„In Trier spielt der Autobesitz eine große Rolle“

Wie könnte ein systematisches Carsharing für weniger Autos auf Triers Straßen sorgen? Was verschiedene kleinere Initivativen bereits versuchten, kann nun auch über die Internetplattform „tamyca“ organisiert werden. Dabei bieten Privatleute ihren PKW für begrenzte Zeit anderen Fahrberechtigten an. Willi Loose vom Bundesverband CarSharing e.V. (BCS) sieht die Idee kritisch, derweil der Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim sich vor allem bei den Konversionsprojekten der Stadt mehr Ideenreichtum wünscht. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis Trier dem Vorbild großstädtischer Mobilitäts-Mixturen folgen wird, wie auch die eher verhaltene Resonanz auf das noch junge Angebot von „Flinkster Campus“ zeigt.

TRIER. Als Roland Struwe im vergangenen August seinen Umzug von Trier ins Rhein-Main-Gebiet organisierte, hat das mit den neuen Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen einiges gekostet. Deshalb wollte er sich gerne den ein oder anderen Euro beim Mieten eines Kleintransporters sparen, anstatt einen stattlichen Tarif bei einem der einschlägigen Autoverleiher zu bezahlen. Ähnlich wie ihm geht es vielen Menschen, die innerhalb einer Stadt oder von einer Region in eine andere ziehen und keine Bekannten haben, die ihnen mit einem eigenen Transport-Wagen aushelfen können.

Für solch missliche Situationen gibt es nun seit einiger Zeit im World-Web-Web eine Alternative. Die Plattform „tamyca“ bietet Autobesitzern die Möglichkeit, ihren PKW für bestimmte Zeiten anderen Privatpersonen gegen einen selbst festgesetzten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen. Das von Aachener Studenten initiierte Inernet-Portal regelt für eine Pauschale die Versicherungsangelegenheiten und verwaltet ein beiderseitiges Feedback-System, um potentielle Missbräuche zu verhindern. Nach Angaben von „tamyca“ – ein Kürzel, das für „take my car“ steht – gibt es deutschlandweit bereits 2.800 PKW-Besitzer, die ihren Wagen temporär zur Verfügung stellen und damit nicht nur Nachbarschaftshilfe leisten, sondern auch die eigenen Unterhaltkosten verringern. Für Daniel Kempinski, einen der Mitgründer des Start-Ups, liegt der Vorteil gegenüber anderen Carsharing-Konzepten darin, „dass keine neuen Autos angeschafft werden müssen beziehungsweise vorhandene Fahrzeuge besser ausgelastet werden.“

Willi Losse vom Bundesverband CarSharing (BCS) ist da weniger euphorisch. Für ihn, den verkehrspolitischen Interessenvertreter des Autoteilens in Deutschland, ist das Projekt der Aachener Jungunternehmer „aus der Steinzeit, weil es in puncto Kundenfreundlichkeit nicht über das Angebot der privaten Autovermierung hinausgeht.“ Ein zentraler Nachteil ist für Loose, dass für jeden Mietvorgang ein neuer Kontrakt geschlossen werden muss und nicht wie beim Carsharing mit einem Rahmenvertrag die juristischen Modalitäten für alle Fahrten geklärt sind. Statt vermehrt auf privaten Austausch zu setzen, fordert er mit seinen Mitstreitern im so genannten „Nationalen Entwicklungsplan CarSharing“ bis zum Jahr 2020 von der Bundespolitik Maßnahmen in Form von aufklärenden Kampagnen zum Thema effizientes Autofahren, zinsgünstigen Krediten für Investitionen sowie einer einheitlichen Kennzeichnung von Carsharing-Stellplätzen durch die Straßenverkehrsordnung. Damit möchte er vor allem die überregionalen Angebote wie „stadtmobil“ oder „cambio“ weiter etablieren, die bereits heute eigene Automobil-Flotten an ausgewiesenen Parkplätzen überwiegend in Großstädten für den Otto-Normal-Verbraucher zur Verfügung stellen. Neben diesen im Franchise organisierten Modellen und den lokalen Vereinen, die in einzelnen Stadtteilen oder kleineren Städten das Sharing organisieren, führen auch Autohersteller wie BMW oder Volkswagen schrittweise neue Angebote in diesem Bereich für ihre PKW´s ein.

