„Nix gegen Freddy!“

Aus dem Nichts auf Platz eins in den Album-Charts – Santiano sind das Musikphänomen des Jahres. Die Musiker aus dem hohen Norden, die sich flüchtig kannten, trafen sich auf einem Fest, und wie das bei Musikern eben so ist – irgendwann wurde gejamt. Das gefiel dem Gastgeber und Produzenten Hardy Krech so gut, dass er die Herren gleich am nächsten Tag ins Studio bestellte. In Kürze entstand das Album „Bis ans Ende der Welt“. Mit einer beschwingten Mischung aus traditionellen, internationalen Volksliedern, Seemannsliedern, Rock’n’Roll und Irish Folk begeistert die Band aus dem Flensburger Raum seitdem ein enorm breites Publikum von MDR-Zuschauern bis Metal-Fans. Am 22. September kommen Santiano in die Europahalle. 16vor hat sich mit den Bandmitgliedern Björn Both und Andreas Fahnert in Trier getroffen.

16vor: Herr Both, können Sie mir sagen, wo Backbord liegt?

Björn Both: (irritiert) Was soll das denn? Links.

16vor: Das war auch einfach. Aber was bedeutet „abbrassen“?

Both: Na, die Segel einziehen.

16vor: Das war nur ein Test, um zu sehen, ob Sie sich in der Seefahrersprache auskennen.

Both: Pete Sage, unser irischer Fiddler, hat darin die größte Erfahrung. Er heuert hin und wieder irgendwo an und schippert über die Meere. Er ist vor 30 Jahren in Flensburg angekommen und hat im Museumshafen seine Leidenschaft entdeckt. Dort werden alte Schiffe restauriert und aufgemöbelt. Wenn man zu viel Geld hat und nicht weiß, wohin damit, kann man sich so ein Holzsegelschiff kaufen.

Pete kann so ein Ding komplett neu auftakeln. Auch bei mir in der Familie ist das väterlicherseits sehr verbreitet. Wir waren alles Seeleute. Mein Vater ist noch zur See gefahren, hat das aber auf halber Strecke stecken lassen, weil die Kinder gekommen sind. Er hat aber immer Segeljachten gehabt. Und mir damit so manche Sommerferien versaut.

16vor: War dadurch schon früh eine Affinität zu Shantys da?

Both: Nee. Überhaupt nicht. Shantys anhören hatte immer etwas Verstaubtes, Hans Albers und so, ne? Unsere Intention war deshalb, die Sachen aus der staubigen Ecke mal rauszukriegen und mit Elementen zu verbinden, auf die wir Bock haben. Ein bisschen Irish Folk, alles ein bisschen rockiger und heftiger – das passt gut zusammen.

16vor: Hat jemand von Ihnen vorher schon diese Art von Musik gemacht?

Andreas Fahnert: Das kann man nicht sagen. Ich habe die Musik für die „Werner“-Filme gemacht. Für die Süddeutsche ist das fast dasselbe: „Werner“-Musik und Shantys. Eines meiner Lieblingslieder aus den Filmen heißt „Gammeln auf’m Strand„, das hat mit Wasser zu tun. Aber das war’s dann auch.

Wir kommen nicht von der Seemannsmusik. Das ist explodiert, als wir uns auf dieser Party kennen gelernt haben. Das war wirklich so ein magischer Moment. Da haben wir gemerkt, wie unsere Stimmen zusammen funktionieren. Wie Shantys drücken können, wenn sie richtig gesungen werden. Wir haben uns angeguckt und gesagt: „Wow! Was ist das denn?!“ Das hat sich auch der Produzent gedacht, der neben uns stand. So ist das alles entstanden.

16vor: Besitzt einer von Ihnen Platten von Freddy Quinn?

Fahnert: Ich habe eine Freddy-Quinn-Platte aus dem Erbe meiner Mutter. Nix gegen Freddy. Er ist ein großer Künstler.

