„Ich hoffe nicht, dass Facebook vierte Gewalt wird“

Der Pachtvertrag für die Tankstelle in der Ostallee soll verlängert werden. Ein entsprechender Grundsatzbeschluss wurde auf Antrag der FWG auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Das entschied am Donnerstagabend der Stadtrat mit der überraschend knappen Mehrheit von 25 zu 23 Stimmen. Der Abstimmung vorausgegangen war eine heftige Debatte, in deren Verlauf es zu einer verbalen Entgleisung kam. OB Klaus Jensen erklärte, die Entscheidung bringe ihn nun in eine schwierige Situation. Denn im Vertrauen darauf, dass die Entscheidung vom März 2009 Bestand haben würde, habe er den Anwohnern in den vergangenen Jahren immer wieder versichert, dass die Probleme Ende 2012 vom Tisch seien.   

TRIER. Draußen grillten die Jungen Liberalen Würstchen, drinnen wurde es später richtig heiß. Dass die Entscheidung über den Antrag der FWG zur Zukunft der Tankstelle in der Ostallee Zündstoff bergen würde, war jedem klar. Doch wie sehr die Debatte schließlich eskalierte, überraschte dann doch. FWG-Ratsmitglied Peter Spang hatte erneute vor der „Vernichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen“ gewarnt. Es sei zudem gut, dass sich der Stadtrat nun erstmals öffentlich mit dem Thema befasse. Der Stadt fehle schlicht das Geld, den Alleenring an dieser Stelle in einen Grünzug umzuwandeln. Mit Blick auf die Bürgerbeteiligung Mitte des vergangenen Jahrzehnts fragte Spang: „Ist es tatsächlich der Bürgerwille oder nur der Wille von einer Minderheit?“

Thomas Albrechts erklärter Wille ist es, dass die Tankstelle über kurz oder lang aus der Ostallee verschwindet. Man sei sich doch im Grundsatz einig, dass diese nicht an diesen Standort gehöre, erklärte der Unionsmann, der zudem sein „volles Verständnis für den Standpunkt des Stadtvorstands“ äußerte. „Wir streiten nur über den Zeitpunkt, wann die Tankstelle weg soll“, fuhr Albrecht fort, und weil im Moment nicht absehbar sei, woher denn das Geld für die Begrünung der Fläche kommen soll, könne man den Pachtvertrag auch verlängern. „Ich meine, wir wären schlechte Politiker, wenn wir unsere Meinung nicht ändern könnten“, verteidigte der Christdemokrat den Sinneswandel. Im März 2009 hatte der Dezernatsausschuss noch entschieden, dass der Pachtvertrag letztmalig bis Ende 2012 verlängert werden soll.  „Wir hatten es nicht öffentlich diskutiert, das war ein Fehler“, so Albrecht.

Viel diskutiert hat man auch bei der SPD, doch laut Fraktionsvize Rainer Lehnart fand man am Ende zu einem einstimmigen Ergebnis: Alle Für und Wider seien in die Beratungen eingeflossen, „aber wir haben die Priorität auf die gesamtstädtische Entwicklung gelegt“. Lehnart warf der Deutschen BP vor, nicht rechtzeitig nach einem alternativen Standort gesucht zu haben.  Der Sozialdemokrat weiter: „Alle hatten und haben weiterhin die Möglichkeit, sich in die Bürgerverfahren aktiv einzubringen“. Mit deren Ergebnissen müsse man verantwortungsvoll umgehen, verlangte er. Dominik Heinrich, parteiloses Mitglied der Grünen-Fraktion und Ortsvorsteher von Trier-Mitte/Gartenfeld, fuhr erneut schweres Geschütz auf: „Mit falschen Behauptungen und leeren Versprechungen“ hätten die Tankstellen-Fans mobilisiert. Die FWG springe einmal wieder auf ein „populistisches Trittbrett“ auf. Die Haushaltssituation sei 2009 nicht besser gewesen als heute, zudem seien die Pachteinnahmen so marginal, dass dies kein ernsthaftes Argument für einer Verlängerung des Vertrags sein könne.

Während FDP-Ratsmitglied Tobias Schneider der SPD vorwarf,  der Vernichtung von Arbeitsplätzen das Wort zu reden, beklagte Katrin Werner: „Die Stadt hat sich auf eine Lösung versteift, die zuvor nicht öffentlich diskutiert wurden“. Zudem habe die Verwaltung „schlicht kein Verhandlungsgeschick bewiesen“. Nun wurde die Diskussion grundsätzlicher. Richard Leuckefeld kritisierte das Zustandekommen des Beschlusses, der am Ende mit 25 zu 23 Stimmen unerwartet knapp ausfiel: „Noch gibt es drei Gewalten in diesem Staat, und ich hoffe nicht, dass Facebook vierte Gewalt wird“, warnte der Grüne, dass Facebook-Voten künftig häufiger den Ausschlag für Entscheidungen des Rats geben könnten. „Sind wir käuflich?“, fragte Lehnart und provozierte sodann seinen Ex-Genossen Peter Spang, der kürzlich bei einer Veranstaltung des Trierischen Volksfreunds gesagt hatte, dass er das Wort „Bürger“ nicht mehr hören könne.

Der FWGler sah sich nun zu einer heftigen Replik veranlasst, die schließlich in einer verbalen Entgleisung gipfelte. Dabei hatte Spang eigentlich nur das Prinzip der repräsentativen Demokratie verteidigten wollen. Doch dann verlor er kurzzeitig die Contenance: „Facebook interessiert mich genauso wenig wie die 20 Hanseln, die sich am Workshop beteiligt haben“, rief er in den Saal; womit er auf die schwache Resonanz auf einen kürzlich stattgefundenen Bürgerworkshop zur Römerbrücke anspielte. OB Klaus Jensen (SPD) wurde es da zu bunt: „Ich lasse es nicht zu, dass Bürger, die sich engagieren, als ‚Hanseln‘ bezeichnet werden“. Am Ende der öffentlichen Sitzung entschuldigte sich Spang für seine Äußerung.

OB Klaus Jensen begründete die Position des Stadtvorstands, der sich für eine Beibehaltung des Beschlusses von 2009 ausgesprochen hatte. „Wenn ich die Hoffnung hätte, dass die Diskussion in fünf Jahren anders laufen würde, könnte man den Vertrag aussetzen“, erklärte der Stadtchef. Noch wichtiger sei für ihn aber, dass alle die Möglichkeit gehabt hätten, sich seinerzeit an der Bürgerbeteiligung zum Alleenring zu beteiligen. Es gehe auch um die „Glaubwürdigkeit des Rats und der Verwaltung“. Jensen weiter: „Ich bin jetzt in einer ganz schwierigen Situation“. Denn er habe im Vertrauen auf den Bestand der Entscheidung vom März 2009 den lärmgeplagten Anwohnern immer wieder zugesichert, dass sich das Problem Ende 2012 erledigt habe. „Ich muss ab morgen sagen: Das, was ich Ihnen gesagt habe, gilt nicht mehr“.

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