Keine Zeit für Stillstand

Pachtverträge für Tankstellen, Grillverbote in Grünanlagen, Parken auf Radwegen – die kommunalpolitische Agenda des zurückliegenden Jahres schien von Streitpunkten dominiert, die für die Zukunft Triers nicht eben entscheidend sein dürften. War 2011 für die Stadtentwicklung deshalb ein verlorenes Jahr? Wohl kaum! Weichenstellungen in Feyen und im Westen, aber auch die Perspektiven, die sich im Norden der Stadt abzeichnen, sprechen gegen die weit verbreitete Wahrnehmung, in Trier herrsche Stillstand. Zweifellos gab es aber auch Rückschläge, und vor allem auf kulturpolitischem Terrain stellt sich immer drängender die Frage, wie die Stadt ihr Profil schärfen will. An Aufgaben für 2012 mangelt es der Kommunalpolitik ohnehin nicht: Ob Familienpass oder Theaterpreise, Mobilitätskonzept oder städtische Wohnungen –die Palette der Themen ist lang. Ein Blick zurück nach vorn.  

TRIER. Das fängt ja wieder gut an: Ein „Meinungsaustausch bezüglich Vertragsverlängerung des Pachtvertrages der Tankstelle Ostallee“ findet sich auf der Tagesordnung der ersten Sitzung des Bauausschusses im neuen Jahr. Wird sich der Streit um die „blaue Lagune“ fortsetzen? Man mag es nicht hoffen, auch wenn der Grundsatzbeschluss des Stadtrats vom 17. November Fragen offen ließ, an deren Beantwortung kein Weg vorbei führt. Dass die Bedingungen für eine Vertragsverlängerung jetzt öffentlich diskutiert werden, scheint nur konsequent angesichts der vor allem auf Facebook erhobenen Forderung nach mehr Transparenz.

Kein zweites Thema schien die Trierer 2011 mehr zu polarisieren als das Schicksal der Tankstelle in der Ostallee. Allenfalls das Grillverbot im Palastgarten oder das Parken auf dem Radweg am Moselstadion sorgten für annähernd so viel Aufregung. Nicht, dass leidenschaftlich über diese Streitpunkte diskutiert wurde, war das Problem, sondern in welcher Form dies mitunter geschah, muss zu denken geben. Positiv gewendet: Aus dem Verlauf dieser Auseinandersetzungen lässt sich auch lernen, wie Debatten geführt werden sollten, und was der kommunalpolitischen Streitkultur eher abträglich ist. Mit Unterstützung lokaler Medien und dem Einsatz sozialer Netzwerke ging hierbei schon mal das Gespür für die tatsächliche Relevanz von Themen verloren.

Großprojekte in vielen Teilen der Stadt

Dabei wurden 2011 Weichen für Projekte gestellt, die für die weitere Entwicklung Triers von großer Bedeutung sind: In Feyen-Weismark nehmen die Planungen für das Konversionsprojekt Castelnau Konturen an, in den nächsten Jahren werden dort Hunderte Wohnungen entstehen, samt einer neuen Mitte für den bis dato zusammenhanglosen Stadtteil mit dem Doppelnamen. Neben Castelnau hat der Projektentwickler EGP das Vorhaben Bobinet in Angriff genommen. Läuft alles nach Plan, könnte dieses die lang ersehnte Initialzündung für den Westen bringen. Vor wenigen Wochen wurden zudem Pläne für die Konversionsfläche „Castel Feuvrier“ präsentiert. Wird das Konzept umgesetzt, erfährt das nördliche Moselufer eine deutliche Aufwertung. Eher überschaubar, doch ebenfalls bemerkenswert: In diesen Tagen wird an der Weberbach die neue Wache der Bundespolizei fertiggestellt. Die Gestaltung der Fassade orientiert sich an den gegenüber liegenden Kaiserthermen und setzt städtebaulich einen Akzent in diesem bislang unterentwickelten Straßenabschnitt.

Alle diese Projekte sprechen gegen die weit verbreitete Wahrnehmung, in Trier herrsche Stillstand, und allesamt wurden sie federführend im Baudezernat vorbereitet. Dezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) zog auch 2011 wieder viel Kritik auf sich. KT, wie sie in Rat und Verwaltung genannt wird, fehlt es an der geschmeidigen Art, mit der sich viele Politiker gemeinhin durch Auseinandersetzungen lavieren. Es allen Recht machen, ist nicht Kaes-Torchianis Ding. Sie ist streitbar, doch mit ihrer wenig diplomatischen Art stößt sie Menschen vor den Kopf, die sie eigentlich überzeugen und für ihre Ideen gewinnen müsste. Zudem verstellt sie den Blick auf eine respektable Zwischenbilanz. Wie auch immer man zu ihr stehen mag: Kaes-Torchiani zeigt Leidenschaft für ihr Metier und hat schon einiges in Bewegung gesetzt.

