Einstellungs- statt Geldproblem?

So hochrangig waren die Diskussionen selten, die in Trier den Stellenwert der Kulturpolitik verhandelt wissen wollten: Neben Theater-Intendant Gerhard Weber und „Mosel Musikfestival“-Chef Hermann Lewen hatte sich der erste Mann im Kulturstaate nach Trier aufgemacht und schmeichelte der verunsicherten Kulturseele mit salbungsvollen Worten. Staatsminister Bernd Neumann (CDU) schwörte jene, die sowieso schon seiner Meinung sind, auf die Bedeutung der Kultur ein und hatte sonst wenig zur Realität von Kulturschaffenden in überschuldeten Kommunen zu sagen.

TRIER. Hinter der Fensterfront des Theaterfoyers thront in der Abenddämmerung die große Theatermaske im Garten, die mit den Jahren eine Patina aus Moos angesetzt hat, als wolle sie die Verrottung der Kultur ein plastisches Gesicht verleihen. So pessimistisch würde das im hellen Inneren des Theaterfoyers an diesem Abend aber niemand sagen, denn man ist in erster Linie zusammengekommen, so scheint es, um sich der Existenzberechtigung der Kulturinstitutionen im schneidenden Wind der Finanzkrisen und Entschuldungsfonds zu versichern. Nicht erst seit dem Erscheinen des Buches „Der Kulturinfarkt“, das seine Schatten noch immer über die Diskussion zu werfen vermag, hat die Verunsicherung des Kulturbetriebs sich nochmals verschärft, auch wenn mancher das gar nicht mehr für möglich gehalten hätte.

Mit Staatsminister Bernd Neumann sei „ein Freund Triers“ in die Stadt gekommen, betont Bernhard Kaster (CDU) in seinen einleitenden Worten. Eine Freundschaft, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien gerade eben erneut unter Beweis gestellt habe, als er eine Beteilung des Bundes an der Sanierung des Kreuzgangs von St. Matthias in Aussicht gestellt habe. Es seien dort „klare Worte“ gefallen, sagt Bernhard Kaster, auf dessen Einladung sein Parteikollege aus Berlin angereist war, nicht ohne Genugtuung.

„Klare Worte“, das sollte das Leitmotiv des Abends werden: „Mosel Musikfestival“-Chef Hermann Lewen forderte sie, Bernd Neumann fand sie, Gerhard Weber dankte für sie. Schöne Worte, folgenlose Worte: Dass die Kultur nicht das Sahnehäubchen, sondern die Hefe im Teig der Gesellschaft sei, führt Neumann in seiner Rede aus, die Balsam auf die Seele jedes Kulturschaffenden ist. „Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft“.

Wäre er anwesend gewesen (er lässt sich aus Xiamen entschuldigen), hätte an dieser Stelle vermutlich Thomas Egger seinen Einsatz gehabt. Ihm kommt in solchen Gesprächsrunden die undankbare Rolle zu, als Vertreter der „öffentlichen Hand“ Ideen mit ihrer Machbarkeit aus Sicht des Dezernats abzugleichen. Dass einem der altbekannte Verweis auf Sachzwänge einmal fehlen würde, hätte man auch nicht gedacht; aber ohne das argumentative Gegengewicht eines Vertreters von Kommune oder Land, denen die Finanzierung der Kultur nun mal obliegt, dreht sich die Runde in einem Kreis, der zwar schöne Pirouetten dreht, aber wenig mit der Realität eines Kulturbetriebs in einer Kommune zu tun hat, die voraussichtlich im Jahr 2015 zahlungsunfähig sein wird.

Haushaltskonsolidierung? Entschuldungsfonds? In Bernd Neumanns Ausführungen gar nicht das zentrale Problem der Kulturfinanzierung. „Wolfgang Schäuble hat mir mal gesagt: Der Kulturetat sei so unbedeutend in der Gesamtkalkulation seiner Summen, dass selbst massive Kürzungen darin auf das Gesamtbudget keine spürbaren Folgen hätte.“ In dieser Argumentation sollten die Kulturbudgets demnach sicher vor Kürzungen sein: „Mit Kürzungen bei Kultur, selbst wenn sie radikal sind, ist keine Sanierung zu machen, der Schaden dagegen ist immens.“

Kennt man die traurige Situation des maroden Theaters zwischen Sanierungsstau und Kürzungsdiktaten, kann man den Eindruck gewinnen, dem Kulturstaatssekretär sei zwischen sanierter Liebfrauenkirche, gotischem Kreuzgang und Filmförderpreis der Blick für die Zwänge abhandengekommen, denen kommunale Kulturinstitutionen in einer „marktkonformen Demokratie“ unterliegen. Stattdessen beschwört er die deutsche Kulturnation als erhaltenswerten Selbstzweck, der weniger durch Schuldenbremsen, sondern durch kulturfeindliche Individuen in den Stadtverwaltungen gefährdet sei: Man könne mehr Geld bereitstellen, wenn man das denn nur wolle: „Freunde, schont die Kultur!“, ruft er den anwesenden Stadtratsmitgliedern mit mahnendem Pathos entgegen, „alles andere ist der falsche Weg“. Kulturförderung stehe und falle mit der „Gesinnung“ der entscheidenden Politiker, nicht mit der Aufnahme der Kulturfinanzierung in den gesetzlichen Bereich der Pflichtaufgaben. „Die Festschreibung von Kultur als Pflichtaufgabe im Grundgesetz wäre nicht mehr als ein emotionales Bekenntnis, im Grundgesetz steht vieles“, sagt Neumann.

Gerhard Weber, der in seinem Eingangsreferat zugibt, immer öfter potentiellen Geldgebern „für zwei, drei Tausend Euro hinterherzutelefonieren“, will bei Bernd Neumanns Ausführung nicht bis zur letzten Konsequenz mitgehen. Er bedankt sich für das deutliche Plädoyer, fügt aber ein großes Aber hinzu: „Es ist bedeutend schwieriger, jene zusammenzubringen, die das auch finanzieren“. Das Antichambrieren bei potentiellen Investoren, es wird wohl immer selbstverständlicher zum Arbeitsalltag von Intendanten gehören. Dass es keine Denkverbote geben dürfe, bekräftigt Weber, auch wenn er dem kürzlich publizierten Vorschlag, die drei Sparten auf drei Häuser zu verteilen und einen regen Gastspielaustausch einzugehen „als Interessenvertreter dieses Theaters naturgemäß skeptisch gegenüberstehe“

„Es ist die Kultur, die unser Wertefundament bildet und zu Reflexion anregt, nicht die Wirtschaft“, sagt Neumann in einem Ton, als müsse diese einfache Wahrheit doch jeder Heuschrecke einleuchten. In den Wirtschaftsberatungsfirmen, die längst auch städtische Theater kaputtsparen und das dann „Fitmachen für die Wettbewerbsfähigkeit“ nennen, lächelt man vielleicht noch müde über den Begriff „Wertefundament“, bevor man schwungvoll den Rotstift ansetzt, um Stellen zu streichen, Sparten zu schließen und Spielpläne auf Wirtschaftlichkeit und Auslastung zu trimmen. Wie kann man über Kulturfinanzierung reden und darüber schweigen?

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