Nach Angaben des BCS werden durch ein systematisches Angebot pro Carsharing-Fahrzeug vier bis acht private PKWs ersetzt. Außerdem lässt sich laut einer Umfrage unter Neukunden bei langfristiger Nutzung auch die Zahl der Autobesitzer in Deutschland verringern. An diesen Effizienzeffekten macht Loose seine verkehrspolitische Vision fest: „Es geht darum, die eigene Mobilität durch einen Mix an Verkehrsmitteln zu nutzen und zwar dergestalt, dass für jeden Weg das geeignetste gewählt wird. Die dadurch frei werdenden Räume durch weniger Autos auf den Straßen ergeben für die zukünftige Stadtplanung enorme Möglichkeiten, die Aufenthalts- beziehungsweise Lebensqualität zu steigern.“ Die Forderung einer Kennzeichnung und gegebenenfalls gesetzlichen Privilegierung von Carsharing-Stellplätzen liegt bereits seit Jahren beim Bundsministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Loose mutmaßt, dass das Vorhaben von den klassischen Autoverleihern lobbyistisch bekämpft wird. Eine Anfrage von 16vor wollte das Ministerium nicht beantworten.

Auch in Trier gab es schon zwei Versuche, Autos zur gemeinsamen Nutzung anzubieten, die aber beide nach kurzer Zeit scheiterten. Kerstin Homrighausen von „cambio Bremen“, einer Kommune mit eigenem Carsharing-Entwicklungsplan, sieht hierfür die Lage der Stadt als ausschlaggebend an: „Carsharing funktioniert bisher nur in großen Städten oder in deren Umland.“ Ungeachtet der strukturellen Nachteile sei aber auch die Mentalität beziehungsweise verkehrspolitische Einstellung der Menschen ein wesentlicher Faktor, ist Raimund Scholzen von der Lokalen Agenda Trier überzeugt: „In dieser Stadt spielt der eigene Autobesitz eine große Rolle“, weiß der langjährige städtische Verkehrsplaner aus Erfahrung.

Diese Einschätzung könnte auch die Frage beantworten, warum die Stadt bei ihren jüngsten Konversionsprojekten auf Konzepte verzichtete, den Autobesitz von seiner Nutzung zu trennen. Und so fiel bei den Stadtentwicklungsplänen Petrisberg, Castelnau und Bobinet-Viertel das Thema Carsharing bisher unter den Tisch. „Hier hat man bei der Erschließung Chancen einer intelligenten Mobilität, beispielsweise durch integrierte ÖPNV-Tickets für Neuanwohner oder Sharing-Systeme verpasst“, beklagt Heiner Monheim, emeritierter Professor für Geographie an der Universität Trier und weithin bekannter Verkehrsexperte, nach seinem Verständnis die Versäumnisse der zuständigen Entwicklungsgesellschaft Petrisberg (EGP).

Es wird in der Moselstadt also auch weiterhin auf Initivativen von Privatunterhmern ankommen. Die Stadtverwaltung spricht zwar in ihrem „Mobilitätskonzept 2025“, dessen Verabschiedung am vergangenen Dienstag erneut verschoben wurde, die Punkte betriebliches Carhsaring und autoreduziertes Wohnen an, wird dabei jedoch nicht konkret. Und auch die Stadtwerke Trier (SWT) teilen auf Nachfrage von 16vor mit, sich „aktuell mit dem Thema nicht zu beschäftigen.“ Diese allgemeine Zurückhaltung scheint sich auch beim jüngsten und derzeit einzigen Trierer Carsharing-Projekt „Flinkster Campus“ zu bestätigten (wir berichteten). Einen der beiden Stellplätze an den beiden Standorten der Hochschule Trier möchte die federführende DB Rent GmbH an den Uni-Campus verlegen, um mehr Studierende an ihrem Wohnort zu erreichen. Ob sich die bisher mageren Anmeldezahlen dadurch signifikant steigern lassen, wird wohl auch von den Aktivitäten der Marketing-Experten des Konzerns abhängen. Schließlich scheint das Gros der Trierer von einer grundsätzlichen Begeisterung für alternative Mobilitätsformen noch eher weit entfernt.

Weitere Informationen zum Thema: Trierer Studenten sollen auf Carsharing abfahren

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