Nur Trier ist noch schlechter zu erreichen
Dass Trier in mancherlei Hinsicht „unerreichbar“ ist, mag noch angehen. Dass eine Studie der Technischen Universität Dresden aber nun zu dem Ergebnis kam, dass die Moselstadt in punkto Erreichbarkeit mit der Eisenbahn auf dem letzten Platz rangiert, müsste im Rathaus und anderswo zu denken geben. Die Untersuchung kommt zu dem vernichtenden Fazit, dass von den 80 größten Städten der Republik keine zweite schlechter an die Bahn angeschlossen ist als Trier. Die mutmaßlich älteste Stadt sieht also richtig alt aus, weshalb der Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster jetzt tobt: „Bei der Bahn hat Trier die rote Laterne“. Dabei wurden in der Studie die gravierenden Streichungen im Fernverkehr, die am 11. Dezember inkraft treten werden, noch gar nicht berücksichtigt.
TRIER/DRESDEN. Es gibt Sätze, die will man nicht lesen: „Der gesuchte PCA-Index einer Stadt i ergibt sich, wie nachfolgend formal dargestellt, anhand einer Linearkombination der Regressionskoeffizienten und der standardisierten Ausgangsvariablen (NET relative Netzwerkeffizienz, DAI tägliche Erreichbarkeit, POT Wirtschaftspotenzial)“. Besagter PCA-Index bildet die Grundlage für ein Ranking, bei dem Trier denkbar schlecht abschneidet. Weshalb die Autoren der Studie auch ohne Umschweife zu Schlussfolgerungen kommen wie „Nur Trier und Cottbus (Plätze 80 und 79) sind noch schlechter per Eisenbahn zu erreichen als Chemnitz“. Als Trierer Bahnfreund will man zwar auch das nicht lesen, aber immerhin ist es allgemeinverständlich.
Im Frühjahr diesen Jahres erhoben Mitarbeiter des Lehrstuhls für Verkehrswirtschaft und internationale Verkehrspolitik der Technischen Universität Dresden die Daten für ihre groß angelegte Untersuchung zur Erreichbarkeit der 80 größten Städte Deutschlands. Im Gespräch mit Claudia Hesse, Mitarbeiterin des Instituts für Wirtschaft und Verkehr der TU, bekommt man eine Vorstellung davon, welche Indikatoren in die Untersuchung mit einflossen. Hesse zählt zu den Autoren des Berichts, der in einer Publikation des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) erschien.
Bei der Berechnung des PCA-Index, der auf Grundlage von drei Indikatoren gebildet wird, wurde unter anderem auch der Faktor „Tägliche Erreichbarkeit“ berücksichtigt. So habe man beispielsweise untersucht, wie viele Menschen im Umkreis der jeweiligen Stadt innerhalb von vier Stunden mit der Bahn erreichbar wären, erläutert Hesse. Zudem wurde über einen Zeitraum von vier Wochen ermittelt, welches die jeweils schnellsten Bahnverbindungen zwischen allen an der Untersuchung beteiligten Städten sind. Die Dresdner Forscher suchten also online nach den besten Zugverbindungen zwischen Duisburg und Erlangen, Bonn und Salzgitter, Trier und Rostock. 80 mal 80 Städteverbindungen wurden so mit einbezogen und hierbei immer die schnellste Möglichkeit zugrunde gelegt.
Erfahrene Bahnreisende aber wissen: Nicht immer sind IC- und ICE- auch die schnellsten Verbindungen. Oftmals entscheiden auch Umsteigezeiten. Hesse stellt denn auch klar, dass die Art des Zugs erst einmal nachrangig gewesen sei. Aber natürlich sei ein Zusammenhang zwischen dem Angebot an Fernverkehrsverbindungen und der Erreichbarkeit nicht zu leugen, ergänzt die Dresdnerin sogleich. In der Studie heißt es deshalb, „dass insbesondere Städte mit einem Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsnetz (ICE-Netz) besser erreichbar sind als Städte ohne einen solchen Anschluss, auch wenn sie sich in einer peripheren Lage befinden“. Dass ICE-Knotenpunkte wie Hannover, Köln und Düsseldorf unter den TOP 10 in Sachen Erreichbarkeit auftauchen, verwundert kaum. Selbst Ludwigshafen schneidet mit einem achten Platz ausgesprochen gut ab, was die Chemiestadt aber wohl auch ihrer Nähe zu Mannheim verdanken hat, dem Fernverkehrsknoten in der Metropolregion Rhein-Neckar schlechthin.