Both: Alle versuchen ihr Bestes, alle tun, was sie können und haben damit mehr oder weniger Glück. Alle machen diese Berg- und Talbahn mit, die 30, 40 Jahre Showgeschäft bedeutet. Da kannst du jedem nur Toi, Toi, Toi, Hals und Beinbruch und viel Glück wünschen. Freddy Quinn hat das einfach auch verdient. Man versucht, zu überleben. Ob er das nun in der Schlagerbranche macht oder in der Volksmusik oder im Heavy Metal – erstmal zieht man davor den Hut.

16vor: Glauben Sie, dass Sie mit Ihrem zweiten Album, so es denn eins gibt, auch noch sowohl im ZDF-Fernsehgarten als auch beim Wacken auftreten?

Both: Wir wollen selber versuchen, da ein bisschen mehr Kontur reinzukriegen. Bei der Produktion des ersten Albums haben wir recht viele Angelhaken ausgeworfen – im 360-Grad-Winkel. Jetzt entsteht eine ganz andere Sprache, die wir entwickeln. Das wird auf dem zweiten Album viel ausgeprägter sein.

Wir lernen uns ja auch gerade erst kennen. Wir kannten uns ja nur aus der Ferne. Ich habe Andreas von Weitem beobachtet, wie er seine Sachen macht. Die Musikszene in Schleswig Holstein ist überschaubar. Wir sind eine Generation. All das, was wir jetzt voneinander lernen, muss auf dem zweiten Album Berücksichtigung finden, weil noch mehr Identität da ist.

Fahnert: Aber von wegen: Carmel Nebel und Wacken. Es wäre schön, wenn die Fanschaft so gemischt bliebe. Die ein oder andere Fernsehsendung muss es vielleicht nicht mehr sein.

Both: Ob wir diesen Spagat aufrecht erhalten können, ohne dass es im Schritt reißt, muss man sehen… Es war von vornherein nicht geplant. Natürlich könnte es so weiterlaufen, aber wir setzen nicht darauf. Wir wollen nicht jedem gefallen.

16vor: Die Gefahr besteht, dass Viele, die Ihr Album auf Platz eins gebracht haben, beim zweiten sagen: „Oh, Seemannslieder sind sowas von out“.

Both: Genau. Wir kennen uns ja selbst als Musikkonsumenten. Da kommt eine Band, knallt ein Album raus, nach einem Jahr kommt das zweite. Hauen die nun in die gleiche Kerbe? Machen die wirklich ein Pendant zu dem Song und dem Song und dem Song. Die Westernhagen-Nummer: eine Klavierballade, eine Reggae-Nummer, eine Rock-’n‘-Roll-Nummer? Wollen wir auch so sein? Oder schaffen wir es, im Thema zu bleiben, eine Steigerung zu finden, eine im Detail noch raffiniertere Geschichte, ohne uns untreu zu werden. Wir müssen den Königsweg finden. Dabei sind wir gerade.

16vor: Sind Sie denn schon im Studio?

Fahnert: Wir sind mit einem Bein im Studio und mit dem anderen auf Tour. Die ersten Songs sind schon anproduziert. Wir schmeißen alles zusammen und gucken dann am Schluss.

16vor: Werden auch wieder Coversongs dabeisein?

Fahnert: Die Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Both: Das grobe Konzept wird so beibehalten werden, denke ich mal. Es hat gut funktioniert und wir mögen es sehr. Die Kombination finden wir gut. Wir wollen eine Verbesserung hinkriegen, ohne unseren Weg zu verlassen. Der Innovation wegen große Veränderungen reinbringen – das kannst du beim dritten oder vierten Album machen.

16vor: Haben Sie schon Geld von der Plattenfirma gesehen? Gibt es Pläne, was damit passieren soll?

Both: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Wir wissen ja auch noch nicht, wie viel das sein wird. Wir haben lange genug kein Geld gehabt. Für uns hat sich bis jetzt noch nicht so viel verändert. Ich kenne außerdem keinen, der sich eine goldene Nase mit einem guten Album verdient hat. Selbst in den 80ern und 90ern, als das vielleicht noch ging. Heute kannst du über Plattenkäufe nur ganz schwer Geld verdienen. Du musst ins Live-Geschäft rein – und vor allem lange, damit etwas hängenbleibt.

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