013 läuft die bisherige und auf insgesamte drei Jahre angelegte Förderung aus dem LEADER-Programm der Europäischen Union aus, dann müssen Strukturen geschaffen sein, welche die weitere grenzüberschreitende Zusammenarbeit sicherstellen. Nicht nur Charvet ist überzeugt, dass das „Terroir Moselle“ eine Zukunft hat, zumal gegenwärtig nichts wirklich Vergleichbares existiert. Zwar gab es auch andernorts, etwa am Oberrhein und in Baden, Ansätze für eine Kooperation über Ländergrenzen hinweg, doch dass fünf Winzerverbände aus drei Staaten unter einer gemeinsamen Dachmarke ihre Produkte bekannter machen möchten, gebe es so kein zweites Mal, sagt auch Ansgar Schmitz, Geschäftsführer des Moselwein e.V.

Schmitz war im Oktober mit auf der „Megavino“ in Brüssel, einer der bedeutendsten Weinmessen überhaupt. „Terroir Moselle“ präsentierte sich in der belgischen Hauptstadt mit einem Stand. In früheren Jahren hätte es gleich mehrere gegeben, erinnert sich Schmitz, jeder hätte sich alleine präsentiert. „Das Projekt bietet die Chance, die Mosel mal unter einem anderen Aufhänger bekannter zu machen“, lobt der Moselwein-Chef. Bis heute leide der Rebensaft aus der Region unter einem Ruf, der seinen Ursprung in den 1980ern habe – als Tropfen von der Mosel vor allem als süß und billig galten. Die Kooperation über die Grenzen hinweg könne den an der Mosel ansässigen Betrieben helfen, ihre Produkte international besser zu vermarkten und Menschen für Reisen an den Fluss zu gewinnen. „Die Mosel ist schließlich eine europäische Kulturregion“, gibt Schmitz zu bedenken, nur sei dies jenseits der Großregion vielen noch nicht bekannt.

Noch bekannter muss indes auch das Projekt „Terroir Moselle“ werden, nicht zuletzt unter Weinbauern. Denn die Winzer, auf die es wesentlich ankommen wird bei dieser Zusammenarbeit, befanden sich bei der Vollversammlung in Trier eindeutig in der Minderheit. Einer der wenigen, die gekommen waren, ist Markus Boesen. 13 Jahre arbeitete er bei einer Bank in Luxemburg, seit vergangenem Frühjahr übernimmt er schrittweise den elterlichen Betrieb in Palzem an der Obermosel. Boesen muss nur über den Fluss blicken, dann schaut er auf das Großherzogtum; und Frankreich ist auch nicht weit. Kontakte nach Luxemburg gebe es, berichtet Boesen, „man kennt sich“. Seinen Wein setzt er jedoch ganz überwiegend in Deutschland ab, und das wird sich auf mittlere Sicht wohl auch nicht ändern. Doch das Projekt interessiert ihn, schließlich leben die Boesens nicht vom Wein allein, sondern vermieten auch mehrere Ferienwohnungen. Da kann es ihm nur Recht sein, wenn die Mosel auch als Reiseziel an Renommee  gewinnt. Eine Genießertour entlang des Flusses, vom französischen Gris de Toul über den Crémant de Luxembourg bis zum Riesling an den Steillagen der Mittelmosel, könnte ganz nach dem Geschmack nicht weniger Touristen sein.

Der Moselwein soll „zum europäischsten aller Weine“ werden, gibt Ségolène Chavret die Marschroute vor. Sie hofft, dass sich möglichst viele der fast 4.000 Winzer und Weinbaubetriebe entlang der Mosel an der geplanten Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) beteiligen werden. „Wir wollen die wirtschaftlichen Aktivitäten der Mitglieder über die Grenzen hinweg erleichtern“, erklärt Peggy Dangelser von der LEADER-Aktionsgruppe „Pays Terres de Lorraine“. Eine EWIV biete gewisse Vorteile, weil sie beispielsweise nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei und mögliche Überschüsse investiert oder an die Mitglieder ausgeschüttet würden. Stephan Reuter von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz in Wittlich warb ebenfalls für das EWIV-Konstrukt. Dieses gestalte sich relativ unbürokratisch, zudem sei kein Stammkapital notwendig. Reuter sieht großes Potenzial für eine „innovative Zusammenarbeit zwischen Institutionen und Produzenten“, gemeinsam wolle man das Moseltal als den „Weingarten der Großregion“ positionieren.

„Terroir Moselle“ in Zahlen: In den 229 Weinbau-Ortschaften entlang der Mosel gibt es aktuell noch rund 4000 Winzerbetriebe. Mit einer Anbaufläche von 8880 Hektar entfällt das Gros auf den rheinland-pfälzischen Abschnitt des Flusses. Luxemburg kommt auf 1.350 Hektar, das Saarland bei Perl auf etwa 110. Eher bescheiden ist da die Rolle Lothringens, das in der Konkurrenz zu anderen französischen Anbaugebieten wie dem Medoc bei Bordeaux im eigenen Land eher ein Schattendasein fristet. Die beiden Weinbaugebiete „Côtes de Toul“ (umfasst die Stadt Toul) und „Moselle“ (Raum Metz bis zum Dreiländereck) zählen insgesamt nur 55 Betriebe, die auf eine Anbaufläche von 180 Hektar kommen.

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