„Habe noch nie ein Stück von mir umgeschrieben“

Wer sein musikalisches Wissen nur über Hitradiosender und MTV bezieht, dem dürfte Heinz Rudolf Kunze allenfalls als Interpret des Gassenhauers „Dein ist mein ganzes Herz“ (1985) bekannt sein. Dass der Musiker und Autor nicht nur fast jährlich ein neues Album veröffentlicht und bereits seit Ende der 80er Jahre erfolgreich Musicals ins Deutsche übersetzt (zum Beispiel „Les Misérables“ und „Miss Saigon“), ist allgemein weniger bekannt. 2003 schrieb er sogar ein eigenes Musiktheaterstück nach Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“. Darauf basierend verfasste Kunze eigens fürs Trierer Theater eine Schauspiel-Version, die am Sonntag um 19.30 Uhr Deutschlandpremiere feiert. 16vor sprach mit dem 55-Jährigen darüber, wie es dazu kam und was die Besucher erwarten dürfen.

16vor: Eine Erstaufführung von Ihnen in Trier – wie ist die Zusammenarbeit mit dem Theater entstanden?

Heinz Rudolf Kunze: Vor vielen Jahren, als Gerhard Weber noch Intendant in Hannover war, hatte er die Idee, mich um eine neue „Sommernachtstraum“-Übersetzung zu bitten. Da haben wir uns kennengelernt. Er dachte zunächst an leichte musikalische Elemente, die das garnieren sollten. Als dann mein Partner Heiner Lürig ihm die ersten drei, vier Kompositionen vorgespielt hat, hat er die Idee erweitert und gesagt: „Lasst uns ein richtiges Musical machen.“ In der ursprünglichen Fassung, die jetzt zum siebten Mal in Hannover laufen wird und dort schon so eine Art Kult geworden ist, besteht fast die Hälfte des Materials aus gesungenem Wort.

Im vergangenen Jahr hat er mich angerufen und gesagt: „Ich würde das Stück hier gerne aufführen, ich habe nur das Problem, dass ich kein Musicaltheater habe. Kannst du dir vorstellen, dich nochmal daran zu setzen und die 20 Song-Passagen umzuschreiben für die Sprechbühne?“ Da habe ich zuerst gesagt: „Das kann ich mir kaum vorstellen.“ Denn ich habe ja alles gesagt. Ich  habe noch nie ein Stück von mir umgeschrieben. Wenn es fertig ist, ist es fertig. Aber da wir befreundet sind, habe ich das überschlafen und dann gedacht: Gut, das mache ich mal. So kommt es zu einer Neuinszenierung in Trier, die doch sehr anders ist als das, was mit viel Musik in Hannover läuft.

16vor: Wird es jetzt überhaupt keine Musik mehr geben?

Kunze: Ich denke nein. Es ist geplant als Sprechstück. Das gab mir die Gelegenheit, mich nochmal neu mit diesen Passagen zu beschäftigen und mich an manchen Stellen noch etwas ausführlicher auszudrücken. Nach meinem anfänglichen Zögern hat es auch Spaß gemacht, mich mit diesen Passagen nochmal zu beschäftigen. Vielleicht konnte ich der ein oder anderen Figur noch etwas mehr Kontur geben, weil ich weniger Rücksicht nehmen musste auf Klänge.

16vor: Und wieviel Rücksicht haben Sie auf die Original-Vorlage genommen?

Kunze: Ich denke, dass ich schon damals recht frei agiert habe, weil mich Gerhard Weber und der Dramaturg Peter Oppermann dazu sehr ermutigt haben. Zum Beispiel habe ich alle Witze in unsere Zeit geholt. Anspielungen Shakespeares auf irgendwelche elisabethanischen Höflinge sind heute nur noch lustig, wenn man einen Fußnotenapparat dabei hat. Das versteht der normale Mensch ja gar nicht. Wenn ich möchte, dass die Leute bei den gleichen Stellen lachen, wie sie bei Shakespeare gelacht haben, muss ich zu anderen Mitteln greifen. Ich hoffe, in seinem Sinne.

Inzwischen habe ich zwei weitere Shakespeare-Stücke gemacht, „Was Ihr wollt“ und „Der Sturm“, da wurde ich immer freier. Ich will schon die Absicht des Meisters transportieren, aber mit meinen Worten.

16vor: Was macht für Sie den Reiz des „Sommernachtstraums“ aus?

Kunze: Außer mit Sonetten in der Schulzeit hatte ich mich damals noch gar nicht mit Shakespeare beschäftigt. Das war mein erster Kontakt zu so einem Stück. Ich habe mit Oppermann und Weber viel darüber gesprochen. Sie haben mir das Stück aus ihrer Sicht erklärt, ich habe drei oder vier Übersetzung gelesen und dann versucht, meinen eigenen Weg zu finden. Man wird wahrscheinlich, wenn man meine Arbeit kennt, meine Art von Ironie auch ein bisschen heraushören.

Ich habe das aber nicht in den Vordergrund gestellt. Es ist mir schon darum gegangen, mich immer wieder in die Pflicht zu nehmen und mich als Dienstleister an Shakespeare zu sehen und nicht als Selbstdarsteller auf Kosten von Shakespeare.

16vor: Sie scheinen sich schon früh mit Musicals und Operetten auseinandergesetzt zu haben. „Dein ist mein ganzes Herz“ war ja auch schon eine Anspielung auf „Das Land des Lächelns“.

Kunze: Das ist ja nur ein augenzwinkerndes Zeilenzitat. Die Geschichte mit den Übersetzungen hat Ende der 80er Jahre begonnen, als ich „Les Misérables“ und dann „Miss Saigon“, „Joseph“ und „Rent“ gemacht habe. Das  war so erfolgreich – dafür gab es auch Goldene Platten -, dass ich weitergereicht wurde. Über die Musik, die ich mache, wurden zunächst Marek Lieberberg und Peter Weck auf mich aufmerksam für „Les Misérables“. Nach dem guten Erfolg haben mir die Autoren ihr Nachfolgestück „Miss Saigon“ gegeben, dann kam „Joseph“ von Webber.

Allerdings bewege ich mich bei Shakespeare wesentlich freier, weil mir hier kein Supervisor von der englischen Produktionsfirma auf die Zehen tritt.

16vor: Hatten Sie schon Gelegenheit, in Trier eine Probe mitzuverfolgen?

Kunze: Leider nicht, weil ich ständig unterwegs bin. Ich kann auch leider nicht zur Premiere kommen, weil ich zur Zeit in Behandlung bin. Ich habe fast dieses ganze erste halbe Jahr im Auto verbracht und zigtausende Kilometer zurückgelegt. Mein Rücken spielt im Moment nicht mehr mit. Darum muss ich mich schonen und mir diese weite Reise ersparen.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.