„Rechtlich unerquickliche Situation“

Ende letzten Jahres sorgte ein Urteil für Aufsehen: Bielefelder Feuerwehrleute hatten auf einen Ausgleich für zu viel geleistete Überstunden geklagt und vom Bundesverwaltungsgericht Recht bekommen. Ermutigt von der Entscheidung der Richter klagte auch ein Trierer Oberbrandmeister. Unterstützt wird er hierbei von der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft, deren Vize-Chef er ist. Am 28. Februar wird die Klage vor dem Verwaltungsgericht verhandelt, doch die Erfolgsaussichten des Klägers haben sich spürbar verschlechtert. Denn laut der inzwischen vorliegenden Urteilsbegründung hätte der Beamte seine Ansprüche früher geltend machen müssen. Die Gewerkschaft sieht dennoch weiterhin die Stadt in der Pflicht und kündigt eine Protestaktion an. Dass die Feuerwehrbeamten ihre Ansprüche zu spät geltend gemacht haben, ändere nichts daran, dass die Ansprüche berechtigt seien, argumentiert die DFeuG.

LEIPZIG/TRIER. Auf der letzten der zwölf Seiten zählenden Urteilsbegründung findet sich der Leitsatz, der Jürgen Ihl und seinen Kollegen übel aufgestoßen sein muss: „Der Beamte muss den Ausgleichsanspruch durch einen an den Dienstherrn gerichteten Antrag geltend machen“, heißt es dort, und weiter: „Der vor der Antragsstellung zu viel geleistete Dienst muss nicht ausgeglichen werden“. Im Klartext: Der Anspruch hätte zeitnah geltend gemacht werden müssen, am besten bevor der Dienst geleistet wurde. Was im Falle der Bielefelder Kollegen geschah, kann Ihl von sich nicht behaupten. Den Anspruch auf in den Jahren 2002 bis 2006 geleistete Überstunden hatte der Oberbrandmeister erstmals im Januar 2011 angemeldet. Wenige Monate zuvor hatte das Urteil eines Magdeburger Gerichts ihn und seine Gewerkschaft alarmiert.

Als Ihl im vergangenen Herbst dann Klage gegen die Stadt Trier einreichte, lag die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht vor. Dass die Richter befanden, dass Beamte, die „über die unionsrechtlich höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit“ hinaus Dienst leisten, diese auch „in vollem Umfang ausgeglichen werden“ müsse, hatte die Feuerwehrgewerkschaft aber bereits angespornt, nun ebenfalls die Justiz zu bemühen. Jetzt scheint klar: Der Leipziger Spruch wird dem Trierer wenig nutzen. Seine Chancen, vor dem Verwaltungsgericht Recht zu bekommen, stehen schlecht; und zwar unabhängig davon, ob die Stadt nunmehr anerkennt, dass Ihl überhaupt Ansprüche geltend machen kann. Das war bislang nicht der Fall. Im November erklärte das Rathaus gegenüber 16vor, dass man die Ansprüche „im speziellen Fall für nicht gerechtfertigt“ beziehungsweise auf dem Klageweg für nicht „erfolgreich durchsetzbar“ halte. Allerdings kalkulierte man am Augustinerhof auch für den „Was-wäre-wenn“-Fall, wenn also Ihl doch Recht bekäme. Dann wären Nachzahlungen von bis zu 800.000 Euro denkbar, hieß es seinerzeit.

Nach Lage der Dinge wird es soweit nicht kommen, und dass die Stadt noch dem Beispiel Kölns folgen und einen Vergleich anbieten könnte, ist bislang nicht zu erwarten. Zur Erinnerung: Noch bevor die Leipziger Richter ihr Urteil fällten, hatten die Verantwortlichen der Domstadt rund 860 Feuerwehrmännern inklusive Pensionären, die nach 2002 noch im Dienst gewesen waren, eine Nachzahlung von insgesamt mehr als sieben Millionen Euro angeboten. Im Gegenzug mussten die Beamten sich per Unterschrift verpflichten, keinerlei Ansprüche mehr geltend zu machen.

Städtetag informierte Mitgliedsstädte

In Trier könnte derweil die Auseinandersetzung eskalieren, und bei der DFeuG ändert man bereits die Strategie. Dass man sich auf dem Rechtsweg nicht mehr allzu große Hoffnungen macht, dafür sprechen Passagen aus einem Flyer, der 16vor vorliegt. In der Verhandlung am 28. Februar gehe es „nicht nur darum, ob jeder von uns einen Ausgleich für die definitiv geleisteten Stunden bekommt“, heißt es dort, sondern „auch darum, welche Wertschätzung uns aus dem Rathaus entgegen gebracht wird“. Bei der Gewerkschaft kalkuliert man ein Scheitern der Klage offen ein, was aus Formulierungen wie folgende deutlich wird: „Es ist durchaus möglich, dass das Gericht zu dem Entschluss kommt, unsere Ansprüche seien verjährt“. Weiter heißt es: „Lasst uns bei negativem Ausgang der Verhandlung gemeinsam zum Rathaus ziehen und dort unsere Funkmeldeempfänger abgegeben“.

Mit der Protestaktion, die ebenfalls für den 28. Februar geplant ist, will die Feuerwehr-Gewerkschaft den Druck weiter erhöhen. In ihrem Flyer drohen die Gewerkschafter mit „Dienst nach Vorschrift“, es werde dann „kein Entgegenkommen“ mehr geben, solange die Stadt nicht einlenke. Ihl will sich zu dem ganzen Vorgang nicht mehr äußern, nachdem ihm im vergangenen Herbst ein Disziplinarverfahren drohte, weil er seinen Fall publik gemacht hatte. In der Gewerkschaft hält man seine Forderungen und die vieler Kollegen indes weiterhin für gerechtfertigt, wie DFeuG-Chef Toni Raskopp betont. Spätestens seit 2005 habe man im zuständigen Dezernat Kenntnis davon gehabt, dass die seinerzeitige Arbeitszeitregelung nicht mit EU-Recht vereinbart war. argumentiert die Gewerkschaft. Tatsächlich informierte der Deutsche Städtetag im August 2005 die „Ordnungsdezernenten/innen und Personaldezernent/innen der Mitgliedsstädte“ über die Problematik. In dem Schreiben, das 16vor vorliegt, ist von einer „rechtlich unerquicklichen Situation“ die Rede, vor der die Mitgliedsstädte stünden. Immerhin so viel musste den damals Verantwortlichen im Trierer Rathaus klar gewesen sein: Klagen von Feuerwehrmännern würden nur noch eine Frage der Zeit sein.

Hatte die Gewerkschafter das Leipziger Urteil vor wenigen Monaten geradezu euphorisiert, hat sich nunmehr großer Frust breit gemacht: „Die Quittung für das Vertrauen in den Dienstherrn und ihre Zurückhaltung haben die Feuerwehrbeamten, die keinen Antrag gestellt haben, mit dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bekommen“, macht die DFeuG auf ihrer Homepage aus ihrer Enttäuschung keinen Hehl.

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