Das nicht ganz so heiße Blechdach

Am bewegendsten zum Schluss ist „Big Daddys“ Läuterung, nicht das Schicksal von Margaret und Brick. Das kann vom Regisseur Werner Tritzschler so gewollt sein, überrascht aber auch nicht weiter, da die beiden Hauptfiguren schon in den zwei Stunden zuvor kaum zu berühren vermochten. Am vergangenen Samstag feierte das 1955 erstmals aufgeführte Stück „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ Premiere im fast ausverkauften Großen Haus des Theaters. Manche Themen dieses zeitlosen Klassikers von Tennessee Williams bleiben in Tritzschlers Inszenierung leider nur an der Oberfläche. Dafür nehmen Nebenhandlungen an Bedeutung zu.

TRIER. Der Film „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ wird gerne verwechselt mit Alfred Hitchcocks „Über den Dächern von Nizza“. Das dürfte vor allem an der Nennung oberer Hausabschlüsse in beiden Titeln liegen. Und vielleicht auch noch daran, dass in den zwei fantastischen Streifen jeweils eine Hauptfigur „Katze“ genannt wird. Im Programmheft kam man dann auch noch mit Verfilmungen von Williams‘ Dramen durcheinander und machte Marlon Brando (anstatt Paul Newman) zum Partner von Elisabeth Taylor in „Die Katze auf dem heißen Blechdach“. Brando spielte jedoch in „Endstation Sehnsucht“ die Hauptrolle.

In „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ geht es also nicht um einen Juwelendieb an der französischen Riviera, sondern um zwischenmenschliche Probleme im Rahmen einer Familienfeier in den USA. Der 65. Geburtstag des reichen Farmers „Big Daddy“ steht an. Die ganze Blase ist angereist: die beiden Söhne Gooper und Brick, deren Ehefrauen und Goopers Kinder. Brick, der sich am Vorabend im volltrunkenen Zustand beim Hürdenspringen den Knöchel brach, musste von seiner Frau Margaret dazu überreden werden, weil sie ihrem Schwager und dessen geldgieriger Gattin auch im buchstäblichen Sinne nicht das Feld überlassen möchte. Denn „Big Daddy“ – gerade aus dem Krankenhaus entlassen – ist todkrank. Alle außer ihm und seiner Frau wissen das. Leider bleiben die psychologisch reizvollen Aspekte der Hauptfiguren in Williams‘ vielschichtiger Vorlage – wie die Gründe für die Spannungen untereinander und Briggs Alkoholsucht – in der Inszenierung von Werner Tritzschler oberflächlich. Schuld daran ist die zu schlichte Darstellung der komplexen Protagonisten.

Weil Sabine Brandauer nicht Elisabeth Taylor und Jan Brunhoeber nicht Paul Newman ist, versuchen sie auch gar nicht erst, so zu spielen. Zunächst ist dies eine gute Entscheidung von Tritzschler, die Hauptfiguren nicht an die brillanten Vorbilder anzulehnen. Natürlich kann man Margaret als hysterische Zicke und Brick als verweichlichten Jammerlappen darstellen – wenn dies glaubwürdig geschieht. Brandauer und Brunhoeber überzeichnen ihre Rollen jedoch dermaßen, dass es anstrengend (Brandauer) und sogar unfreiwillig komisch (Brunhoeber) wird.

Brandauer, die man in den hinteren Reihen – wenn sie mal nicht schreit – sehr schlecht versteht, macht aus Margaret eine Manisch-Depressive, die sich im ersten Akt sehr hektisch auf der Bühne bewegt und sich dazwischen alle paar Minuten verträumt oder leidend auf den Boden fallen lässt. Auch Brunhoebers Darstellung eines selbstbemitleidenden Alkoholikers mangelt es an Authentizität. Seine Art, Schmerzen zu zeigen oder gierig aus einem Glas zu trinken, ist regelrecht pythonesk. Hinzu kommt, dass es schwerfällt, ihn für einen ehemaligen Profisportler zu halten.

Auswirkungen auf die Handlung hat schließlich Bricks überraschende Anhänglichkeit. Im Gegensatz zum misanthropen Stinkstiefel in der Vorlage scheint er weder seine Frau noch seinen Vater zu verachten. Stattdessen wirkt er anlehnungsbedürftig. Dabei soll er Margaret hassen, weil er glaubt, sie habe ihn mit seinem besten Freund betrogen. Und er soll „Big Daddy“ hassen, weil dieser ihn auch als Lieblingssohn nie die Zuneigung hat spüren lassen, die er gebraucht hätte. Die Motive für seinen angeblichen Ekel vor sich und vor anderen werden durch sein eher gleichgültiges als ablehnendes Auftreten abgeschwächt. Darunter leidet auch die Spannung und die Entwicklung des Protagonisten.

Während sich also das Mitgefühl mit den mehr laut- als ausdrucksstark dargestellten Hauptfiguren in Grenzen hält, überzeugen die übrigen Mitwirkenden. Vanessa Daun (mit gigantischer Peggy-Bundy-Perücke) als intrigante, habgierige Mae und Christian Miedreich als ihr biederer Gooper geben ein sich wunderbar ergänzendes Paar ab. Jeder vollendet abwechselnd immer wieder Sätze des anderen. „Big Daddy“ ist eine Paraderolle für Manfred-Paul Hänig, doch noch bigger ist Angelika Schmid als „Big Mama“. Ihre Darstellung als – trotz aller Demütigungen – loyale, verständnisvolle und resolute Frau an der Seite des groben Millionärs ist herausragend.

Das Bühnenbild (Gerd Hoffmann und Arlette Schwanenberg) stellt eine moderne Luxuswohnung mit einem höher liegenden Raum im Raum dar. Welche Funktion dieser Würfel mit milchiger Acrylglaswand hat, erschloss sich dem Verfasser dieses Beitrages nicht. Schick, aber unpraktisch sind auch die Sitzmöbel, weshalb Brick meistens auf einem Beistelltisch hockt. Vielleicht liegt Margaret auch wegen der unbequemen Bänke so oft auf dem Boden.

Vom Sitz haut es am Ende nur einen einsamen „Bravo“-Rufer in Reihe 14, der die übrigen 600 Besucher mit seiner Euphorie vergeblich anzustecken versucht. Zwar wird einige Minuten lang applaudiert, die Masse steht danach aber nur zum Gehen auf. Das Blechdach war eben nicht ganz so heiß.

Weitere Termine im Mai: Dienstag, 14. Mai, 20 Uhr; Freitag, 17. Mai, 20 Uhr; Freitag, 24. Mai, 20 Uhr; Sonntag, 26. Mai, 19.30 Uhr.

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