Kampfwandern im Kylltal

Neulich habe ich im Kampfwandern gewonnen! Der Meier Kurt und „et“ Hildegard waren schon wieder zu Besuch, und man kann ja nicht den ganzen Tag beim „Kesselstatt“ Wein trinken. Mit Kunst- und Kulturkram brauche ich dem Meier Kurt aber nicht zu kommen, also schlug ich etwas vor, was immer Freude macht, nämlich eine Wanderung mit garantierter Einkehr in einem gastronomischen Betrieb im Streckenbereich. Nachdem „et“ Hildegard meine Scheraaanien nachgedüngt und die nachlassende Bewässerungsmoral gerügt hatte, sind wir also ab nach Kordel an der Kyll.

KORDEL. Ein bisschen Kultur braucht auch der Meier Kurt, deshalb habe ich den „Römerpfad“ ausgesucht, weil man da noch was lernt und man am Ende der 9½ Kilometer in der Burg Ramstein einkehren kann.

Dem Meier Kurt sein Peugeot (sprich: Pöööschooo) war das einzige Auto mit saarländischem Nummernschild auf dem Parkplatz unter der Burg Ramstein, ansonsten alles TR, WIL und BIT, was ja kein Problem ist. Man versteht sich mit den nördlichen Nachbarkreisen. Aber dann, direkt neben uns, hält ein silberner Opel Astra aus KL. Aha: „Pälzer“. Zwei Männer und eine Frau steigen aus, sowie ein Hund, der aussieht wie ein Flokati-Teppich mit Beinen. Die drei Zweibeiner sind voll aufgerüstet. Wanderschuhe und Spezialkleidung, die wahrscheinlich so viel kosten wie ein Kleinwagen. Ich selbst trage Turnschuhe, Kurt und Hildegard ganz normale Allzweck-Halbschuhe, in denen man nachher im Biergarten nicht wie ein Idiot aussieht. Die Pälzer haben ein GPS-Gerät und höhenverstellbare Wanderstöcke dabei, wie man sie vom Nordic Walking kennt. Nur das diese hier viiiiel teurer sind (Marke „Black Diamond“: 119, 95 Euro). Außerdem tragen sie Markenrucksäcke, die sicher mit Power-Riegeln vollgestopft sind. Unsere komplette Wanderausrüstung besteht aus einem Flachmann, der mit selbstgebranntem Mirabellenschnaps gefüllt ist und vom Hildegard sicher in der Brusttasche verwahrt wird.

Die drei Pälzer (und der Hund!) sehen uns herausfordernd an, als wir an ihnen vorbeigehen, während sie auf dem Parkplatz erst noch ihre Wanderstecken auf die richtige Höhe einstellen. Kurt, ich und vor allem Hildegard verstehen, was dieser Blick bedeuten soll: Euch holen wir sowieso noch ein!

Abwarten! Von denen werden wir uns doch nicht einfach überwandern lassen. Mal ehrlich, was ist das denn für eine sonderbare Konstellation: zwei Männer und eine Frau, die wie bekloppt durch den Wald rennen? Und dann noch mit einem Hund. Auf Neudeutsch nennt man solche schrägen Typen wohl „Nerds“. Die machen sozusagen „Nerdic Walking“. Obwohl wir forsch drauflosschreiten, erscheint der Flokati schon bei den Butzbacher Wasserfällen direkt neben uns. Die Pälzer haben aufgeholt… und nehmen dann feige eine Abkürzung über den Waldweg, der oberhalb des schwierigen Geländes des Butzbachtals verläuft.

Trotz dieser offensichtlichen Wettbewerbsverzerrung haben wir unsere Kontrahenten rasch wieder eingeholt. Und beim Römischen Bergwerk begehen die Pälzer den taktischen Fehler, sich diese römische Anlage näher anzusehen. Da ich alles über das Bergwerk gelesen habe, können wir zügig daran vorbeiwandern, während ich Kurt und Hildegard das Wichtigste darüber erzähle (nämlich: „Von hier stammen die Quadersteine für die Porta Nigra!“ – „Aha!“ – „Mehr muss man darüber nicht wissen!“ – „Gut!“

In Butzbach kehren wir entgegen dem ursprünglichen Plan nicht ins Gasthaus „Am Brunnen“ ein, denn die Pälzer haben seit dem Bergwerk beängstigend aufgeholt und der Meier Kurt hat schon Blutdruck, wie man an seiner hochroten Birne sieht. An der römischen Langmauer liegen die Pälzer wieder gleichauf. Der spätrömische Mauerrest wird keines Blickes gewürdigt – von keinem der beiden Wettkampfteams.

