Muntermacher ohne Koffein

Ska, eine Musikrichtung, die in den 1950ern auf Jamaika entstand, erfreut sich spätestens seit Mitte der 70er einer treuen und großen Fangemeinde. In Trier, dem kleinen gallischen Dorf am Rande der Republik, etablierte sich die gutgelaunte Randalemusik immerhin seit Ende der 90er – was auch der Band Spy Kowlik zu verdanken ist, die sich mit den Jahren durch exzellente Liveauftritte und regelmäßige CD-Veröffentlichungen einen festen Platz in der deutschen Ska-Szene erspielt hat. Die siebenköpfige Combo um Ex-Basketballprofi James Marsh hat unlängst ihr viertes Album „Spycology“ veröffentlicht.

Ska ist schnell, macht Spaß und Metaller können schlecht drauf tanzen. Schuld ist der Off-Beat, die rhythmische Betonung liegt auf den Zwischenschlägen, dazu passt nervöses Hopsen und Schubsen besser als Haareschütteln auf die Eins.

Innovative Bands, meist über das legendäre Label 2-Tone-Records veröffentlicht, machten Ska für die breite Masse Ende der 70er durch die Fusion mit Punk, Rock oder Funk interessant. Auch durch den Erfolg des Reggae, dem zauseligen, bekifften Ziehkind des Ska, wurde die Musikrichtung zunehmend populärer.

Der Legende nach ist der Reggae aus dem Ska entstanden, weil in den 60ern eine Hitzeperiode die jamaikanischen Musiker und Tänzer dermaßen lähmte, dass sie die Sache einfach langsamer angehen mussten. Zu vermuten ist allerdings eher, dass die permanente Sonneneinstrahlung für eine besonders gute Ganjaernte sorgte und in Folge dessen die Geschwindigkeit der Songs dem Kifferträgheitsgesetz zu folgen hatte.

Im Gegensatz zum Reggae ist der Ska mit seinen Uptempo-Beats und den knalligen Hallo-wach-Bläsern weniger bis nicht geeignet als Fahrstuhlhintergrundmusik, Toilettenbeschallung oder für romantische Stunden zu zweit. Anders ausgedrückt könnte man auch sagen, Ska ist Reggae in Quickieform: schnell, heftig und schweißtreibend. Neben elektronischer Mucke also der optimale Soundtrack für die ADHS-Generation.

Mithin ist Ska auch eine Musik, die am besten live funktioniert. Trotzdem gönnt es sich die Trierer Ska-Kapelle Spy Kowlik in schöner Regelmäßigkeit, CDs mit ihren Songs unter die tanzwütige Fangemeinde zu bringen.

„Spycology“ heißt das aktuelle Album, dem man bis auf das irritierende Cover-Artwork (Ska-UFO im Anflug auf atompilzumrahmte Discokugel-Erde oder Stillleben mit Instrumentensträußchen und brennendem Waffelkeks?) fast nur Positives abgewinnen kann.

Die Bläsersektion macht ganz, ganz dicke Backen und sorgt durchgehend für gut getimte Punches hinter den mit hörbarer Energie eingetrommelten Drums, während die wummernden Basslinien so aufgepulvert übers Griffbrett turnen wie ein Rude boy über die Tanzfläche.

Insbesondere hier hat es die Band geschafft, ihre Routine als im Proberaum und auf der Bühne zusammengeschweißte Einheit in die digitale Scheibe zu stanzen, ohne nach all den Jahren abgerockt zu klingen, sondern frisch und spielfreudig.

Die exzellent eingespielten Gitarren und der ausgezeichnete Gesang, der ein bisschen an Roland Lee Gift erinnert, sorgen letztendlich für die Ausrufezeichen hinter einem insgesamt sehr guten Ska-Album, das einfach Laune macht. Auch das Songwriting ist durchweg hörenswert.

Die siebenköpfige Combo greift stilsicher in die musikalische Wühlkiste und kombiniert gekonnt Punk-, Reggae- und Rockelemente mit traditionellen Ska-Sounds. Der Band merkt man den Willen an, sich weiter zu entwickeln und Grenzen auszuloten, was im Großen und Ganzen gut funktioniert. Bei einigen Titeln stellt sich allerdings die Frage, ob nicht ein paar Breaks und Musikerwitze zu viel ins pickepackevolle Tütchen gepackt wurden.

Meine Anspieltipps sind der zwischen Ska und Rock pendelnde Titel „Spycology“, der etwas langsamere „Blue Bird Reggae“ und das gitarrenlastige „Mine For All The Time“, drei wirklich erstklassige Songs.

Für alle, die sowieso auf Ska stehen, ist die CD auf jeden Fall ein Musthave.
Denjenigen, die sich bis jetzt noch nicht entscheiden konnten, abends vor der Glotze einpennen und am tristen Sommer zu verzweifeln drohen, sei „Spycology“ als Gute-Laune-Injektion und Muntermacher wärmstens empfohlen.

Weitere Infos finden Sie auf der Homepage von Spy Kowlik.

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