Kurze Wege vom Händler auf den Teller

Auf der Suche nach dem billigsten Bäcker und dem preiswertesten Schlachthof werden Lebensmittel und Tiere über immer größere Strecken durch ganz Europa und rund um den Globus transportiert. Denn viele Kunden interessiert vor allem der Preis und nicht, woher die Produkte stammen, unter welchen Bedingungen sie produziert wurden und mit welchen Folgen für die Umwelt. Beim Studierendenwerk Trier (SWT) herrscht diese Discountermentalität erfreulicherweise nicht. Das Fleisch und das Gemüse kommen vom Hofgut Serrig, die Erdbeeren und die Kartoffeln vom Bauer Grundhöfer in Zewen und die Salate vom Bauer Matthias Boesen aus Lorich. Am vergangenen Montag lud das SWT zu einer Rundfahrt zu den Lieferanten der Mensen und Cafeterien ein. Dabei schilderten die Händler auch ihre Probleme mit dem aktuellen Lebensmittelskandal, dem trockenen Frühjahr und der Personalsuche.

TRIER. Wer am heutigen Mittwoch in die Mensa essen gehen möchte, der hat die Auswahl zwischen Pasta mit Rinderhackfleischsauce oder Schinken-Käse-Sauce. Vegetarier können sich für ein Ruccola-Petersilien-Mandel-Pesto oder drei Röstis aus der Pfanne entscheiden. Für Studierende an der Universität ist die Auswahl an Gerichten genauso alltäglich wie die Busfahrt auf den Petrisberg oder das Ausdrucken von Vorlesungsfolien. Der ein oder andere mag sich noch die Frage nach der Qualität der Produkte stellen, seltener wird hingegen nach der Herkunft oder den Umständen der Produktion gefragt.

Um Aufklärungsarbeit zu betreiben, organisierte Andreas Wagner, Geschäftsführer des Studierendenwerks, vor drei Jahren zum ersten Mal eine Lieferanten-Tour, die vor allem die mittelständischen und regionalen Anbieter vorstellen sollte. Am vergangenen Montag ging die „to the roots“-Tour in ihre zweite Runde.

Was ist eine Fruchtfolge? Was ist ein Ebling? Warum sollte man am besten ganze Kaffee-Bohnen kaufen? Das sind Fragen, die den 13 Teilnehmern während der Tagestour beantwortet wurden. Das Studierendenwerk arbeitet insgesamt mit elf Betrieben aus der Eifel- und Moselregion zusammen, bei günstiger Saison können so 50 Prozent aller Lebensmittel für die Mensen und Cafeterien von Universität und Fachhochschule aus der Region bezogen werden, vom Brot über den Salat bis hin zum Schweinefilet. Insgesamt kauft das Studierendenwerk jährlich für 1,95 Millionen Euro Lebensmittel ein.

Dabei stehen wegen des Kolibakteriums EHEC gerade Gurken und Salate nicht hoch im Kurs. Wie Küchenleiter Heribert Massem auf Nachfrage von 16vor erklärte, werden in der Mensa derzeit keine Gurken verarbeitet und auch auf die Zubereitung von Rohkostsalat wird in der nächsten Woche wohl verzichtet. Die Landwirte sehen die Diskussion hingegen aus einer anderen Perspektive. Dr. Michael Köbler, Leiter des Hofguts Serrig, der vor allem verschiedene Fleischsorten, aber auch Gemüse produziert, dazu: „Die Kolibakterien können in der Jauche oder Gülle vorkommen. Wichtig ist, diese nur in dem gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum einzusetzen, damit kein Kontakt der Bakterien mit den Jungpflanzen möglich ist.“ Die Gurken in dem 300 Quadratmeter großen Treibhaus sind jedenfalls noch nicht ausgereift, zwei der insgesamt 160 geistig beeinträchtigten Mitarbeiter zeichnen für die Bewässerung verantwortlich.

Neben dem EHEC-Skandal treibt die Landwirte noch ein weiteres Thema um: Die lang anhaltenden Hitzeperioden im Mai haben einigen Nutzpflanzen stark zugesetzt. „Dieses Jahr ist es ganz schlimm mit der Hitze, wir mussten ein komplettes Erdbeerfeld ganz aufgeben“, sagt Patrick Justen vom Bauer Grundhöfer über die witterungsbedingte Malaise. Der Direktvermarkter aus Zewen baut neben dem Frühlingsobst noch Kartoffeln, Salate oder auch Dill selbst an. Auch das Weingut Giwer/Greif in Wasserliesch muss nach eigenen Angaben bereits jetzt mit einem Ernteausfall von 15 bis 20 Prozent für den Elbling rechnen. Betriebsinhaberin Sandra Giwer bleibt trotzdem zuversichtlich: „Letztes Jahr hatten wir auch Probleme mit dem Wetter. Am Ende ist einer der besten Jahrgänge überhaupt herausgekommen.“ Damit meint sie vor allem den mineralischen Geschmack des Elblings, der durch den Muschelsteinboden in der Obermosel entsteht.

Ein längerfristiges Phänomen in der Landwirtschaft findet sich bei der Personalausstattung wider. Die meisten Kleinbauern greifen heutzutage auf ost- und südeuropäische Erntehelfer zurück. Die Frage nach dem Lohndumping stellt sich automatisch, doch gestaltet sich die Situation bei genauerem Hinsehen differenzierter. „Selbst bei einem Stundenlohn von 12 bis 13 Euro ziehen die Deutschen das Arbeitslosengeld II vor“, erzählt der Loricher Bauer Matthias Boesen. Auf seinem Gemüsebauernhof, der vor allem Salate an das Studierendenwerk liefert, arbeiten drei rumänische Erntehelfer für fünf Euro die Stunde. Logi und Verpflegung werden allerdings vom Betriebsinhaber gestellt. Auch andere Landwirte sehen in der Anstellung und Bewirtschaftung der Gastarbeiter die einzige Möglichkeit, überhaupt an Arbeitskräfte zu kommen. Das liegt mit Sicherheit auch an der Belastung: Justen berichtet von 400 Kilogramm Erdbeeren, die er und seine polnischen Kollegen in zwei Stunden Schwerstarbeit gepflückt hätten.

Wie sollte aber vor diesem Hintergrund die Debatte über neu etablierte Fair-Trade-Labels geführt werden, die für eine sozial und wirtschaftlich ausgewogene Produktion stehen sollen? Alfons Schramer, Geschäftsführer der 1999 gegründeten Kaffeerösterei „Mondo del Caffé“ in Echternach, ist sich der Problematik gerade in seiner Branche bewusst: „Fair-Trade-Siegels kommen teilweise einer Art Ablasshandel gleich.“ Deshalb entwarf er sein eigenes Signet „Aus Überzeugung fair gehandelt – aber für alle“, mit dem er auf eine enge Beziehung zu bestimmten Lieferanten aufmerksam machen möchte. Das Studierendenwerk bezieht von ihm unter anderem den „Caffé correct“, einen Dreisorten-Bio-Kaffee. Dass diese nachhaltige Einkaufspolitik ein bisschen mehr kostet, ist ein unvermeidbarer Nebeneffekt. Für den „Caffée correct“ müssen die Studierenden bald etwas tiefer in die Tasche greifen.

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