„Ich finde es okay, Durchschnitt zu sein“

Die Wohnung, die er in privilegierter Lage direkt gegenüber dem Dom zur Verfügung gestellt bekam, hat er vor wenigen Tagen bezogen und die ersten Texte sind fertig. Frank Meyer startet in der kommenden Woche als neuer Stadtschreiber von Trier. Ab Dienstag kann man die Arbeit des gebürtigen Hermeskeilers, der zuletzt den Erzählband „Es war mir ehrlich gesagt völlig egal“ veröffentlicht hat und von dem Mitte April der erste Roman („Normal passiert da nichts“) erscheint, in einer wöchentlichen Kolumne auf 16vor mitverfolgen. Wir sprachen mit dem 49-Jährigen über seine Wahl zum Stadtschreiber, seine Ziele in den kommenden sechs Monaten und über die Bedeutung eines gewöhnlichen Namens.

16vor: Wie wird man Stadtschreiber?

Frank Meyer: Dafür kann man sich nicht aktiv bewerben. Mich haben Leute vorgeschlagen, die in Lesungen von mir waren. Der Stadtschreiber-Verein hat dann aus 14, 15 Vorschlägen vier Autoren ausgewählt. Man hat mich dann gefragt, ob ich nach Trier ziehen könnte, falls man mich auswählte. Das habe ich sofort bestätigt. Dann wollte man wissen, wie ich Trier literarisch verarbeiten würde. Ich haben ihnen gesagt, dass ich erstens mal gerne eine Kolumne über das Thema „Zweifler trifft Pilger“ schreiben würde. Zweitens habe ich angegeben, dass ich Trier schon verarbeitet hätte – in dem Roman, der jetzt erscheint. Zwei große Kapitel spielen in Trier. Das waren zwei Punkte, die ihnen, glaube ich, sehr gefallen haben. Ich habe von Leuten aus dem Vorstand gehört, dass auch das letzte Buch mit den Ausschlag gegeben habe, weil ich sehr bodenständig und witzig Menschen beschriebe.

16vor: Wie wird Ihr Arbeitsalltag aussehen?

Meyer: Ich habe ja immer noch eine Stelle an der Uni, wo ich zum Glück sehr viel frei bekomme. Ich nehme bezahlten und unbezahlten Urlaub und kann so zwei, drei Monate schon mal komplett frei nehmen und reduziere in der restlichen Zeit arbeitsstundenmäßig ein bisschen. Ich werde mir jeden Tag Notizen machen und schreiben. Vieles davon wird nie veröffentlicht werden, aber ich merke jetzt schon, dass das ein Fundus werden wird von Dingen, die ich später in Romanen weiterverarbeiten kann. Im nächsten Roman, der 2014 erscheinen soll, wird ein Kapitel von der Wallfahrt handeln.

Ich kann gar nicht deutlich genug betonen, wie großartig das ist, Zeit zu haben, ein paar Stunden täglich zu schreiben. Das ist für mich – neben Essen, Trinken und Fußballgucken – das beste, was man machen kann. Ich vergesse dann alles um mich herum. Wenn ich eine solche Phase habe, merke ich, dass Material zusammenkommt, das man verarbeiten und für spätere Veröffentlichungen benutzen kann. Ich freue mich sehr darauf.

Ich werde mich natürlich auch viel in Trier bewegen und Eindrücke aufnehmen. Das braucht man auch zum Schreiben. Die werden bei mir nie eins zu eins wiedergegeben, aber sie werden alle wiederkommen. Ich habe in Trier schon über 20 kulturelle Events fest vereinbart. Allein da werde ich wieder so viele Eindrücke und Details sammeln, die ich irgendwann literarisch hervorbringe.

16vor: Die Kolumne wird sich in den ersten Wochen vor allem um die Wallfahrt drehen. Wie ist Ihre Haltung zu diesem Ereignis?

Meyer: Ich bin da sehr offen und habe weder eine positive noch eine negative Einstellung. Ich konnte mit Wallfahrten nichts anfangen. Doch da ich mit immer mehr Leuten spreche, die mit der Wallfahrt zu tun haben, kriege ich einen Bezug dazu und merke, dass das vielen sehr wichtig ist. Ich habe den Eindruck, dass ich mir erst jetzt eine Meinung dazu bilde. Ich stehe staunend und naiv vor dem Phänomen „Pilgern“. Ich komme allmählich rein und fange an, es immer mehr ernst zu nehmen. Mit allen positiven und skurrilen Effekten des Pilgerns.

