Klaus Jensens neue Seite

Anfangs hatte es Klaus Jensen bei einer Wahlperiode belassen wollen, dann eröffnete eine Gesetzesänderung 2007 die Möglichkeit, dass Oberbürgermeister in Rheinland-Pfalz im Extremfall bis zur Vollendung ihres 72. Lebensjahrs amtieren dürfen. Triers OB wurde gestern 61 Jahre alt. Dass der Sozialdemokrat für eine weitere Amtszeit antreten könnte, schließt er seit geraumer Zeit nicht mehr aus. Zu einer möglichen Kandidatur will er sich aber erst nach der Sommerpause erklären. In und außerhalb des Rathauses mehren sich die Anzeichen, dass es Jensen noch einmal wissen will. So ist der Stadtchef nun online gegangen, auf einer eigenen Webseite legt er Rechenschaft über seine bisherige Arbeit ab. Seine Frau Malu Dreyer würde eine neuerliche OB-Kandidatur begrüßen. Ob die Grünen einen eigenen Bewerber aufstellen werden, ist noch unklar; ebenso, wen die Union ins Rennen schicken will. 

TRIER. Wenn Klaus Jensen besonders gute Laune hat, legt er schon mal schauspielerische Qualitäten an den Tag. Im Dezember war so ein Moment, der Stadtchef informierte die Medien über den Abschluss der Haushaltsberatungen. Dass es ihm gelungen war, fünf der sechs Ratfraktionen für eine Zustimmung zum Doppelhaushalt 2013/2014 zu gewinnen, trug erkennbar zu seinem Frohsinn bei. Plötzlich erinnerte der OB an die Zeiten, als im Rathaus noch Felix Zimmermann regierte. Jensen mimte seinen Vor-Vorgänger und scherzte darüber, was zu dessen Zeiten noch alles möglich war. Dass der Unionsmann sich schon mal aufmachte, um für die Stadt im großen Stil Bildende Kunst einzukaufen, wäre heute ebenso undenkbar wie Zimmermanns Faible für Essgelage und edle Tropfen als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Weder das eine noch das andere dürfte sich ein Klaus Jensen leisten; es würde auch nicht zum Stil des amtierenden OB passen.

Andere Zeiten, andere Sitten. Vergangene Woche lud der Oberbürgermeister zum Pressefrühstück. Jensen blickte auf das vergangene Jahr zurück und informierte die Vertreter Trierer Medien über anstehende Projekte und Vorhaben. Da es sich um ein Hintergrundgespräch handelte, darf über dessen Inhalte nicht berichtet werden – das ist die Abmachung für derartige Zusammenkünfte, wie sie in Mainz und Berlin an der Tagesordnung sind. Natürlich kam auch das Thema OB-Kandidatur zur Sprache – und der Stadtchef wiederholte, was er bereits bei anderer Gelegenheit kundtat: Er werde seine Entscheidung über eine neuerliche Kandidatur erst ein Jahr vor dem wahrscheinlichen Wahltermin bekanntgeben. Für sich selbst habe er diese Frage auch noch nicht beantwortet, betonte der OB, frühestens nach der Sommerpause wolle er sich erklären.

Sich und seine Politik besser erklären will er offenbar schon früher. Vor wenigen Tagen schaltete Jensen eine Homepage in eigener Sache frei. Man kann dies als weiteren Hinweis darauf werten, dass er seinen Hut wieder in den Ring werfen möchte. Fast sechs Jahre sind seit seinem Amtsantritt im April 2007 vergangen: „Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen, Rechenschaft darüber abzulegen, was aus meinen Absichten geworden ist, ob sich meine Erwartungen erfüllt haben und wie es weiter geht. Was ist gelungen, wo gibt es Defizite und welche Projekte sind in der Pipeline?“, heißt es auf der Startseite. Auf der findet man auch eine Rubrik „Wort gehalten“, in der Jensen gleichwohl einräumt, dass er bei einigen Vorhaben nicht so weit gekommen ist, wie „Sie und ich mir das erhofft hatten“. Die unausgesprochene Botschaft des OB lautet dennoch: Seht her, wie die Stadt unter meiner Führung vorangekommen ist. Von mehr Transparenz im Rathaus bis zu Klimaschutz und einer Stärkung des Wirtschaftsstandorts reichen die Themen. Wobei der OB sich nicht als alleinigen Urheber von Veränderungen geriert: „Gemeinsam haben wir, Oberbürgermeister, Dezernentinnen und Dezernent, 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung und viele Dritte aus der ganzen Stadt vieles erreicht, worauf wir alle stolz sein können.“

Offenbar will Jensen online in die Offensive kommen, um auch offline an seinem Image zu feilen.  Jedenfalls scheint ihm daran gelegen, seine Arbeit umfassender darzustellen, als er dies bislang tat. Bemerkenswert ist aber auch, dass der OB nun quasi eine eigene Öffentlichkeitsarbeit jenseits des Rathauses fährt. Das ist neu, denn wo Schröer meist selbst zum Hörer griff und dafür sorgte, dass seine Projekte von den Medien beachtet wurden, neigt Jensen bis dato zu einer für einen Politiker erstaunlichen Zurückhaltung. Das ging so weit, dass man mitunter über Wochen nichts vom OB hörte und las, selbst in Momenten, wo nicht wenige eine klare Ansage des Chefs am Augustinerhofs erwarteten.

