Malu Dreyer mahnt und attackiert

Mit ihrem traditionellen Empfang in den Viehmarktthermen haben die Trierer Sozialdemokraten am Sonntag das neue Jahr eingeläutet. Parteichefin Malu Dreyer blickte vor allem auf die vergangenen Monate zurück. Heftige Kritik übte sie an der schwarz-gelben Bundesregierung, und auch Christian Wulff widmete Dreyer ein paar Zeilen ihrer Rede. Nur kurz ging die Mainzer Sozialministerin auf die Trierer Kommunalpolitik ein. Der konsequente Ausschluss des NPD-Ratsmitglieds habe die Atmosphäre im Rat stark verbessert, so Dreyer. Gastredner des Neujahrsempfangs war der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich.

TRIER. Rolf Mützenich ist nicht das, was man eine prominente Zugnummer nennen würde. Selbst Politikinteressierten dürfte der Name des Kölners kaum geläufig sein. Bundesweit tritt der Mann allenfalls auf Phoenix in Erscheinung. Dass Mützenich nicht zur Standardbesetzung der Polit-Talkshows zählt und auch bei „Tagesthemen“ und „Heute Journal“ eher selten auftaucht, spricht indes nicht gegen ihn, sondern gegen das sehr berechenbare Auswahprozedere der Hauptstadtredaktionen. Die begnügen sich meist mit einer Riege von, gefühlt, zwei Dutzend Bundespolitikern, die im Wechsel durch sämtliche Sendungen gerreicht werden. Man muss schon Erwin Lotter heißen und unverdrossen den Rücktritt des Bundespräsidenten fordern, um es auch als nicht so bekannter Parlamentarier in alle Gazetten und Abendnachrichten des Landes zu schaffen.

Natürlich durfte die Causa Christian Wulff am Sonntag nicht fehlen beim Neujahrsempfang der Trierer SPD. Bevor Mützenich zum „Arabischen Frühling“ sprechen konnte, war es an Malu Dreyer, ihre Genossen und die zum Teil dem gegnerischen politischen Lager sowie Institutionen und Verbänden angehörenden Gäste auf das neue Jahr einzustimmen. Wie üblich nutzte die 50-Jährige den Empfang zu einem Blick zurück – und zu heftigen Attacken gegen die Berliner Koalition. 2011 sei ein außergewöhnlich ereignisreiches Jahr gewesen, bilanzierte Dreyer, heute lasse sich sagen, dass „der Zeitgeist nicht mehr neoliberal ist“. So wolle eine Mehrheit der Deutschen einen gesetzlichen Mindestlohn, und auch die solidarische Absicherung, beispielsweise im Gesundheitswesen, erfreue sich wieder stärkerer Zustimmung, ist die Mainzer Sozialministerin überzeugt. Dreyer beklagte eine „seit Jahren stattfindende gigantische Umverteilung von unten nach oben“ – wobei „seit Jahren“ auch den Zeitraum umfasst, als die Regierungen Schröder/Fischer und Merkel/Steinmeier amtierten. Nie zuvor sei Deutschland „so schlecht regiert worden“ wie unter der aktuellen Koalition, die sich von Beginn an in Auseinandersetzungen erschöpft habe. „Die FDP scheint irgendwie völlig verloren“, kommentierte Dreyer das Tief der Liberalen.