16vor: Auch in Ihren Texten merkt man, dass Sie stets respektvoll mit Menschen umgehen.

Meyer: Das Respektvolle kommt dann, wenn man sich mit Individuen richtig befasst. Ich kann mich nicht über etwas lächerlich machen, wenn ich merke, das ist jemandem wichtig. Wenn ich merke, so eine Wallfahrt ist für die Leute eine wichtige innere Einkehr und sie nehmen das ernst, dann will ich das auch ernst nehmen.

16vor: Wenn man bei „Amazon“ Ihren Namen eingibt, sieht man, dass Frank Meyer auch Werke wie „Besser leben durch Selbstregulation“ und „Die magischen 11 der heilenden Pflanzen“ geschrieben hat.

Meyer: Das ist ein Problem. Und ich heiße ja nicht nur Frank Meyer, ich sehe ja auch noch so aus. Alle Verlage, bei denen ich war, wollten, dass ich den Namen ändere. Die haben gesagt: „Das geht nicht.“ Man könne als Autor nicht Frank Meyer heißen. Es gibt Tausende davon. Aber ich komme eben aus der Masse der Frank Meyers. Die sind alle zwischen Ende der 50er und Mitte der 70er geboren.

16vor: Warum haben Sie sich dann nicht für ein Pseudonym entschieden?

Meyer: Ich will nicht verbergen, dass ich aus dieser Generation stamme. Ich finde das okay, Durchschnitt zu sein. Ich habe mit meinem wohlmeinenden Verleger lange gerungen, weil er meinte: „Tu dir den Gefallen und gib dir ein schräges Pseudonym.“ Wir haben uns dann geeinigt, dass ich wenigstens noch meinen Zweitnamen oder dessen Initial benutze. Ich bin jetzt schon so lange Frank Meyer, ich möchte auch Frank Meyer bleiben. Auch auf die Gefahr hin, dass ich verwechselt werde.

16vor: Das ist erfreulich bodenständig.

Meyer: Mein Thema sind auch die Frank Meyers. Nicht ich, aber die Generation der Martin Schneiders und Stefan Müllers. Alle Bücher bisher und auch der nächste Roman handeln von Personen, die in den 60er, 70er Jahren geboren wurden. Das ist meine Zielgruppe und die, die ich darstellen will.

16vor: Was möchten Sie am Ende Ihrer Zeit als Stadtschreiber erreicht haben?

Meyer: Erstens möchte ich gelernt haben, Kolumnen zu schreiben. Das ist für mich etwas Neues und das eigentliche Experimentierfeld. Ich habe keine Ahnung, ob und wie gut und wie lange ich so etwas kann. Ich möchte lernen, die Ereignisse und die Menschen einer Stadt in einer wöchentlichen Kolumne festzuhalten. Wenn ich das schaffe, kann ich als Autor eine Sache mehr.

Zweitens hoffe ich, dass ich Trier als Setting für zukünftige Romane noch besser verwenden kann. Ich mag es sehr, wenn ich die Atmosphäre, die Leute und das Umfeld, wo ich die Geschichte reinversetze, sehr gut kenne. Es macht mir Spaß, wenn ich mich auch gedanklich blind in einer Stadt bewegen kann und ich die Gerüche und die Gesichter, die man häufig sieht, kenne. Man muss nicht in München, Hamburg oder London sitzen, um gute Literatur zu produzieren. Das geht auch im Nordsaarland, in Schweich oder in Trier.

Frank Meyer wurde zwar in Hermeskeil geboren, fühlt sich aber im saarländischen Primstal heimisch. Er studierte Anglistik, Germanistik und Niederländisch in Trier und Oxford. Danach arbeitete er zunächst bei der Tageszeitung „Luxemburger Wort“, dann als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Trier und Hildesheim, sowie als Gastdozent am Institut für Übersetzen und Dolmetschen in Antwerpen. Zurzeit ist er Studienberater sowie Lehrbeauftragter für Anglistik an der Universität Trier.

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