Stadt Trier soll Tausende Überstunden nachzahlen

Hiobsbotschaft für den Trierer Stadtvorstand und die Mitglieder des Rats: Jürgen Ihl, Oberbrandmeister der Berufsfeuerwehr und Vize-Bundesvorsitzender der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft (DFeuG), hat das Rathaus auf Nachzahlung von Überstunden aus den Jahren 2002 bis 2006 verklagt. Sollte die Klage Erfolg haben, drohten dem chronisch klammen Stadtsäckel zusätzliche Belastungen „im hohen sechsstelligen Bereich“, bezifferte Ihl gegenüber 16vor. Ermutigt fühlen er und seine Gewerkschaft sich von einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, das jüngst Bielefelder Floriansjüngern in einem vergleichbaren Fall Recht gab. Die Stadt Köln einigte sich bereits zuvor mit Hunderten ihrer Feuerwehrleute auf einen Vergleich und zahlte mehr als sieben Millionen Euro nach. Im Trierer Rathaus wollte man sich auf Anfrage bislang nicht äußern.

TRIER. Ende September traf das Bundesverwaltungsgericht ein für viele Kommunen möglicherweise folgenschweres Urteil: „Voller Freizeitausgleich für Überschreitungen der Höchstarbeitszeit bei der Feuerwehr“, ist die entsprechende Pressemitteilung des „BVerwG“ überschrieben. Im Kern geht es darum, dass Feuerwehrbeamte, die in den Jahren bis 2006 wöchentlich im Durchschnitt 54 Stunden arbeiteten, für die über 48 Wochenstunden hinausgehende Dienstzeit einen Anspruch auf Freizeitausgleich haben. Den könnten sie „im vollen Umfang der zuviel geleisteten Stunden geltend machen“, urteilten die Leipziger Richter.

Der Entscheidung lag die Klage von Beamten der Berufsfeuerwehr Bielefeld zugrunde. Diese hatten über mehrere Jahre hinweg bis einschließlich 2006 wöchentlich regelmäßig 23 Stunden Volldienst und 31 Stunden Bereitschaftsdienst geleistet. Nun verlangten sie einen Freizeitausgleich für jene sechs Stunden, die über die 48 Wochenstunden hinausgegangen waren. Während die ersten beiden Instanzen entschieden, dass die Zeiten des Bereitschaftsdienstes nur zur Hälfte berücksichtigt werden dürften, gab Leipzig den Bielefelder Floriansjüngern auf breiter Front Recht.  Das Gericht hob die Urteile der Vorinstanzen auf und befand, dass laut EU-Recht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit „im hier maßgeblichen Zeitraum einschließlich Mehrarbeitsstunden 48 Stunden nicht überschreiten“ durfte. Der Bereitschaftsdienst habe wie Vollarbeitszeit angerechnet werden müssen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben stehe den Klägern für den Rechtsverstoß des Arbeitgebers ein Anspruch auf angemessenen Freizeitausgleich zu. „Bei der Berechnung dieses Anspruchs muss der geleistete Bereitschaftsdienst in vollem Umfang berücksichtigt werden, um einen Wertungswiderspruch zum Unionsrecht zu vermeiden. Zwingende dienstliche Belange wie die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft im feuerwehrtechnischen Dienst können bei der Erfüllung der Ansprüche auf Freizeitausgleich berücksichtigt werden“, erklärten Deutschlands oberste Verwaltungsrichter.

Nun droht das Urteil die Berufsfeuerwehr Trier einzuholen – und den Konsolidierungsbemühungen der Stadtspitze einen empfindlichen Dämpfer zu verpassen. Denn Jürgen Ihl, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft (DFeuG), hat beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht. Er verlangt von der Stadt Nachzahlungen für in den Jahren 2002 bis 2006 geleistete Überstunden. Ausdrücklich beruft sich der Oberbrandmeister aus Trier hierbei auf das Grundsatzurteil aus Leipzig.  „Wir in Trier werden diese Ansprüche nun ebenfalls geltend machen“, kündigte er im Gespräch mit 16vor an. Beim Verwaltungsgericht bestätigte man auf Anfrage den Eingang der Klage.

Köln bot einen Vergleich an

Ihl hofft gleichwohl noch auf eine Einigung mit der Stadtverwaltung. Man sei „jederzeit gesprächsbereit“, erklärte er. Von dem Grundsatzurteil profitieren könnten seinen Angaben zufolge rund 100 Trierer Feuerwehrbeamte im Schichtdienst. Diese hätten im besagten Zeitraum jeweils zwischen 800 und 1.000 Mehrstunden angehäuft – „bislang ohne Freizeitausgleich oder Euro-Vergütung“, so Ihl. Dass ein Freizeitausgleich eine ernsthafte Option ist, scheint indes fraglich. Denn angesichts der Personalknappheit ist kaum vorstellbar, dass die Feuerwehrmänner über kurz oder lang Hunderte Überstunden abfeiern könnten. „Der Brandschutz der Bevölkerung wäre dann unter Umständen nicht mehr gewährleistet“, glaubt Ihl, ein Ausweg liege wohl nur in einem finanziellen Ausgleich.

Tatsächlich haben andere Kommunen schon vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Konsequenzen gezogen. So bot die Stadt Köln den Betroffenen einen Vergleich an: Eine saftige Nachzahlung gegen eine Erklärung, auf weitere Rechtsmittel zu verzichten. Laut Jens Müller, Sprecher der Kölner Berufsfeuerwehr, haben insgesamt 860 Beamte und Pensionäre diesen Vergleich unterschrieben, mehr als sieben Millionen Euro musste die Stadt daraufhin nachzahlen. Man gehe der Sache „recht optimistisch“ entgegen, sagt Ihl und verweist auf das Beispiel Köln.

Wie die Stadt Trier zu dem ganzen Vorgang steht, ist bislang unklar. Auf eine am vergangenen Donnerstagmorgen gestellte Presseanfrage war vonseiten des Rathauses bislang keine Stellungnahme zu erhalten. In jedem Fall kommt die Klage für die Verantwortlichen am Augustinerhof zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, und auch wenn die Überstunden in einem Zeitraum aufliefen, in dem weder OB Klaus Jensen (SPD) noch Feuerwehrdezernent Thomas Egger (FDP) im Amt waren, so könnte die Klage dem aktuellen Stadtvorstand noch einiges Kopfzerbrechen bereiten. Sollten Ihl und seine Gewerkschaft Recht bekommen, müssten sich die Kommunalpolitiker auf die Suche nach weiteren Einsparmöglichkeiten machen. Dass im Entwurf des Oberbürgermeisters für den Haushalt 2012 Vorkehrungen für diesen Fall getroffen wurden, ist nicht bekannt.

Egger muss sich derweil mit einer weiteren „Altlast“ beschäftigen: Im Februar hatte 16vor exklusiv über ein regelrechtes Chaos im Sachgebiet „Abrechnung Rettungsdienst“ berichtet. Aufgrund von Personalknappheit waren dort etliche Tausend Fälle nicht zeitnah abgerechnet worden, weshalb die Stadt das ihr zustehende Geld erst mit monate- und jahrelanger Verspätung eintreiben konnte.

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