Nächste wichtige Zwischenetappe ist die Genovevahöhle. Kurt, der zunehmend kurzatmiger wird, verlangt zum ersten Mal nach einem Schluck Mirabellen. Wir ziehen alle drei einmal kräftig am Flachmann und können kurz darauf Kurt gerade noch davor retten, den Felsvorsprung über der Genovevahöhle hinunterzustürzen (obwohl: ohne ihn wären wir schneller… aber soweit wollen wir dann doch nicht gehen). Unsere Gegner überholen uns während des Abstiegs und kommen kurz vor uns an der Höhle an. Dort leisten sie sich jedoch den Fehler, bis ganz nach hinten-oben durchzugehen, obwohl man auch von unten dieses frühgeschichtliche Siedlungs-Beispiel bequem komplett einsehen kann. Nur der Flokati bleibt unten bei uns und schmiegt sich scharwänzelnd an den Meier Kurt. Hildegard und ich sehen ihn böse an – den Kurt, nicht den Hund – und geben ihm wortlos zu verstehen, er solle gar nicht erst auf die Idee kommen, sich mit dem Feind zu verbünden. Als der Hund uns vergnügt hinterherbellt, merken die Pälzer oben in der Höhle, dass wir schon wieder auf der Strecke sind, und heften sich an unsere Fersen.

In der Klausenhöhle holen wir zum taktischen Meisterstreich aus: Wir gehen bis zum hinteren, dunkleren Ende durch, so dass die Pälzer uns nicht gleich sehen, als sie kurz nach uns in der Höhle eintreffen. Dann gehen wir sofort Richtung Ausgang und unterhalten uns dabei angeregt und unüberhörbar darüber, was für ein außerordentlich interessantes Beispiel für eine 200 Jahre alte Eremitenbehausung hier doch besichtigt werden könne. Natürlich können unsere Wanderfeinde jetzt nicht so dreist sein, die Klausenhöhle gemeinsam mit uns zu verlassen, sondern müssen zumindest so tun, als ob sie sich diese genauer ansehen wollten. Wir haben also Vorsprung. Und machen Tempo.

Als wir die aufragenden Mauern der Burg Ramstein bereits sehen, macht der Meier Kurt schlapp. „Ist mir doch egal, wenn die vor uns da sind“, jammert er, als „et“ Hildegard ihn anzischt, er solle sich zusammenreißen. Kurt kommt sogar auf die wahnwitzige Idee, sich auf einer Bank am Wegesrand fünf Minuten ausruhen zu wollen. Wir kriegen ihn nur zum Weitermarschieren, indem wir ihm den gesamten Rest aus dem Flachmann zugestehen. Er schüttet, gerade als wir die Pälzer um die Kurve biegen sehen, alles auf einmal in sich rein, und läuft danach sofort wieder wie ein alter VW Käfer. Manchmal muss ich mich schon über den Meier Kurt wundern.

Noch halb im Anwandern, in Rufweite, bestellen wir bei der Kellnerin im Biergarten eine Runde Bier und trinken einen Teil davon leer, damit es aussieht, als ob wir schon eine halbe Ewigkeit entspannt dasäßen, als die geschlagenen Pälzer wenige Minuten nach uns eintreffen. Genau wie Kurt ist einer der beiden Männer kurz vorm Kollabieren und lässt sich seufzend in einen Biergartenstuhl fallen und bestellt drei Mirabellenschnaps.

Der Hund liegt japsend zu Füßen der Frau, die besonders laut und vernehmlich zu den beiden Männern sagt: „So, und nächsten Mittwoch probieren wir mal diesen neuen Wanderweg, der am Karthäuser Hof in Eitelsbach startet!“ Sie sieht dabei kurz in unsere Richtung, aber keiner von uns muss mit dem Kopf nicken, denn unsere entschlossenen Blicke signalisieren ein stummes Einverständnis: Nach dem „Kampfwandern an der Kyll“ folgt nächste Woche: „die Revanche im Ruwertal“.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.