„Schlichtweg aufs Abstellgleis gestellt“
Dass die geographische Lage eine wesentliche Rolle bei der Erreichbarkeit der Städte spielt, liegt auf der Hand. Vor allem Städte der neuen Bundesländer schnitten in der Untersuchung unterdurchschnittlich ab, darunter Dresden (Platz 75) und Jena (74). „Generell geht aus der Analyse hervor, dass die Städte an der Bundesgrenze tendenziell geringe Erreichbarkeitswerte haben“, schreiben die Wissenschaftler. Schließlich habe man lediglich die Situation im Bundesgebiet betrachtet. „Würde man Deutschland in einem gesamteuropäischen Kontext betrachten, würde sich ein weniger drastisches Ergebnis für die peripher gelegenen Städte wie bspw. Regensburg oder Saarbrücken einstellen, denn Deutschland ist mit seiner zentralen Lage in Europa ein bedeutendes Transitland im Schienenverkehr“, geben die Forscher zu bedenken.
Wenn man Triers Randlage in der Republik relativieren will, ist schnell vom „Herzen Europas“ die Rede. In ihrer Doktorarbeit will Claudia Hesse nun die europäische Betrachtung vornehmen, dann wird sie aller Voraussicht nach auch Trier wieder in den Blick nehmen. Dass man von Luxemburg aus mit dem französischen TGV in kaum mehr als zwei Stunden mehrmals täglich nach Paris fahren kann und auch gute Verbindungen nach Brüssel bestehen, könnte Triers Position im Ranking leicht verbessern. Doch anders als im Fall von Saarbrücken (Platz 72) oder Freiburg (62) enden die grenzüberschreitenden Verbindungen bereits nach einer Stunde Fahrtzeit. Durchgehende Fernverkehrsverbindungen wie von der saarländischen Landeshauptstadt über Lothringen nach Paris wird es in Trier wohl nie geben.
Dabei hatte der Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster noch vor nicht allzu langer Zeit darauf gehofft, über Trier einen Brückenschlag zwischen dem deutschen ICE- und dem französischen TGV-Netz zu schlagen. In Luxemburg hätten sich die Hochgeschwindigkeitszüge beider Länder treffen können, so seine Vision. Doch dazu wird es nicht mehr kommen, und der Unionsmann, der am Donnerstag auf die Dresdner Studie aufmerksam machte, ist nun regelrecht außer sich: „Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Bei der Bahn hat Trier die rote Laterne.“ Kaster weiter: „Bahnchef Grube und Ministerpräsident Kurt Beck sollen sich schämen“, sie hätten „mit der Region Trier – Luxemburg ein übles Spiel gespielt“. Dabei nimmt der Bundestagsabgeordnete Bezug auf die Streichungen im Fernverkehr, die am 11. Dezember inkraft treten und dazu führen werden, dass kein ICE und kaum noch ein IC nach Trier fahren werden.
Wäre es zu diesen Streichungen nicht gekommen, hätte dass an den verheerenden Ergebnissen der Studie indes nichts geändert. Dass nun aber nicht zuletzt Luxemburg aushelfen muss, um die entstehenden Lücken im Fahrplan mit Regionalexpresszügen zu füllen, findet Kaster „peinlich“ für die deutsche Seite. Man sei schlichtweg aufs Abstellgleis geschoben worden, kritisiert er.
von Marcus Stölb