„Ich will nicht mein Henker sein“

Sie gilt als eine der größten politischen Herausforderungen der kommenden Jahre – die Energiewende, mit der Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie und auch den Abschied von fossilen Energieträgern bewerkstelligen will. Am Mittwoch startete die Energieagentur Region Trier die Veranstaltungsreihe „Energiekonsens“. Das Ziel: Die Bürger sollen in die Planung der regionalen Energiewende eingebunden werden. Zur Einstimmung hatte die EART den bekannten Fernsehjournalisten und Buchautor Dr. Franz Alt engagiert. Was als „Impulsvortrag“ angekündigt war, geriet zur lautstarken Brandrede. Alt holte zu einem Rundumschlag aus, wetterte gegen „lauter Verbrecher“ und warnte vor Wüstenbildung und Überschwemmungen. Bei den geplanten sieben Zukunftswerkstätten wird es hoffentlich sachlicher zugehen.

TRIER. Franz Alt ist der Urheber eines ebenso schlichten wie schönen Satzes: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“. Mit solchen Botschaften, ungezählten Fernsehsendungen und einer ganzen Reihe von Sachbüchern wurde der Journalist schon vor Jahrzehnten zum Fürsprecher und Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien. Vor allem die Vorzüge der Sonnenenergie stellt der 73-Jährige in seinen Vorträgen und Veröffentlichungen regelmäßig heraus. Wer seine Homepage aufruft, landet auf der „Sonnenseite“ und erfährt dort einiges über den „Umweltapostel und Zauberer“ und das „Ökologische Gewissen Deutschlands“, wie es in der Eigendarstellung heißt. Einen wie Alt als Referenten zu gewinnen, ist schon ein gewisser Coup. So ließ der prominente Gast hoffen, dass sich die gut 450 Stühle in der Europahalle mühelos besetzen lassen würden. Tatsächlich kamen kaum mehr als 200 Menschen zur Auftaktveranstaltung der Reihe „Energiekonsens“.

Während vor nicht einmal einem Jahr die künftige Energieversorgung die politische und gesellschaftliche bestimmte und die Bundesregierung unter dem Eindruck der Atomkatastrophe von Fukushima eine beispiellose Kehrtwende in Sachen Kernenergie vollzog, dominieren inzwischen wieder andere Schlagzeilen die Diskussion, etwa die Benzinpreise. Dabei steht die geplante Energiewende noch ganz am Anfang. „Wir haben schon ein erhebliches Stück Wegstrecke zurückgelegt, aber der größte Teil liegt noch vor uns“, erklärte OB Klaus Jensen (SPD), Vorsitzender der EART. „Alle tragen Verantwortung, auch Bürger ohne Funktion“, erklärte Jensen weiter. Dieser Gedanke liegt auch der mehrmonatigen Veranstaltungsreihe „Energiekonsens“ zugrunde. In sieben Zukunftswerkstätten, von Gerolstein bis Konz, von Prüm bis Irrel, sollen die Menschen in die Planung der regionalen Energiewende eingebunden werden. Für November ist in Trier eine Konferenz zum Thema „Kommunaler Klimaschutz“ geplant. Man wolle allen Interessierten Gelegenheit geben, „mitzudiskutieren und der Politik und Planung eigene Ideen mit auf den Weg zu geben“, umriss EART-Geschäftsführer Achim Hill das Vorhaben. Auch online kann mitdiskutiert werden. Über die Veränderungen auf regionaler Ebene solle umfassend informiert, politische Prozesse so transparenter gestaltet werden.

Schließlich sollte auch lokal und regional gelten, was Günther Schartz (CDU) am Mittwochabend erklärte: Die Energiewende sei „das Megathema unserer Zeit“. Der Landrat unterstrich auch die Chancen für die Menschen vor Ort, insbesondere für die Bewohner des ländlichen Raums, die einen erheblichen Beitrag dazu leisten könnten, die Energieversorgung langfristig zu sichern. Stadt und Umland könnten gemeinsam viel bewegen, so Schartz. Der „Energiekonsens“ solle widerstreitende Interessen nicht verleugnen, diese aber kanalisieren. Der Landrat mahnte zugleich Nüchternheit an und warnte vor „Goldgräberstimmung“, die mancherorts geweckt werde. Er hoffe auf möglichst wenige „kommunale Alleingänge“. Von diesen riet auch Professor Karl Keilen ab. Der Beamte aus dem Mainzer Wirtschaftsministerium, das auch für Energie und Klimaschutz zuständig ist, attestierte der Region, schon jetzt „ganz vorne mit dabei“ zu sein, wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht. Immerhin wird gegenwärtig mehr als die Hälfte des in der Region benötigten Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen. In absehbarer Zeit will die Region zum Energieexporteur aufsteigen. Im Kleinen wie Großen zeichnen sich Projekte ab: Die Stadtwerke planen ein Pumpspeicherkraftwerk, in Energiegenossenschaften formieren sich Menschen, um ihren Teil zur Wende beizutragen. Statt von Konzernen kontrollierte Großanlagen sollen künftig dezentrale Strukturen die Basis der Energieversorgung bilden.