Fünf Städte, vier SPD-Oberbürgermeister

Dass es nun online einiges von ihm zu lesen gibt, könnte darauf hindeuten, dass Jensen den Boden bereiten möchte – für eine neuerliche Kandidatur. Die nächste OB-Wahl wird voraussichtlich 2014 stattfinden, nach der nächsten Kommunalwahl, die mit der Europawahl zusammengelegt wird. Die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung schreibt vor, dass ein Bürgermeister frühstens neun und spätestens drei Monate vor dem Tag, an dem das Amt neu zu besetzen ist, gewählt wird. Nachdem Jensen gewählt war und 2007 sein Amt angetreten hatte, änderte sich die Gesetzeslage. Seither gilt die Regel, dass Bürgermeister und Oberbürgermeister zum Zeitpunkt ihrer Wahl das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen. „Das bedeutet im Extremfall, dass ein Kandidat oder eine Kandidatin einen Tag vor seinem oder ihrem 65. Geburtstag gewählt werden und danach acht Jahre lang amtieren kann. Er oder sie würde also erst kurz vor dem 73. Geburtstag ausscheiden“, erläuterte ein Sprecher des Mainzer Innenministeriums am Montag gegenüber 16vor. Jensen wäre bei der nächsten OB-Wahl 62, damit könnte er theoretisch noch eine volle Amtszeit von acht Jahren ausschöpfen – so er denn überhaupt wiedergewählt würde.

Immer mehr Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass der Sozialdemokrat noch einmal antreten wird. Seine Frau Malu Dreyer machte im Interview mit 16vor schon deutlich, was sie von einer Kandidatur ihres Mannes bei der OB-Wahl hielte: diese würde sie „selbstverständlich begrüßen“, erklärte die künftige Ministerpräsidentin, um dann hinzuzufügen: „aber das soll meinen Mann jetzt nicht in seiner Entscheidungsfreiheit einengen“ (wir berichteten). Klar scheint: Sollte er sich zu einer neuerlichen Bewerbung um das höchste Amt der Stadt entschließen, könnte Jensen wohl kaum mehr als „unabhängiger“ Kandidat ins Rennen gehen.  Die SPD würde es sich kein zweites Mal nehmen lassen, den Genossen als eigenen Bewerber aufzustellen; schließlich waren 2006 einige Sozialdemokraten nicht eben begeistert darüber, dass ihr Parteifreund auf „eigenem Ticket“ antrat. Manche verstanden das als Distanzierung von der SPD. Nun könnte Jensen in eine Situation kommen, in der die Sozialdemokraten auf ihn angewiesen sind – schon mangels personeller Alternativen. Einzig der Name Dagmar Barzen fällt, wenn über weitere Kandidaten aus den Reihen der SPD spekuliert wird. Die ADD-Chefin kann auf Menschen zugehen und bringt Verwaltungserfahrung mit, Ambitionen auf ein Wahlamt wie das des Oberbürgermeisters werden ihr allerdings nicht nachgesagt.

Auch in der Union zeichnet sich noch kein „geborener“ Kandidat ab. Allerdings wird man in der Spitze der Partei um die Bedeutung des Wahljahrs 2014 wissen. Die CDU dürfte alles daran setzen, ihre einstige Hochburg zurückzuerobern – erst bei der Stadtratswahl, wo die derzeitige Position als stärkste Kraft am Augustinerhof gehalten und möglichst ausgebaut werden soll, dann bei der OB-Wahl. Auch auf Landesebene wird die Parteiführung die weitere Entwicklung in der Moselstadt aufmerksam verfolgen. Denn dass die CDU in nur einer der fünf größten Städte von Rheinland-Pfalz den OB stellt – in Ludwigshafen, wo die 2001 erstmals gewählte Amtsinhaberin Eva Lohse 2009 wiedergewählt wurde – ist für die Partei ein kaum mehr haltbarer Zustand. In Mainz gelang es dem Unionskandidaten im vergangenen Jahr nach dem Rücktritt des in zahlreiche Affären verwickelten Jens Beutel nicht, in die Stichwahl einzuziehen. 2007 hatte die CDU Kaiserslautern an SPD-Mann Klaus Weichel verloren, seit 1994 ist der Chefsessel im Koblenzer Rathaus in der Hand der Sozialdemokraten – aktuell in der von Joachim Hofmann-Göttig.

Während der Koblenzer es seinem Trierer Genossen 2009 gleich tat und ebenfalls als „unabhängiger Bewerber“ die OB-Wahl für sich entschied, scheint Jensen nun dem Beispiel Hofmann-Göttigs zu folgen – denn der informiert schon seit längerem auf einer eigenen Webseite über seine Arbeit.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.