„Immens wichtige Stellen“

Sie werden gebraucht, aber wer soll sie bezahlen? Diese Frage beschäftigte jetzt auch den Stadtrat. Es geht um Triers Schulsozialarbeiter, die teilweise vor einer ungewissen Zukunft stehen. Sie haben ein großes Aufgabenspektrum, das mit gezielten Beratungsangeboten von Lehrern, Schülern und Eltern beginnt und über Kriseninterventionen und Kooperation mit dem Jugendamt bis zur Vermittlung von weitergehender Fachberatung reicht. Häufig stehen die betroffenen Schüler und Eltern vor Problemen, die man sich aus einer finanziell relativ gesicherten Lebensposition heraus kaum vorstellen kann. Aus Sicht vieler Bildungspolitiker sind die Beratungsangebote mittlerweile unverzichtbar.

TRIER. Das „Ob“ wird denn auch in Trier nicht in Frage gestellt: Der Stadtrat war sich am vergangenen Mittwoch darüber einig, dass man Schulsozialarbeit in Anbetracht von im Vergleich zu früheren Zeiten veränderten Familienverhältnissen dringend braucht. Allerdings liegen die finanziellen Mittel für die Zukunft im Ungewissen, die Förderung vom Bund läuft zum Jahresende aus – was vor allem erst in den letzten Jahren neu aufgebaute Strukturen existenziell bedroht, speziell im Bereich der Grundschulen. Dennoch vertagte der Rat die ungeklärte Frage des zukünftigen „Wie“ erst einmal auf die Zeit nach der Sommerpause.

Das Problem, vor dem die Schulsozialarbeit steht, liegt in erster Linie an den ab nächstem Jahr fehlenden Mitteln aus dem Bundesprogramm „Bildung und Teilhabe“. Hinzu kommt, dass sich das Land ebenfalls zu großen Teilen als Geldgeber zurückgezogen hat. Die Stadt hatte die Gelder von Bund und Land jedoch in den vergangenen Jahren massiv in die Sozialarbeit investiert, vor allem an Grundschulen – und beispielsweise 8,5 zusätzliche Stellen geschaffen, deren Finanzierung nun auf der Kippe steht. So fehlen laut Oberbürgermeister Klaus Jensen (SPD) rund 450.000 Euro pro Jahr, die die Stadt für die Erhaltung des heutigen Stands selbst aufbringen müsste, sofern von Land und Bund keine Zuschüsse mehr kommen. Da es sich dabei um eine beachtliche Summe handelt, müsste der Stadtrat für die Erhaltung des jetzigen Standes eigens einen Nachtragshaushalt verhandeln.

Elternvertretern und Angestellte sind alarmiert, sie befürchten Kürzungen und ein Zusammenbrechen der neu aufgebauten und gut angenommenen Strukturen. So fordert beispielsweise der Schulelternbeirat der Grundschule Trier-Feyen den OB und Schuldezernentin Angelika Birk (Bündnis 90/Die Grünen) auf, „sich beim Bund und beim Land umgehend für eine Verlängerung der Förderung einzusetzen“, da die Träger „dieser immens wichtigen Stellen“ sonst nicht deren Fortbestand garantieren könnten. Zudem drohe das Personal bereits mit Abwanderung.

Sodann forderte die CDU im Stadtrat die Verwaltung dazu auf, die Schulsozialarbeit zumindest auf dem Stand vor Beginn der Bundesfinanzierung zu erhalten. Gleichzeitig solle sie beim Bund für eine dauerhafte Unterstützung werben und die der Stadt eigentlich zustehenden Landesmittel einfordern – womit eine wesentliche Forderung der Eltern erfüllt wäre. Dorothee Bohr (CDU) nannte dies „sehr realistisch“, man könne so der Verantwortung für die Finanzierung gerecht werden. Carola Siemon (SPD) begrüßte zwar den grundsätzlichen Willen der CDU-Fraktion, die Schulsozialarbeit zu erhalten, gleichzeitig verlangten sie und ihre Fraktion jedoch eine „Evaluation“ der Schulsozialarbeit an Trierer Schulen bis Ende September 2013. So sei der Bedarf an manchen Schulen möglicherweise „nicht so dringend“ wie an anderen. Carola Siemon hob hervor, dass die Mindestforderung der CDU faktisch das Aus für Sozialarbeit an Grundschulen bedeute, denn diese sei erst mithilfe der Bundesmittel möglich geworden. Daher solle die Evaluation das Ziel haben, „genau hinzuschauen, wo Schulsozialarbeit notwendig ist.“ Dem konnte sich auch die CDU anschließen, sie übernahm so die Forderung nach einer Evaluation in ihrem geänderten Kompromissvorschlag.

In der Diskussion darüber bezeichnete Gerd Dahm von Bündnis 90/Die Grünen diesen Kompromiss von CDU und SPD jedoch als „ziemlich utopisch“ und bezweifelte, dass es Schulen gibt, die tatsächlich keinen Bedarf an Sozialarbeit hätten. Seine Fraktionskollegin Christiane Wendler fügte hinzu, dass es aufgrund der beginnenden Sommerferien und der dadurch fehlenden Ansprechpartner bei Schulen und Rathaus bis Ende September „gar keine vernünftige Evaluation“ geben könne. Die Angestellten bräuchten jedoch Planungssicherheit, da sie sich sonst bereits im Oktober arbeitslos melden müssten. Daher blieben die Grünen bei ihrer vom Rat später abgelehnten Forderung, welche die Stadt von vornherein zur Beibehaltung des „Status quo“ verpflichtet hätte. Jugendamtsleiter Achim Hettinger hielt dagegen, dass es bereits jetzt belastbare Daten zum Bedarf gebe und man im Rahmen einer Evaluation durchaus fundierte Vorschläge machen könne. Joachim Gilles (FDP) sieht nur das Land in der Pflicht, denn Bildungspolitik sei Ländersache und deren Kosten müssten so auch vom Land getragen werden. Margret Pfeiffer (FWG) kritisierte die „Fehlentscheidungen“ von Bundes- und Landespolitik und forderte vom Land, ein Konzept zu erarbeiten, welches die Sozialarbeit zu einem Pflichtangebot an Schulen mache.

Nach der Diskussion stimmte der Rat mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP für den schwarz-roten Kompromissvorschlag, der nun eine Evaluation der Schulsozialarbeit bis Ende September vorsieht und die Verwaltung auffordert, sich bei Bund und Land für entsprechende Mittel einzusetzen. Dagegen schlossen sich FWG und Linke der Forderung der Grünen nach Erhalt des Jetzt-Zustandes an. Der Kompromiss mit den Plänen zu einer Evaluation verschafft der Stadt nun zwar etwas mehr Zeit. Von Planungssicherheit für die teilweise persönlich zur Ratssitzung erschienenen Sozialarbeiterinnen kann jedoch nach wie vor keine Rede sein.

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