Mit gutem Beispiel voran

Franz Alt hat auch einmal klein angefangen. Auf seinem Anfang der 1970er Jahre errichteten Fertighaus installierte der frühere Moderator der Sendung „Report“ Sonnenkollektoren, mehr als sechs Tonnen Kohlendioxid ersparten er und seine Frau so der Atmosphäre – und das jedes Jahr. Die Alts gehen mit gutem Beispiel voran, auch das schien den 73-Jährigen als Referenten für die Auftaktveranstaltung zu empfehlen. Überdies kennt sich der Mann in der Materie gut aus und kommt viel herum in der Welt. Doch was der Fachjournalist und Moderator der Auftaktveranstaltung, Martin Frey, im Anschluss als „motivierenden Vortrag“ lobte, war über weite Phasen ein wütender Rundumschlag, durchsetzt mit einer Vielzahl von Phrasen („Geld regiert die Welt“) und ständigen Warnungen vor dem ökologischen Niedergang. Alt legte gleich los, rief in den Saal, dass ja niemand glauben solle, die Energiewende sei ohne Konflikte zu haben. „Der Kampf hat erst begonnen“, so Alt, der auch gleich deutlich machte, wo er den Gegner sieht: die großen Energiekonzerne wie RWE und EON hätten einiges zu verlieren und würden sich entsprechend wehren. Der Redner verrannte sich in mitunter allzu simplen Parolen wie „Regieren ist immer Konzernmacht“, was übrigens unabhängig von den jeweiligen Koalitionsparteien zutreffe; der Bundeswirtschaftminister sei überdies nur der „verlängerte Arm der Energiekonzerne“. Als Alt dann auch noch von angeblichen Zusagen zu berichten wusste, welche Kanzlerin Angela Merkel ihm in einem Vier-Augen-Gespräch gemacht habe, fiel es auch dem wohlwollenden Zuhörer schwer, noch zu folgen.

Viel Raum nahmen in Alts „Impulsvortrag“ auch die Hinweise auf ökologische Verwerfungen ein, die in der Mehrzahl schon im Gange sind. So erinnerte er an das massenhafte Artensterben und verwies auf das Wachstum von Wüsten, die „auch um Rheinland-Pfalz keinen Bogen machen“ würden. „Wir spielen Evolution rückwärts“, befand er und fuhr fort: „Wir sind die erste Generation, die Gott ins Handwerk pfuscht“.  Es folgten Diagramme, welche die Entwicklung der Erderwärmung spiegelten, und eine Liste jener Länder, denen als erste Überschwemmungen drohten. Alt sollte an diesem Abend noch einige Eulen nach Athen tragen. Im Saal dürften sich nur wenige befunden haben, die noch ernsthafte Zweifel an dem von Menschenhand gemachten Klimawandel hegen. Wer am Mittwochabend in die Europahalle kam, war wohl ausreichend sensibilisiert für die Notwendigkeit eines umfassenden Wandels. Auf dem Programm stand zudem ein Impulsvortrag mit dem Thema „Chancen der Energiewende für die Region Trier“.

„Der liebe Gott war nicht doof“

Das motivierende, gewinnende Element kam in Alts Vortrag zu kurz. Dass die Sonne ein Vielfaches an Energie bereit stelle, als die gesamte Weltbevölkerung benötige, war so ein Satz. Und dass die Bedingungen für die Windenergie in der Region vergleichbar denen an der Küste seien, hier also noch sehr viel Potenzial liege. Doch dann verstieg sich der Redner wieder zu Feststellungen wie „der liebe Gott war nicht doof“ und „ich möchte nicht mein Henker sein“. Ein andermal polterte er ein „lauter Verbrecher“, was sich einmal mehr auf Unternehmen bezog, welche die Energiewende bremsten. Kurz riss Alt auch den Streit über Biokraftstoffe an. Dass Lebensmittel angebaut werden, um Treibstoff für Fahrzeuge zu produzieren, sorgt seit Jahren für Diskussionen. Für den Bestellerautor handelt es sich lediglich um einen „reinen Scheinkonflikt“, es gebe ausreichend Flächen, um nachwachsende Rohstoffe zur Energieerzeugung herzustellen. Doch Alts Herz schlägt für die Sonne, weshalb er eine ganze Serie von Bildern mit tatsächlich imposanten Photovoltaikfassaden und – dächern präsentierte.

Bei den meisten Zuhörern kam der Vortrag offenbar gut an, wie der Applaus zeigte – trotz oder vielleicht wegen seiner ungeschminkten und deutlichen Worte. Immerhin der Landrat erlaubte sich aber den Hinweis, dass er sich eine „sachgerechtere“ Diskussion wünsche und der Referent doch sehr stark in Gut und Böse aufgeteilt habe. Dass Alt in seinem Vortrag kategorisch erklärte, Politiker dächten ohnehin nur bis zum nächsten Wahltag, wollte der Unionsmann auch nicht stehen lassen. Gerade auf kommunaler Ebene gebe es doch viele, die in den vergangenen Jahren bewiesen hätten, dass sie über den Tag hinaus Politik machten. Das nehme er auch für sich in Anspruch, so Schartz.

Auch zahlreiche Bürger denken über ihre eigene vier Wände hinaus. Menschen wie Johannes Pinn, Vorstandsmitglied der Eifel Energiegenossenschaft eG, kurz eegon. Er habe die Erfahrung gemacht, dass es wichtig sei, die Menschen bei der Energiewende mitzunehmen. Das schaffe in der Bevölkerung auch eine bessere Akzeptanz für größere Projekte. Eine große Resonanz ist auch den insgesamt sieben Zukunftswerkstätten zu wünschen, welche in den kommenden Monaten in der Region angeboten werden. Den Auftakt bildet am Mittwoch kommender Woche eine Veranstaltung zu „Beteiligungs- und Betreibermodelle für erneuerbare Energien“ in Gerolstein.

Umfassende Informationen zur Veranstaltungsreihe finden Sie auf folgender Homepage, auf der auch ein Online-Dialog angeboten wird.

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