Die schwarz-gelbe Koalition habe in den vergangenen beiden Jahren bei Personalentscheidungen einige „Kompromisskandidaten“ auf den Schild gehoben, fuhr Dreyer fort und gelangte auf diesem Wege an das Thema dieser Tage und Wochen. Sie habe ihre Stimme in der Bundesversammlung nicht Christian Wulff gegeben, erklärte Dreyer, was ohnehin jeder im Raum wusste. Doch sei für sie klar gewesen, dass Wulff seit seiner Wahl auch ihr Bundespräsident gewesen sei. Dass sie aber nun für sich entscheiden müsse, ob sie dem Chefredakteur der BILD mehr Glauben schenken solle als dem Wort des Bundespräsidenten, das sei eine schlimme Situation. Wenn man Politik „nicht in Gänze diskreditieren“ wolle, dann müssten Politiker „offen und ehrlich zu ihren Fehlern stehen, und sie müssen auch glaubwürdig Konsequenzen ziehen“, mahnte Dreyer. Als verklausulierte Rücktrittsforderung wollte sie diese Aussage gleichwohl nicht verstanden wissen, wie sie auf Nachfrage erklärte. Wulff hätte es auch wenig beeindruckt.

Dreyer: Wir haben es einfach nochmal geschafft

Dreyer ging auch auf die Landtagswahl im vergangenen Jahr ein. Das sei kein Sieg gewesen, über den sich ihre Partei hätte riesig freuen können, räumte die SPD-Chefin ein und ergänzte fast schon lakonisch: „Wir haben es einfach nochmal geschafft“. Nur kurz beschäftigte sie sich mit der Kommunalpolitik, jenem Part, den eigentlich Ratsfraktionschef Sven Teuber hätte übernehmen sollen, wäre der nicht krankheitsbedingt verhindert gewesen. Aus Dreyers Sicht ist „das Miteinander im Rat wieder konstruktiver geworden“, vor allem der „konsequente Ausschluss“ des NPD-Funktionärs Safet Babic habe einiges dazu beigetragen, die lokalpolitische Atmosphäre zu verbessern. Dreyer sprach sich für ein erneutes NPD-Verbotsverfahren aus.

In solch schnelllebigen Zeiten scheint der „Arabische Frühling“ schon etliche Jahre zurückzuliegen. Nicht so für Rolf Mützenich, den außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Der Kölner referierte zu den Veränderungen im Nahen Osten und Nordafrika und warnte eindringlich vor „zu schnellen Enttäuschungen“. Die Entwicklung in Ländern wie Tunesien und Ägypten stehe „im Grunde genommen erst am Anfang“, warb Mützenich um Geduld. Zudem gab er zu bedenken: „Die arabische Welt ist so bunt wie Europa, und sie ist viel größer“. Entsprechend komplex und langwierig sei der weitere Prozess in den einzelnen Staaten, und es sei nur zu begrüßen, dass sich die Völker aufgemacht hätten, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Für den Westen gelte es, auch Wahlergebnisse zu akzeptieren, die nicht in die eigenen Vorstellungen passten, mahnte Mützenich. „Was diese Region aber nicht braucht, dass sind Waffen“, erklärte der SPD-Mann, worauf erstmals während seines leidenschaftlichen Vortrags Applaus aufbrandete. Der Sozialdemokrat kritisierte damit die bis heute noch nicht offiziell bestätigten Pläne, deutsche Kampfpanzer nach Saudi-Arabien zu liefern.

Mützenich war so redlich auch daran zu erinnern, dass zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung ebenfalls Waffen in das Land am Persischen Golf geliefert wurden. Doch aus diesen Fehlern habe seine Partei die Konsequenzen gezogen, versprach er. Man wird ihn und seine Genossen daran messen, wenn denn die Sozialdemokraten – wie von ihnen erhofft – 2013 in Berlin wieder ans Ruder kommen. Im nahen Saarland könnte es schneller gehen, nachdem Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer am Freitag die Koalition beendete. Für Malu Dreyer sind die jüngsten Saarbrücker Ereignisse ein weiterer Beleg dafür, dass Bündnisse aus drei Parteien „recht kompliziert“ sein können. Auch in Trier formierte sich nach der Kommunalwahl 2009 bekanntlich ein Dreierbündnis, bei dessen Bruch Konflikte innerhalb der örtlichen FDP eine wesentliche Rolle spielten. Doch das ist Schnee von gestern, von dem kurzen Ampel-Intermezzo ist nicht viel geblieben.

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