Reggae von der Resterampe

Viel Lärm um nichts: Das dreitägige Amphitheater-Open-Air mit „namhaften nationalen Acts“ hat am vergangenen Freitag mit einer Resterampen-Gala ihren Auftakt gefeiert: Der deutsche Reggaemusiker Gentleman hat außer einem zwei Jahre alten Album wenig im Gepäck. Auf dieser dünnen Grundlage performt er in einer routinierten Langeweile, die selbst dem Trierer Publikum zu wenig ist.

TRIER. Der Schriftzug „Diversity“, der in großen Buchstaben auf der Bühnenwand im Amphitheater prangt, liest sich eher wie ein Schuldeingeständnis denn eine Verheißung. Zweieinhalb Jahre hat das „neue Album“ (O-Ton Pressemitteilung) des deutschen Reggae-Musikers Gentleman schon auf dem Buckel, ein neues ist erst mal nicht in Sicht. „Ich find halt die alten Sachen gut“, sagt ein Student vor dem Konzert über seine Motivationslage für den Konzertbesuch, „‚Dem Gone‘ und so. Außerdem ist die Location hier cool“. Vielen weiteren potentiellen Besuchern war die Begeisterung für „die alten Sachen“ wohl keine 33 Euro wert: Dem Vernehmen nach wurde nur wenig mehr als die Hälfte der Tickets unters Volk gebracht.

Die ernüchternden Besuchszahlen, die in weiten Teilen verhaltene Stimmung im Publikum – was als großer Konzertevent angelegt war, demonstriert das Sinken eines Sterns, der ehemals zu den ganz Großem im deutschen Musikbusiness zählte. Ende der Neunzigerjahre, als deutscher HipHop musikindustriell weitgehend abgegrast war, kam Tilmann Otto wie gerufen, das entstandene popkulturelle – und vor allem: kommerzielle – Vakuum zu füllen. Mit seiner leicht verdaulichen Reggae-Performance trug er unter dem Künstlernamen Gentleman die Bob-Marley-Folklore in das 21. Jahrhundert. Es wurde eine Musik geboren, die in ihrer freundlichen Folgenlosigkeit zur Strandparty des Bankvorstands ebenso passt wie in die Haschisch-Runden im abgedunkelten Jugendzimmer.

Mit „Runaway“, „Superior“ oder „Intoxication“ landete er massenkompatible Verkaufsschlager und wurde zur Gallionsfigur der sich bahnbrechenden Reggae- und Dancehall-Szene. Und wenn Kritiker die Szene als Sammelbecken phlegmatischer Kiffer verunglimpfen, die sich in der Leistungsverweigerung eingerichtet haben und weder zur musikalischen noch zur wirtschaftlichen Entwicklung etwas beizutragen haben, dann darf ihnen zumindest in diesem einen Punkt zustimmen: Für spannende musikalische Weiterentwicklungen sind Reggae im Allgemeinen und Gentleman im Speziellen nicht unbedingt die Referenzgrößen.

Inhaltlich ist Gentlemans Werk ein Sammelsurium bequemer Unverbindlichkeit à la „Just be yourself“ gepaart mit missionarischem Eifer, wenn es um Gottesgläubigkeit geht. Bei so viel Glaubensbegeisterung hätte nicht überrascht, wenn Gentleman sich für die freundliche Einladung in die Bischofsstadt bedankt hätte. Hat er natürlich nicht. Stattdessen demonstrieren er und seine Background-Sänger bei jeder Gelegenheit, dass sie sich sehr genau notiert haben, in welcher Stadt sie gerade auftreten. „Trier, are you still there?“, „Trier, can you hear me?“, „Trier, let’s go crazy“, oder einfach als selbsterklärendes Nonstop-Staccato: „Trier! Trier! Trier!“ – dieser Basso Continuo wird nur noch dann gesteigert, wenn Gentleman höchstpersönlich (der zwischendurch gerne mal für eine Nummer von der Bühne verschwindet und seinen Background-Gehilfen die Arbeit überlässt) sich um weltverbesserische Kommunikation mit seinen Zuschauern bemüht: „Now I wanna see every lighter for a better tomorrow!“

Das Trierer Publikum, an dem sich im Vorfeld schon die wesentlich charmantere französische Ska-Reggae-Band Babylon Circus engagiert die Zähne ausbiss („Trier, was ist da los? Warum können wir eusch nischt ‚ören?“), zeigt sich zu Recht nur verhalten begeistert ob dieser ziemlich lieblos aufgewärmten Retorten-Show, die in ziemlich ähnlicher Form schon seit über zwei Jahren zu sehen ist. Selbst Gentlemans gesungene Forderung zur Legalisierung von Marihuana (immerhin etwas) kommt daher wie das pflichtbewusste Abhaken einer Haltung, die eben zum Programm gehört.

Da kann auch der Lichttechniker, der in ganz und gar unzeitgemäßer Stromverschwendungssucht die Scheinwerfer heiß laufen ließ, nichts mehr retten. Die Eltern des Künstlers, die gemeinsam mit dem Trierer Landadel die Show von einer exklusiven wie exponierten V.I.P.-Lounge verfolgen, klatschen am Ende eifrig und engagiert. Aber das war ja schon im Schultheater kein verlässlicher Indikator für eine gute Bühnenleistung.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.