Auf den ersten Blick verbindet die Baudezernentin wenig bis nichts mit dem Oberbürgermeister. Doch eines lässt sich für sie und Klaus Jensen (SPD) gleichermaßen sagen: Beide sind sie keine Politiker im herkömmlichen Sinne. Wo der einen die Fähigkeit abgeht, im entscheidenden Moment nicht auf ihrem Standpunkt zu beharren und stattdessen lautlos Streitpunkte abzuräumen, fehlt Jensen die im politischen Geschäft von vielen erwartete Härte. Nur wenige Politiker reflektieren derart ihr Handeln, wie Triers OB. Schnelle Festlegungen sind ihm offenbar zuwider, und weil er sich nicht auf „Darstellungspolitik“ versteht, wie Politikwissenschaftler sagen würden, haftet an ihm inzwischen das Image des Zauderers. Zweifellos ein Manko in einer politischen Kultur, die den entschlossenen Macher zum Non-Plus-Ultra erklärt. Wer aber die vergangenen Ratssitzungen verfolgte, der sah auch, dass es gerade im ungeordneten Spiel ständig wechselnder Mehrheiten eines ausgleichenden Parts bedarf. Denn das ist einer der wesentlichen Unterschiede zu früheren Zeiten: Die Zeit der verlässlichen Lager im Trierer Stadtrat ist endgültig passé. Jensens Vorgänger konnten sich zu fast allen Zeiten auf klare Mehrheiten verlassen.

Kritik an Egger und Birk

Nach allem, was aus den nichtöffentlichen Sitzungen des Stadtvorstands dringt, scheint auch in dieser Runde Jensens moderierendes Geschick gefragt – und nicht selten an Grenzen zu gelangen. Dem Vernehmen nach liegen vor allem Kaes-Torchiani und Bürgermeisterin Angelika Birk (B90/Die Grünen) häufig über Kreuz. Die Chemie scheint nicht zu stimmen zwischen den beiden Damen an der Stadtspitze.  Nachdem Birk 2010 einen guten Start hinlegte und mit dem Schulentwicklungskonzept beherzt ein Vorhaben anpackte, an dem sich ihr Vorgänger die Finger verbrannt hatte, mehren sich hinter vorgehaltener Hand die kritischen Stimmen: Die Ex-Ministerin verzettele sich, sei überarbeitet und oft übermüdet. Auffallend ist, dass Birk seit dem Frühjahr, als sie an den Mainzer Koalitionsverhandlungen teilnahm, weniger in Erscheinung tritt als im Jahr zuvor.

Wie Birk ist auch Thomas Egger bald zwei Jahre im Amt. Doch anders als die Grüne kannte der Liberale Triers politische Baustellen schon vor seiner Wahl. Als FDP-Fraktionschef war er einer der profiliertesten Redner; kaum eine Ratssitzung, in der der eloquente Jurist nicht ein halbes Dutzend Mal und noch häufiger das Wort ergriff. Gemessen an diesen Zeiten ist es um Egger erstaunlich ruhig geworden. Für das Amt des Kulturdezernenten war er nicht prädestiniert, doch wurde ihm allenthalben zugetraut, sich in diese Aufgabe einzuarbeiten. Bislang lässt seine Handschrift in der Kulturpolitik jedoch auf sich warten, von eigenen Akzenten keine Spur. Um ein Haar hätte Egger vor Jahresschluss sogar ein Debakel erlebt – wenn „Brot und Spiele“ eingestellt worden wäre. Dass die Antikenfestspiele aufgegeben wurden, mag man ihm nicht anlasten, doch dass er bis heute jede Idee schuldig blieb, wie Triers Welterbestätten wieder mit Hochkultur erfüllt werden könnten, macht stutzig. Wie auch der von ihm und OB Jensen für 2011 zugesagte Lotse für Künstler und Kulturschaffende nicht in Sicht ist und die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses vom Mai 2010, „innovative Anreizstrategien für ein neues Publikum“ des Theaters zu schaffen, noch aussteht. Hinzu kommt: Auch als Wirtschaftsdezernent hat sich der Liberale noch kein Profil erarbeitet.

Vielleicht wird Egger 2012 liefern, doch darf man aus allen Dezernaten auf Vorlagen gespannt sein. Birk wird in Sachen Sanierung der städtischen Wohnungen weiterkommen müssen. Auch sollte die Grüne erklären, ob es nun einen wie auch immer gearteten Familienpass geben wird, oder ob man sich im Rathaus von dieser Idee verabschiedet hat. Zur Erinnerung: 2008 beschloss der Stadtrat einstimmig, „im ersten Halbjahr 2009“ einen Familienpass einzuführen. Kaes-Torchiani startet mit der Never-Ending-Story „Mobilitätskonzept“ ins neue Jahr. Im April 2008 führte die Verwaltung eine Umfrage unter Radfahrern durch, die Resonanz war enorm. Von der am Hauptbahnhof geplanten Fahrradstation spricht inzwischen niemand mehr, dabei hatte Mainz für dieses Projekt im Sommer 2008 einen Zuschuss von 85 Prozent zugesagt. Apropos Verkehr: Hier ist auch der OB gefordert. Ende Januar will Jensen den Stadtrat darüber informieren, wie der Stand der Dinge in punkto Reaktivierung der Westtrasse ist. Sollte er auch dann mit leeren Händen dastehen, dürfte es für seine politischen Gegner ein Leichtes sein, ihn vorzuführen. Blamiert wären dann neben dem OB auch Triers SPD und die Grünen.

Vielleicht wird der Stadtvorstand in diesem Jahr geschlossen, entschlossen und auch beizeiten bei der Deutschen Bahn AG vorstellig. Nachdem der Widerstand gegen die Streichungen im Fernverkehr im vergangenen Jahr entschieden zu spät kam, sollten die Dezernenten nun alles unternehmen, damit zum Fahrplanwechsel im Dezember 2012 das Angebot wieder auf ein halbwegs akzeptables Maß ausgebaut wird. Nun allein darauf zu bauen, dass mit dem Start des Rheinland-Pfalz-Takts 2015 eine Verbesserung eintreten wird, wäre fahrlässig.

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